Alfa Romeo Giulia Veloce Ti gegen BMW 330i im Test

Alfa Romeo Giulia Veloce Ti gegen BMW 330i
:
Sportliche Mittelklasse-Limos im Duell

© Rossen Gargolov

Hinterradantrieb, 258 PS und 400 Nm im BMW versus 280 PS, 400 Nm plus Allradantrieb im Alfa Romeo. Der 330i hat zuletzt gegen einen Mercedes C 300 gewonnen. Auf zur Attacke, liebe Giulia!

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Das ist doch einfach erfrischend! Zwei Mittelklasse-Limousinen, die so wunderbar eindeutig positioniert sind: Hier geht’s konsequent um Grip, Agilität, Kommunikation, direkte Lenkung – um Fahrspaßdinge. Steht auch auf den Kotflügeln: implizit via M-Plakette auf dem BMW 330i MSport, sprechend mit Veloce-Schriftzug auf dem Alfa Romeo Giulia Veloce Ti Q4. Veloce heißt übrigens: schnell.

Womit das Tempo fürs Klären der allgemeineren Eigenschaften vorgegeben wäre.Federungskomfort? Sportlich-straff hier wie dort, trotzdem durchaus anständig. Anständig genug jedenfalls, um noch lange nicht von Restkomfort sprechen zu müssen. Der BMW federt etwas härter an, die Giulia kippelt im Komfort-Modus auf welligen Straßen gerne seitlich hin und her. Platz? Vergleichbar. Im Alfa-Fond gibt’s subjektiv weniger Kopffreiheit, dafür muss sich der hinten links sitzende 3er -Passagier mit der dritten Gurtpeitsche arrangieren, die gegen den Allerwertesten drückt. Kofferraum? Gleichstand (480 Liter). Im Giulia-Abteil gibt es allerdings nur Lichtsparlampen.

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Erfreulich unkitschiges Cockpit mit perfektem Schnitt. Der Startknopf befindet sich am Lenkrad.

Vorne bedingt das Ein- und Aussteigen beim Alfa zwei, drei Übungsläufe, bis Knie und Lenksäulenverkleidung sich dabei aus dem Weg gehen. Der Bewegungsablauf sitzt zügig, und einmal drin, fühlt sich alles richtig und sportlich an. Okay, zunächst musst du dich noch kurz daran gewöhnen, dass das obere Ende der Windschutzscheibe dir relativ nah ist. Das engt keineswegs ein, spitzt aber die Sichtlinie auf den Rückspiegel an. Wer sich außerdem im Sonnenblendenspiegel sehen möchte, muss sich zur Mitte neigen.

Zusammengebaut wird die Giulia passgenau, zudem sind das asymmetrisch geschwungene Armaturenbrett sowie die Türverkleidungen mit hochwertigem Leder bezogen; das sportliche Ambiente runden Carbon-Zierleisten ab. Beim Dreh-Drück-Steller, Schalthebel oder etwa der Klimasteuerung stehendie Materialqualitätund der Grundpreis von 59.500 Euro in einem eher mutigen Verhältnis zueinander. Das gilt gleichermaßen für das matschige Bild der Rückfahrkamera oder die wenig brillante Auflösung des Infotainment-Bildschirms. Ausstattungsbereinigt ist der Alfa zwar über 3.000 Euro günstiger, doch das ändert nichts daran, dass solche Dinge in diesem Preissegment wenig adäquat wirken.

Im 3er sitzt du tiefer, Kuriositäten gibt’s keine, und das hervorragende iDrive-System ist umfangreicher, moderner und zackiger. Wer im Innenraum nörgeln möchte, könnte höchstens mal gegen die Armlehnenbasis klopfen oder das Sensatec-Vinyl für 500 Euro auf dem Armaturenträger unpassend finden– richtige Kuhhaut kostet 1.250 Euro. Ärgerlich ist nur der schlecht ablesbare Drehzahlmesser im Digitalcockpit: Eine zusätzliche Darstellung mit Rundinstrumenten fehlt schlicht.

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17,1 Sekunden braucht der Alfa von 100 auf 200 km/h. Der BMW braucht für den gleichen Sprint 1,6 Sekunden länger.

