AC-Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé im Supertest: Dunkle Macht mit 677 PS

AC-Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé im Supertest
Dunkle Macht mit 677 PS

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Es ist eine Gesetzmäßigkeit von universaler Bedeutung: Sie besagt, dass alles, was möglich ist, auch möglich gemacht wird – im Guten wie im Bösen. Irgendwo auf der Welt findet sich immer jemand, der etwas wagt, anpackt und realisiert. Im schlechtesten Fall sind es Gewissenlosigkeit oder Brutalität, im günstigsten sind es Mut oder Wissen, die als Initialzündung wirken.

Turbo-Motoren machen Tuning leichter

Nun liegt die ehemalige Kaiserpfalz Aachen nicht irgendwo auf der Welt, sondern grenzt an Ruhrgebiet und Eifel, und der dort ansässige BMW-Tuner AC Schnitzer ist gewiss kein Betrieb, dem man Brutalität vorwerfen könnte – außer vielleicht seinen Produkten, aber dazu kommen wir später.

Auf den konkreten Fall übertragen heißt das: Tuning wird praktiziert, weil es möglich ist. Da können sich die mittlerweile auf jede Marktlücke spezialisierten Hersteller drehen und wenden, wie sie wollen. Das Spektrum der Möglichkeiten, nachträglich Hand anzulegen, wird wegen der serienmäßig schon extrem ausgeweiteten Angebotspalette zwar tendenziell kleiner. Aber es tun sich für die Veredler doch immer wieder Marktlücken auf – wie man sieht, sogar ziemlich große.

Das mit Macht anbrechende Turbo-Zeitalter macht möglich, was noch vor Kurzem als undenkbar, wenn nicht gar unmöglich galt: nämlich die serienmäßig schon extrem hochkarätigen Werksmotoren leistungsmäßig noch weiter zu optimieren. Die Triebwerke der bisherigen M5- beziehungsweise M6-Generationen entzogen sich wegen des Hochdrehzahlkonzepts und damit einhergehender maximaler Drehzahlen von bis zu 8.500/min beharrlich jeglicher Manipulation seitens des Tuning-Gewerbes. Bei Saugmotoren ist die Leistungs-Findung bekanntlich nur über Drehzahlerhöhung möglich.

Im Turbo-Zeitalter aber geht's ans Eingemachte: Auf Tunen und Lassen folgt jetzt – salopp gesagt – Tunen und Prassen. 60, 80 oder gar – wie im vorliegenden Fall – 120 PS mehr als das Ausgangsprodukt, das mit einer Nominalleistung von 560 PS auch schon nicht eben schwach konditioniert ist? Warum nicht, wenn es doch nur eine Schraube ist, an der gedreht werden muss.

AC Schnitzer ACS6 mit gemessenen 677 PS

Nun, ganz so einfach ist die Chose auch beim Turbomotor nicht. Aktuell wird die Steigerung von PS und Drehmoment zwar allein durch Ladedruckerhöhung bewerkstelligt. Aber das Wohlergehen eines über vier Liter großen, nach allen Regeln der Motorbaukunst hochgejazzten Biturbo-V8 wie desjenigen im BMW M6 Gran Coupé hängt von mehr als nur der Zuführung zusätzlicher Sauerstoffrationen ab.

So müssen Benzinmengen und Luftmassen in jedem Drehzahlbereich penibel auf die veränderten Druckverhältnisse im Einlasstrakt und im Brennraum angepasst werden. Das allein erfordert tiefschürfende Programmierarbeit. Das Turbo-Tuning der Neuzeit folgt damit für Außenstehende geradezu wundersamen Mechanismen: "Plug and play" heißt die angesagte Methode, nach der dem Motormanagement einfach ein von neuer Software vollgepacktes Zusatzmodul per Stecker zugeschaltet wird.

Die serienmäßige Elektronik bleibt damit ebenso unangetastet wie der Motor selbst. Keine Schraube wird bewegt und kein Deckel demontiert. Nicht ein Öltropfen geht verloren. Tuning 3.0 sozusagen. Die Zeiten, als noch armtief im Ölsumpf geschraubt und gefeilt werden musste, um zusätzliche Pferdestärken aufzuspüren, muten angesichts solch smarter Methoden geradezu prähistorisch an.

