Alfa Romeo Giulietta im Test: Alfas Golf-Gegner mit agilem Handling

Alfa Romeo Giulietta im Test
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Alfas Golf-Gegner mit agilem Handling

Alfa Romeo Giulietta © Hans-Dieter Seufert 17 Bilder

Mit dem Alfa Romeo Giulietta will Alfa den Glauben an Traditionsmarke wiederbringen, denn die Alfa-Fans wünschen sich nichts mehr, als ein Fahrerlebnis wie von gestern. Für alle Anderen will die Giulietta eher mit hoher Qualität und gutem Raumangebot überzeugen. Schafft die Alfa Romeo Giulietta im Test von auto moto rund sport das Spagat?

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Kaum ein Gespräch unter italophilen Autointeressierten kommt ohne einen sentimentalen Diskurs über Alfa Romeo aus - über die grandios gezeichneten Modelle, über das brilliante Fahrverhalten einiger Baureihen, aber auch über den sinkenden Reiz der Marke.

Der Giulietta mangelt es nicht an individueller Optik

Vom Alfa Romeo Mito nur mäßig abgebremst, soll nun die Giulietta diese Entwicklung stoppen. Vorbei mit den "Ja, aber er sieht doch gut aus"-Argumenten, die Übergewicht, lässige Verarbeitung und träge Motoren zu entschuldigen versuchen - zu oft blieb es beim Versuch. Jedenfalls mangelt es dem neuen Alfa Romeo Giulietta der Italiener nicht an individueller Optik, die tatsächlich nur durch ein Detail gestört wird: dem Kennzeichen. Wie ein Balken über den Augen eines Ganoven kleistert es die Rundungen der Front zu.

Wirklich entscheidend ist jedoch, was sich dahinter abspielt. Zum Alfa Romeo Giulietta-Test tritt der 170 PS starke Diesel mit zwei Liter Hubraum an. Der Vierzylinder arbeitet nach dem Common-Rail-Prinzip, das den Kraftstoff mit 1.600 bar Druck verteilt - und das bleibt den Insassen nicht verborgen, speziell beim Kaltstart.

Alfa Giulietta: Dieselmotor mit gutem Ansprechverhalten

Ebenso kräftig wie das Nageln, aber weit erfreulicher erweist sich das Ansprechverhalten des Motors. Als ob das Gaspedal den rechten Fuß ansaugt, wird jeder Arbeitsbefehl vom drehfreudigen Triebwerk unmittelbar ausgeführt, noch bevor ein Turboloch den Tatendrang ausbremsen kann. Bereits bei 1.500 Umdrehungen liegen 320 Newtonmeter an, eine Overboost-Funktion packt nochmals 30 darauf. Frontantriebs-Geschädigte Alfisti hören jetzt schon, wie sich die Vorderräder quälen, was das Electronic Q2 genannte Sperrdifferenzial selbst bei großen Lenkwinkeln und nasser Fahrbahn aber zuverlässig unterbindet. Obwohl also genügend Traktion beim Alfa Romeo Giulietta vorhanden ist, bleibt der Testwagen bei den Beschleunigungswerten zum Teil deutlich hinter den Werksangaben zurück.

Testverbrauch bleibt mit 7,1 L / 100 km im Rahmen

Beim Spurt von null auf 100 km/h wurde das Ziel von acht Sekunden um acht Zehntel verfehlt. Gefühlt geht es dagegen im Alfa Romeo Giulietta immer einen Tick schneller voran, besonders dann, wenn Gas, Lenkung und ESP von der Fahrdynamik-Regelung D.N.A. den Dynamik-Befehl erteilt bekommen. Das hat unter anderem zur Folge, dass bei Autobahntempo die Servounterstützung in Urlaub geschickt wird - für manchen Fahrer etwas zu viel des Guten. Das gilt nicht für den Testverbrauch, der mit 7,1 L/100 km angesichts der genossenen Dynamik im Rahmen bleibt. Noch besser: das Einlenkverhalten. Auch wenn die Rückmeldung etwas synthetisch wirkt, stürzt sich die Giulietta mit jenem Elan vergangener Tage in jede sich bietende Biegung.

Dazu trägt auch das optionale Sportfahrwerk mit 18-Zoll-Rädern bei, das zudem die Seitenneigung wirkungsvoll im Test unterbindet - bei den Alfisti steigt bereits jetzt der Freudentränen-Pegel, Fahrer anderer sportlicher Kompakt-Modelle werden allmählich hellhörig. Minimales Untersteuern am Kurveneingang bringt den schweren Diesel kurzzeitig in Erinnerung, danach folgt der Alfa stur wie Antonio aus dem Wunderland der Ideallinie. Ebenso erfolgreich wie der Romanheld ignoriert der Alfa Romeo Giulietta Provokationen, Lastwechselreaktionen lassen sich schwer herbeiführen.