Egal, wir machen das so!

Ein bezeichnender Qualitätsunterschied tut sich bei den Schalteinrichtungen auf – nicht nur in Bezug auf die Materialgüte. Die Rückseiten der lenkradmontierten BMW-Schalter sind aus lieblosem Plastik, zudem klicken sie uninspiriert. Ein Erlebnis ist hingegen das Gängeflippern mit den wuchtigen Wippen an der Giulia-Lenksäule: Aluminium an den Fingern, langer Hub, definierte Federung, mittellautes Klacken, Schaltruck im Sport-Modus. Da ist es dir fast wieder egal, dass du gelegentlich die Hand vom Lenkrad nehmen musst, um am Kurvenausgang den nächsten Gang einzulegen. Oder dass du jedes Mal um die Wippe greifen musst, um den Blinkerhebel zu erreichen. Das juckt die italienischen Ingenieure offensichtlich nicht ansatzweise: Hauptsache Rock’n’Roll. Und das ist enorm wertschätzungswürdig.

Alfa Romeo ist halt die coole Socke im Segment. Sie nennen ihr Felgendesign „Classico“, setzen den Startknopf wie Ferrari aufs Lenkrad, verbauen eine Kohlefaser-Kardanwelle und schreiben eben ganz trocken „schnell“ auf ihre Allrad-Limo mit 280 PS: Kann man bei 5,4 Sekunden auf 100 km/h schon machen. Der hinterradgetriebene 330i hat mit 258 PS zwar 22 PS weniger, drückt aber ebenfalls 400 Nm auf die Kurbelwelle. Dass er drei Zehntel langsamer ist, hat in der Praxis null Relevanz.

Fan-Applaus können sich Vierzylinder in dieser Preisklasse zwar kategorisch abschminken, schließlich braucht’s mindestens einen zusätzlichen Kolben für einen interessanten Soundtrack. Das bestätigen hier von überschaubarer Emotionalität geprägte Klangkulissen: kultiviert, lautsprecherunterstützt und deshalb kernig im BMW; authentisch, abgasanlagenunterstützt und deshalb semi-fauchig im Alfa. Den Zweiliter-Motoren gelingt es zweifelsfrei, die querdynamischen Fähigkeiten der Limousinen nicht nur passend zu unterstützen, sondern auch zu fordern.

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Ausschweifende Details werden dem M Sport nicht gegönnt, obwohl sie definitiv zur Fahrdynamik passen würden.

Der 330i ist exakt so abgestimmt, wie sich das für eine sportliche 3er-Variante gehört. Trotz Mischbereifung ist der Hinterradantrieb schon bei verträglichem Tempo spürbar, zudem harmoniert er ausgezeichnet mit der Sporteinstellung der Traktionskontrolle, die selbst bei heftigen Unebenheiten nie unnötig dazwischenfunkt. Muss sie auch nicht, denn überwiegend hält der 3er entspannt die angepeilte Linie, verdient sich das Freude-am-Fahren-Siegel schon durch seine direkte Lenkung inklusive präzisem Einlenkverhalten. Hier und da muss (darf) auch mal leicht gegengelenkt werden; die zusätzliche Fahraktivität driftet jedoch nie in schlagartige Überforderung ab. Wer’s gern bunter treibt: Ein elektronisch geregeltes Sperrdifferenzial kostet 1.300 Euro.

Trotz hecklastiger Auslegung repliziert das Allradsystem des Alfa nicht etwa das BMW-Fahrverhalten. Höchstens in langsamen Ecken drängelt die Hinterachse minimal, grundsätzlich bestimmt aber die neutrale Balance das Fahrgefühl. Richtig actionreich wird es im Dynamik-Modus mit gelockerter Traktionskontrolle und deftiger Dämpferkennlinie. Über in Kurven liegende Flickenteppiche kommt der Aufbau ordentlich in Wallung, dabei verwaltet das Allradsystem die kurzen Traktionseinbrüche punktgenau und vor allem für den Fahrer wahrnehmbar.