Die Tuning-Maßnahme à la AC Schnitzer ist technologisch betrachtet ebenso zauberhaft wie in der Wirkung grandios: 677 PS (Serie: 560 PS) und ein Drehmoment-Berg von ungeheuren 848 Newtonmetern (Serie: 680 Nm) – hervorgerufen durch "Plug and play" –, kann das auf Dauer gut gehen?

Produktversprechen von 60 Mehr-PS

Der kleine, mit einer speziellen Edelstahl-Halterung geschickt im Motorraum untergebrachte Zauberkasten beinhaltet nicht nur die Software zur Darstellung des über die Maßen beeindruckenden Leistungsangebots. Er beinhaltet – im übertragenen Sinn – auch eine Garantieerklärung seitens AC Schnitzer. Sie hat analog der Werksgarantie ab Fahrzeug-Zulassungsdatum zwei Jahre Gültigkeit. Das gilt im Übrigen nicht nur für den Motor, sondern für alle Bauteile, die auch seitens der M GmbH einer Garantie unterliegen. Zumindest formal ist dem Genuss ohne Reue damit sicher hinreichend Genüge getan.

Apropos Genuss: Der vom Leistungsprüfstand attestierte Leistungszuwachs gegenüber der Serien-Nennleistung beträgt nicht, wie der Tuning-Kit laut AC-Schnitzer-Zertifikat verspricht, 60, sondern 120 PS.

Auf des Rätsels Lösung kommt man durch eine schlichte Additionsrechnung: Da das Serientriebwerk des zum M6 Gran Coupé by AC Schnitzer gewandelten Serien-Coupés laut Chefentwickler Roman Fenners von Haus aus schon mit 620 PS vorstellig geworden ist und sich das Produktversprechen von 60 Mehr-PS selbstverständlich stets auf die Ausgangsbasis beziehe, sei es nur folgerichtig, dass der Motor des Testwagens mit dieser stattlichen Übermacht an Leistung und Drehmoment antrete.

AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé mit tollem Sound

Es wird seitens des Tuners also nicht die finale Leistungsstärke, sondern das tatsächliche Plus versprochen – so viel Aufrichtigkeit muss sein. Die sport auto-Leistungsmessungen diverser V8-Turbomotoren aus dem M-Hause werden dadurch übrigens indirekt bestätigt. Die Schönheit der in Aachen verfeinerten Technik drückt sich vordergründig in einem ebenso umfangreichen wie attraktiven Design-Programm aus, von dem ein Set allein dem grandiosen V8-Motor des AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé gewidmet ist.

Auch der Sound des Biturbo-Aggregats entwickelt sich dank der beiden speziellen Sportnachschalldämpfer in einer Weise, die alles andere als alltäglich ist. Die 677 PS erzeugen mithilfe des neuen, gleichfalls klappen-gesteuerten Abgassystems eine Klangkulisse, die je nach Drehzahl zwischen tonaler Gewalttätigkeit und einlullender Beruhigungsfrequenz wechselt.

In seinem Drang nach vorne kennt das AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé in der Praxis so gut wie keine Konkurrenz. Schon deshalb, weil der Biturbo-V8 in keiner seiner Gangstufen und in keinem Drehzahlbereich auch nur einen Hauch von Antrittsschwäche erkennen lässt. Quasi ab Leerlaufdrehzahl wird der Zweitonner im Supertest mit solch immenser Wucht nach vorn geschleudert, dass es empfindlichen Passagieren in der Magengrube durchaus einmal mulmig werden kann.

Zweitonner rennt 305 km/h

Das rauschende, von betörender V8-Livemusik untermalte PS- und Drehmomentfestival gipfelt in einer Vmax von 305 km/h – und endet auch nur deshalb so vorzeitig, weil man den Reifen bei ihren extrem anspruchsvollen Aufgaben nicht noch mehr Stress zumuten wollte. Zur Erinnerung: Inklusive Besatzung sind im AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé weit über zwei Tonnen unterwegs, auch wenn man das als Kommandant dieses schon optisch sehr dynamisch auftretenden Raumgleiters vordergründig nicht registriert.

