Der Aufstieg von Argo AI ist selbst in Zeiten der sich rasend schnell wandelnden New Economy erstaunlich. Als die Firma im November 2016 in der Stahlstadt Pittsburgh gegründet wurde, hatte sie gerade einmal drei Mitarbeiter. Nun, nicht einmal drei Jahre später, sind es 300. Argo AI erhielt Milliarden-Investments aus der Autoindustrie und kauft inzwischen selbst Firmen zu. Und sie steht kurz davor, zu einem zentralen Bestandteil der sich anbahnenden Kooperation der Autogiganten Ford und Volkswagen beim Zukunftsthema selbstfahrende Autos zu werden.
Kompetenz bei künstlicher Intelligenz und Robotik
Denn genau das ist das Thema von Argo AI. Wie der Firmenname verdeutlicht, geht es bei dem Startup vor allem um künstliche Intelligenz, aber auch um das Thema Robotik. Beides wird bei selbstfahrenden Autos zusammengeführt, und da hilft es, wenn ein Autohersteller die dafür nötige Technik und das Wissen aus einer Hand haben kann. Argo AI kann sogar noch mehr bieten: Im Herbst 2017 übernahm die Firma mit Princeton Lightwave einen Lidar-Spezialisten, und sie arbeitet mit zahlreichen Universitäten zusammen, um von deren Forschung zu profitieren.
Das Gesamtpaket scheint inzwischen so wertvoll zu sein, dass sich Medienberichten zufolge Volkswagen im Rahmen der Kooperation mit Ford auch selbst an Argo AI beteiligen möchte. In diesem Zusammenhang sei eine Firmenbewertung von vier Milliarden Euro besprochen worden, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Ende Februar 2019 hieß es, Volkswagen wolle 600 Millionen US-Dollar (gut 530 Millionen Euro) direkt in Argo AI investieren und 1,1 Milliarden Dollar (980 Millionen Euro) als Betriebskapital zur Verfügung zu stellen. Ziel sei es, dass beide Partner gleichgroße Anteile an Argo AI halten. Aktuell besitzt Ford die Mehrheit an der Firma.

Mehr als 100 Testfahrzeuge in 5 US-Städten
Tatsächlich scheint Argo AI in seiner Arbeit bereits weit vorangeschritten zu sein. Aktuell testet die Firma ihre autonome Flotte von gut 100 Fahrzeugen bereits in Pittsburgh, Palo Alto, Miami, Washington, D.C. und Detroit. In den fünf Städten sind die Testfahrzeuge in ihrer dritten Generation unterwegs. Die mit Argo-Technologie aufgerüsteten Ford Fusion Hybrid (das Modell ist das US-Äquivalent zum Mondeo) sind mit der neuesten Sensoreinheit, den modernsten Radarsystemen und hochauflösenden Kameras unterwegs. Verbessert zeigt sich auch das Computersystem an Bord, das nun mehr Informationen verarbeiten kann, gleichzeitig aber leiser arbeitet und weniger Hitze emittiert. Auch gibt es im Notfall weitere Sicherheits-Redundanzen bei Lenkung und Bremse, falls eines der Systeme nicht das tut, was es soll.
Außerdem besitzt Argo AI einen Datenschatz: Er heißt Argoverse und beinhaltet unter anderem hochauflösende Karten, die eine Grundvoraussetzung sind, damit sich selbstfahrende Autos sicher in ihrer Umgebung fortbewegen können. Wie essentiell derartige Karten sind, zeigte sich Ende 2015, als Audi, BMW und Daimler gemeinsam für 2,8 Milliarden Euro den Kartendienst Here von Nokia übernahmen. Seitdem sind unter anderem mit Tencent, Intel, Bosch und Continental weitere namhafte Firmen in diese Kartenallianz eingestiegen. Argo AI hat zwar kürzlich bekanntgegeben, seine Daten für Forschungsgemeinschaften freizugeben, aber das beschränkt sich auf Hochschulen. Für Ford und VW ist es sicherlich hochinteressant, durch eine Beteiligung an Argo AI die Hoheit über die kommerzielle Nutzung der Argoverse-Daten zu erlangen.
Wichtiger Bestandteil von Ford Autonomous Vehicles
Eigene Autos will Argo AI eigenen Angaben zufolge nicht bauen, sondern lediglich die Selbstfahr-Technologien zuliefern. 2021 soll das erste vollkommen selbständig fahrende Robotertaxi mit Software und Robotertechnik von Argo vorgestellt werden. Es darf nun darauf gewettet werden, ob es in einer Ford- oder VW-Hülle auf die Straßen rollt.
Vielleicht erhält Ford aufgrund der längeren gemeinsamen Historie ja das Erstzugriffsrecht. Schon 2017 sicherte sich der US-Hersteller für eine Milliarde Dollar die Mehrheit an Argo AI. Ein großer Meilenstein innerhalb der seitdem vollzogenen Neuausrichtung des Konzerns beim Thema selbstfahrende Autos. Erst im Herbst gründete die Ford Motor Company ein Tochterunternehmen namens Ford Autonomous Vehicles LLC (Limited Liability Company, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ähnlich der bei uns bekannten GmbH). Bis zum Jahr 2023 will Ford – so der damalige Stand – insgesamt vier Milliarden US-Dollar in die Entwicklung autonom fahrender Autos investieren. Inwiefern diese Strategie noch Bestand haben wird, sollten Ford und VW tatsächlich eine enge Kooperation eingehen, muss sich freilich erst zeigen.