Die Kommunikation hebt den Fahrspaß, steigert das Vertrauen – da wird’s hier und da ganz schön wild mit der Giulia. So aggressiv bist du im BMW nicht unterwegs, da die Hinterradantriebsdynamik dich schon früher im gleichen Maß involviert.

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36,8 Meter braucht der Alfa bis die Räder aus Tempo 100 zum Stillstand kommen. Hier hat er keine Chance gegen den Münchner - mit 33,6 Metern liefert der ein Spitzenergebnis.

Brake-by-Wire im Alfa

Ganz entschieden überlegen ist das klassisch konstruierte Bremssystem des 330i. Nicht nur, weil die Giulia mit 36,8 Metern aus 100 km/h reichlich durchschnittlich verzögert, der 3er mit 33,6 Metern hingegen auf Sportwagenniveau. Vor allem überträgt das BMW-Bremspedal alle Informationen: leichtes Pulsieren im ABS-Regelbereich, intuitiv verständliche Relation zwischen Pedal- und Bremsdruck. Im Alfa informiert ausschließlich eine „ABS Active“-Kontrollleuchte im Tacho über die aktive Regelung.

Der Grund: Eine physische Verbindung zwischen Bremspedal und Hauptbremszylinder existiert nicht, stattdessen wird der Pedaldruck an ein Steuergerät übermittelt, das die Hydraulikbremse über einen Elektromotor betätigt. Ein herkömmliches Pedalgefühl wird ergo nur simuliert, was insbesondere bei engagierter Fahrt die Dosierung erschwert. Ein weiterer Unterschied: Starke Bremsvorgänge zeigt der Alfa über die Warnblinker in doppelter Frequenz an, der BMW setzt das Prinzip über blinkende Bremsleuchten um.

Zähneknirschend kann man sich an das Continental-Mk-C1-Bremssystem gewöhnen; für Fahrer, die nie in der Nähe der ABS-Regelgrenze bremsen, ist das fehlende Feedback weniger problematisch – fürs Testpunktekonto des Alfa schon.

Daran scheitert es für ihn letztlich nicht: Das Ding ist mit der großen Differenz bei den Sicherheits- sowie Komfortassistenzsystemen schon fast gegessen. Sicher ist die Giulia dennoch. Und das Coole am Test: Ob BMW oder Alfa ist fahrdynamisch reine Geschmacksfrage.