Sicher ist die in diesem System versteckte kinetische Energie äquivalent zu einem mittelgroßen Asteroiden auf dem Weg in unsere Atmosphäre. So ist dank roher Kraft und einem geschmeidig arbeitenden Doppelkupplungsgetriebe der Vollgas-Sprint bis 200 km/h in knappen 12,2 Sekunden erledigt. Der Leistung entsprechend liegt die maximale negative Beschleunigung im Supertest bei 11,1 m/sÇ. Das entspricht im besten Fall einem Bremsweg von 34,7 Metern aus 100 km/h.

Erst bei Vollbremsungen aus höheren Geschwindigkeiten kann das AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé sein Gewicht denn doch nicht verhehlen, was sich an der reduzierten Verzögerungsleistung beim Test aus 200 km/h ablesen lässt.

Das AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé ist damit längsdynamisch dennoch in bester Gesellschaft: Im Beschleunigungs- und Bremstest (0–200–0 km/h) haben selbst der leichtere M5 mit Competition-Paket und auch der mit Allradantrieb antretende Audi RS6 Avant gegen das Power-Coupé made by AC Schnitzer keine Chance.

AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé ein sanfter Riese

Seine längsdynamischen Qualitäten hindern das AC Schnitzer ACS6 Sport Gran Coupé erstaunlicherweise nicht daran, auch querdynamisch zu brillieren: Der mit Dunlop Sport Maxx Race bestückte Brummer bringt im Supertest in Hockenheim eine Rundenzeit von sage und schreibe 1.12,5 Minuten zustande, was es ihm gestattet, sich sogar mit dem in dieser Fahrzeugklasse dominanten Porsche Panamera Turbo S ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen zu liefern.

Das schöne Gefühl, die Reaktionen im Grenzbereich überwiegend mit dem Gasfuß steuern zu können, speist sich aus drei Faktoren: aus dem gewaltigen und dennoch sanft einsetzenden Schub schon bei minimalem Gaspedal-Druck, aus der exakt und jederzeit gutes Feedback liefernden Lenkung sowie aus einer ausgesprochen gutmütigen und sehr neutralen Fahrwerksabstimmung.

Das höchst agile Einlenkverhalten mündet nicht – wie in dieser Gewichts- und Größenklasse normalerweise häufig zu beklagen – gegen Kurvenausgang in trägem Untersteuern und/oder in einem bewegten und damit nur schwer kontrollierbaren Eigenlenkverhalten. Trotz sichtbarer Tieferlegung und strafferer Feder-/Dämpfer- Kennlinien haben wir es bei diesem, für manch einen wie eine dunkle, böse Macht auftretenden Viertürer mit einem sehr fügsamen, ja geradezu sanften Riesen zu tun.

Luxus-Accessoires und Top-Materialien

In seinem Schoß zu sitzen und dabei seiner Kraft zu huldigen, hat ungeachtet der bewiesenen sportlichen Ader sogar etwas wirklich Beruhigendes. Der Abrollkomfort hat durch die tiefgreifenden Fahrwerks-Modifikationen und die breiten Sportreifen zwar leicht gelitten, aber nicht so, dass die Alltagstauglichkeit oder gar der Langstrecken-Fahrkomfort dadurch signifikant geschmälert worden wären.

Das mit galanten Luxus-Accessoires und Top-Materialien versehene Interieur schließlich hat mit sportlicher Askese so wenig zu tun wie ein Gourmet-Tempel mit der Pommesbude um die Ecke.

Technische Daten
AC Schnitzer M6 Gran Coupé M6
Außenmaße5011 x 1899 x 1380 mm
Kofferraumvolumen460 bis 1265 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung456 kW / 620 PS bei 6200 U/min
Höchstgeschwindigkeit305 km/h
0-100 km/h4,5 s
Verbrauch9,9 l/100 km