Wenn man sich mal vor Augen führt, zu welch komplexen Rechenzentren zeitgenössische Autos gereift sind, scheint es unmöglich, dass eine Nachrüst-Lösung ohne Hersteller-Segen sich in den kilometerlangen Code-Zeilen zurechtfindet. Genau das hat aber eine US-Studie (Consumer Reports) ergeben. Getestet wurden die unterschiedlichen teilautonomen Fahrassistenzsysteme der führenden Hersteller – und ein Nachrüst-Gerät, das der Fahrer selbst an die Scheibe klebt, und per Kabel mit dem Auto verbindet. Was glauben Sie, wer am Ende auf dem ersten Platz landet? Teslas Autopilot? Mercedes' Driver Assistance? Cadillacs Super Cruise? Nein. Es ist das kleine Startup "Comma AI" aus Kalifornien.

Mensch-Maschine-Interaktion
Um dieses Ergebnis einzuordnen, müssen wir kurz darüber sprechen, was "Consumer Report" da eigentlich genau getestet hat. Es geht nämlich nicht einzig um die Performance der verschiedenen Assistenten, sondern auch darum, wie einfach oder intuitiv die Bedienung gelingt. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf der Deutlichkeit der Kommunikation zwischen Maschine und Mensch. Sprich: Wie zeigt ein Assistenzsystem dem Fahrer an, dass es bereit, aktiv oder nicht mehr aktiv ist.
Wie der Test zeigt, legen die Automobilhersteller großen Wert auf die Funktionalität ihrer Systeme an sich, während wenig – oder weniger – Acht auf die Interaktion mit dem Piloten gegeben wird. Das Nachrüst-Gerät Comma Two kann hier mit einer ausgeklügelten Kombination aus Kameras und Infrarot-LEDs aufwarten. Diese analysieren permanent die Relation zwischen Kopf, Augen und Händen des Fahrers; auch bei Dunkelheit. Erkennt das System einen unaufmerksamen Fahrer, wird in drei Stufen optisch und akustisch gewarnt. Greift der Fahrer innerhalb von sechs Sekunden nicht ein, bremst das Gerät das Auto langsam herunter.

Per Kabel wird das Gerät von der Größe eines Smartphones mit dem Auto verbunden (ein Adapterstück sorgt für Anschluss zwischen Fahrzeug-Frontkamera und OBD-Schnittstelle) und nutzt die bestehende Sensorik zur Umgebungs-Überwachung und zum teilautonomen Fahren auf Level 2. Kompatibilität vorausgesetzt – etwa 100 Modell eigenen sich derzeit für das Android-basierte System. Weil es sich jedoch um eine Open Source Software handelt, wächst diese Zahl stetig weiter. Entsprechende Hardware wie ein Abstandsradar, ein Spurhalteassistent und ein Tempomat sind natürlich Grundvoraussetzung. Autos mit manueller Schaltung werden derzeit noch nicht unterstützt.
Stauassistent bei Autobahn-Tempo
Der Bildschirm des 999 Dollar teuren Comma Two zeigt dem Fahrer in Form eines Live-Kamerabildes mit entsprechenden Fahrbahn-Highlights, wie die Situation von der Software "Open Pilot" interpretiert wird. Nach der erfolgreichen Installation ist die Funktionsweise vergleichbar mit dem, was hierzulande als Stau-Assistent bekannt ist. Entsprechend ist auch die maximale Geschwindigkeit, mit der das Comma Two noch umgehen kann je nach Fahrzeug so limitiert, wie herstellerseitig vorgesehen. Der Unterschied zu den Systemen, die in deutschen Autos stecken, ist, dass die Funktionalität des Stauassistenten (also adaptiver Abstandstempomat in Zusammenarbeit mit dem aktiven Spurhalteassistenten) via Comma-Gerät auch bei höheren Geschwindigkeiten greift. Hierzulande ist da meist zwischen 30 und 50 km/h Schluss.
Datenschützer dürfte wohl das kalte Grausen packen, angesichts der Tatsache, dass das Comma Two jede Fahrt aufzeichnet und nach Abschluss zur Analyse an den Comma AI-Server überstellt. Damit soll das System nach und nach intelligenter werden und mehr Situationen bewältigen können. Im Gegenzug erhält das Gerät seine Software-Updates "Over The Air" ohne aktives Zutun des Besitzers.