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Ohne wenn und aber zählen der BMW 330i und der Alfa Romeo Giulia 2.0 T Q4 Veloce Ti zu den sportlichsten Limousinen ihrer Klasse. Doch welcher der beiden verkörpert das bessere Gesamtpaket?
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Um dieser Frage auf den Grund zu gehen schicken wir die beiden ins direkte Duell. Standard-Lackierungen wie silber und schwarz sind hier schon einmal fehl am Platz. Denn die Giulia tritt in Rosso Competizione (2.800 €) auf und der BMW 3er...
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... funkelt in Portimao-Blau (900 Euro). Genau dieser macht auch den Anfang. Im Vergleich zu seiner Konkurrenz besitzt der Münchner nur einen hinterradbetriebenen Antriebsstrang und keinen Allrad.
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Aber dafür macht er optisch ordenltich was her. Ausschweifende Details werden dem M Sport aber dennoch nicht gegönnt, obwohl sie definitiv zur feinen Fahrdynamik des 330i passen würden.
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Mit 4,70 Metern Länge ist der BMW etwas größer als der Alfa der es nur auf 4,64 Meter bringt. Das ändert aber nichts an den Grundvoraussetzungen für einen fairen Zweikampf.
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Der 330i ist exakt so abgestimmt, wie sich das für eine sportliche 3er-Variante gehört. Wer’s gern bunter treibt: Ein elektronisch geregeltes Sperrdifferenzial kostet 1.300 Euro.
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Das Kurvenlicht und der Fernlichtassistent der Laserscheinwerfer beeindrucken und das nicht nur im technischen Sinne sonder natürlich auch optisch.
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Die M-Sportbremse ist im Paket enthalten und sorgt für hervorragende Ergebnisse im Bremswegetest. Aus Tempo 100 steht der 3er nach erstaunlichen 33,6 Metern still. Hier braucht der Alfa 3,2 Meter mehr.
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Zum Interieur ist nicht viel zu sagen: Enorm hoher Qualitätsanspruch mit feinsten Materialien und wie immer das überragende iDrive-Bedienkonzept im Zentrum des Geschehens.
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Dynamisch auf der Straße und im Internet mit dem riesigen und makellos funktionierendem Touchbildschirm.
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Die Achtgangautomatik funktioniert einwandfrei und natürlich ohne ruckeln. Und die Lenkung versorgt den Fahrer präzise mit Informationen und spricht sehr direkt an.
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Und in der zweiten Reihe? Hinten ist es im 3er etwas enger als im Alfa. Und der Ausstieg ist nicht immer einfach.
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Der Zweiliter-Turbobenziner im 330i leistet 258 PS und entwickelt ein Drehmoment von maximal 400 Nm. An Laufkultur und Leistungsabgabe ließ sich dieser Motor eh nie etwas vorwerfen, nun klingt er aber auch authentischer als bisher - zumindest im Sport-Modus.
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Wie sieht es im Vergleich zum Münchner mit dem Alfa Romeo aus? Traktion hat der Allrad-Alfa reichlich, zudem ist er auch noch bei forscher Gangart einfach zu fahren. Das ESP lässt sich jedoch nur im BMW vollständig ausschalten.
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Die Maximaldrehzahl liegt bei unter 6.000 Umdrehungen pro Minute. Mit 280 PS hat die Giulia ganze 22 PS mehr als der 330i...
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... das macht sich auch im Beschleunigungstest sichtbar. Im Spurt von 0 auf Tempo 100 benötigt die feurige Italienerin 5,4 Sekunden - der Münchner braucht 0,3 Sekunden länger.
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1.619 kilogramm bringt der hinterradgetriebene 330i mit vollem 59-Liter-Tank auf die Waage. Der Alfa wiegt mit 58 Litern Super 27 Kilogramm mehr -sein Radstand ist zwar 3,1 Zentimeter kürzer, dafür schleppt er einen Allradantrieb mit.
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Beide Kontrahenten stehen auf strammen 19-Zöllern. Das Felgendesign nennen die Italiener „Classico“.
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Übersichtlicher Innenraum: Die Riesenschaltwippen hinterm Lenkrad sind ein Statement, zeigen die Philosophie: Wir machen, was wir cool finden. Die Verarbeitungsqualität kann jedoch trotz aller Coolness nicht mit dem BMW mithalten.
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Das ZF-Automatikgetriebe ist gut abgestimmt und harmoniert auch gut mit dem Zweiliter-Triebwerk der Giulia.
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Etwas mehr Kopf- und Beinfreiheit als bei der Konkurrenz und ein besserer Ausstieg.
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Im Testmittel benötigt der Alfa 9,4 Liter Super auf 100 Kilometer. Hier ist der BMW sparsamer unterwegs und braucht lediglich 8,3 Liter. Schadstoffeinstufung bei beiden Euro 6d-Temp.
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In puncto Fahrdynamik und Antrieb mischt der Alfa Romeo Giulia richtig gut mit. Aber als Gesamtpaket kommt er nicht am Münchner vorbei und belegt den zweiten Platz.
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Auch die relativ hohen Preise können den BMW 3er nicht von der Spitze stoßen. Wir sind gespannt ob er auch den nächsten Vergleich wieder für sich entscheiden kann.

Fazit

1. BMW 330i M Sport
458 Punkte

Für den 3er gibt es so gut wie nichts, was es nicht gibt – und fast alles ist von hoher Qualität. Dazu kommen feine Hinterradantriebs-dynamik, aber auch hohe Preise.

2. Alfa Romeo Giulia 2.0 T Q4 Veloce Ti
409 Punkte

Er ist einer, nach dem sich die Leute umdrehen. Wem Assistenten weniger wichtig sind, der kann den Fokus auf die Fahrdynamik und den Antrieb rücken. Da mischt er mit. So richtig.

Tabelle (techn. Daten)

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