Alfa Romeo Giulietta mit voluminös klingender Bose-Anlage

Dem grundsätzlich sicheren Fahrverhalten des Alfa Romeo Giulietta im Test können auch größere Verwerfungen im Asphalt nichts anhaben. Trotz der unmissverständlichen Straffheit erdreistet sich der Viertürer nicht, zu versetzen. Selbst ordentlicher Komfort findet sich noch in den Federn und Dämpfern, der einzig bei dicht aufeinanderfolgenden kurzen Bodenwellen verloren geht. Alles andere wird verbindlich wippend weggefedert, wobei die Karosserie einen steifen Eindruck hinterlässt. Offenbar zahlen sich die Investitionen in die neue Kompaktwagen-Architektur aus.

Bei der Geräuschdämmung wurde dagegen geknausert, da nicht nur das Triebwerk über den gesamten Drehzahlbereich präsent bleibt, sondern von dominanten Windgeräuschen aus dem Bereich der A-Säule Unterstützung bekommt.

Dagegen hilft nur eines: mit der voluminös klingenden Bose-Anlage dagegenhalten. Um die Lautstärke zu justieren, muss der Fahrer des Alfa Romeo Giulietta noch nicht einmal das herrlich griffige, mit Leder und Alcantara bezogene Sportlenkrad loslassen. Er hat weiter die vier Rundinstrumente im Blick und kann überlegen, wie er die dort abzulesenden Vokabeln "Giri" und "Aqua" beim nächsten Restaurant-Besuch effektvoll anbringt.

Bequeme Sitze und ordentliches Platzangebot

Obwohl das Lenkrad des Alfa Romeo Giulietta weit genug in Länge und Höhe verstellbar ist, wird es nicht für jeden leicht, dahinter eine passende Position zu finden - dazu fehlt es vor allem an Oberschenkelauflage.

Zudem hält Alfa Romeo Seitenhalt wohl für entbehrlich, was angesichts der möglichen Querdynamik der Giulietta einem Konstruktionsfehler gleichkommt. Die bequeme, angenehme straffe Polsterung der Sitze stellt immerhin einen guten Anfang dar, ebenso wie das ordentliche Platzangebot. Davon bleibt auf der Rückbank allerdings nicht mehr viel übrig, hier können sich große Passagiere mit Hilfe des Dachhimmels den Kopf kraulen lassen. Überhaupt dorthin zu gelangen, gestaltet sich ebenfalls schwierig, doch das gelingt bei einigen Konkurrenten auch nicht einfacher.

Bedienung des Alfa Romeo Giulietta ist deutlich misslungen

Nahezu jeder Wettbewerber lässt sich dafür einfacher bedienen als der Alfa Romeo Giulietta. Schon die Grundfunktionen des Radios müssen über fummelige Tasten in der Mittelkonsole in diversen Programm-Untermenüs aufgespürt werden, ganz zu schweigen von den Navigationseinstellungen. Ein Mobiltelefon mit der Freisprecheinrichtung zu koppeln gelingt nur nach intensivem Studium der Betriebsanleitung, verzweifeltem Drücken von Knöpfen am Lenkrad und unerschrockenem Eingeben von geratenen Sprachbefehlen - auch eine Art von Entertainment. Doch das Schöne an der Alfa Romeo Giulietta ist: Um diesen Fauxpas zu entschuldigen, finden sich weit mehr Gründe als das flotte Design - endlich.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • gutes Platzangebot vorn
  • hochwertige Materialien
  • ausreichendes Kofferraumvolumen
  • mäßige Bedienbarkeit
  • wenig Ablagemöglichkeiten
  • schlechte Übersichtlichkeit

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • bequem gepolsterte Sitze
  • guter Federungskomfort
  • hohes Geräuschniveau
  • unbefriedigende Sitzposition

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • kräftiger Dieselmotor
  • gutes Ansprechverhalten
  • homogene Leistungsentfaltung
  • exakt schaltbares und passend gestuftes Sechsganggetriebe
  • ausgeprägtes Kaltstart-Nageln

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • agiles Handling
  • gute Traktion
  • sehr sichere Fahreigenschaften
  • gut abgestimmtes ESP
  • präzises Einlenkverhalten
  • synthetisches Lenkgefühl

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • wirksame und standfeste Bremsen
  • umfangreiche Sicherheitsausstattung

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • geringer CO2-Ausstoß
  • angemessener Verbrauch

Vor- und Nachteile

Kosten
  • umfangreiche Serienausstattung
  • niedrige Versicherungseinstufung
  • lange Wartungsintervalle
  • nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Kaum da, schon abgebogen: Die kräftig motorisierte Giulietta verblüfft mit sehr agilem Handling. Der Einlass in den Kompaktwagen-Olymp bleibt ihr unter anderem aufgrund des hohen Geräuschniveaus verwehrt.

Tabelle (techn. Daten)

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