Immer mehr Elektroautos unterstützen das bidirektionale Laden – zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis herrscht an der V2X- oder Fahrzeug-zu-irgendwas-Front noch Dunkelflaute. Zum einen, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen es noch nicht hergeben, zum anderen, weil sich auch die Hersteller von Fahrzeugen und Wallboxen schwertun, ihre Technik zum Kunden zu bringen. Denn das Ausrollen der zertifizierten Software nach ISO 15118-20 geht nur schleppend voran.

Damit sich das bald ändert, starten The Mobility House und Ambibox die weltweit erste Testumgebung, bei der Autohersteller ihre Technik unter Realbedingungen testen können. Los geht es mit sechs Ambi-Charge DC-Ladern von Ambibox am Firmenstandort des Unternehmens in Mainz. Dort sollen sich die Autobauer einbuchen können und ihre Tests durchführen. The Mobility House stellt die IT-Anbindung für die Vehicle-2-Grid-Funktionalitäten bereit. Die beinhaltet zum einen die EV-Pilot-App zur Steuerung. Zum anderen die EV-Aggregations-Plattform, über die in den vergangenen acht Jahren 4.500 neue und gebrauchte stationäre Elektroautobatterien als Energiespeicher eingebunden wurden, um deren Flexibilitäten an den europäischen Energie- und Leistungsmärkten über die Strombörse zu handeln.
Mit dieser Technik hat The Mobility House in einem Feldversuch bereits gezeigt, dass mit der Technik des bidirektionalen Ladens Geld verdient werden kann. Hierfür verwendete das Unternehmen stationär eingebundene Akkus eines Audi E-tron und simulierte ein typisches Fahrprofil von 18.250 Kilometern Jahresfahrleistung. Während er Standzeiten des Fahrzeugs wurde der Energiespeicher für verschiedene Produkte am Energiemarkt genutzt. Insgesamt konnten so über 650 Euro in einem Jahr erwirtschaften, trotz der aktuell ungünstigen Besteuerungspolitik hierzulande.
"Durch das Testlab haben die Automobilhersteller die Möglichkeit real zu erproben, ob alle Kommunikationswege funktionieren, damit Elektroautos ihr Potenzial in den Energiemärkten realisieren und noch mehr zur CO₂-Reduktion beitragen können", erklärt Marcus Fendt, Geschäftsführer von The Mobility House. Generell lebten derartige Testlabs vom Trail-and-Error-Ansatz bei denen es vor allem darum gehe, Sonderfälle zu identifizieren und Probleme zu beheben. "Stellt man fest, dass es an einer Stelle hakt, so können entsprechende Anpassungen – meist bei der Interpretation der gegebenen Standards – vorgenommen werden. Daraus ergeben sich dann wieder neue Test-Use-Cases, die durchlaufen werden", so Fendt. "So kommt man schließlich zu einer Perfektionierung der einzelnen Kettenglieder und einem reibungslosen Ineinandergreifen dieser. Dadurch beschleunigen wir die Integration von Elektrofahrzeugen in den Energiemarkt und das gesamte Thema Vehicle-To-Grid. Denn normalerweise findet so etwas in Form von sog. "Testivals" statt, die oftmals nur ein- bis zweimal im Jahr realisiert werden. Wir haben eine Möglichkeit geschaffen, die dauerhaft verfügbar ist."
Mit dem Testlab allein ist es allerdings noch nicht getan. Denn die wenigen am Markt verfügbaren Ladesysteme zum bidirektionalen Laden unterstützen zumeist nur den kaum verbreiteten japanischen Chademo-Standard und nicht das hierzulande übliche CCS-Format. Die nötigen Zertifikate und Stecker haben etwa Ladestationen wie die Sospesp&Charge vom Schweizer Unternehmen EV-Tec und das britische Unternehmen Indra. Zudem sind diese Ladestationen, wie zum Beispiel die Chademo-Wallbox Quasar mit rund 4.500 Euro Straßenpreis plus Installation recht teuer in der Anschaffung.
Erst zur Jahresmitte haben einige Hersteller, darunter auch Ambibox, die Serienreife für ihre bidirektionalen Ladestationen angekündigt. Laut Ambibox-Chef Manfred Przybilla soll es schon in wenigen Wochen so weit sein und die ersten bidi-fähigen DC-Wallboxen des Unternehmens werden produziert.
Bei VW dauert die Sache dagegen länger. Volkswagen und die Fahrzeuge der ID.-Familie müssen auf einen externen Dienstleister zurückgreifen, um den Kunden die gefragte Funktion zu ermöglichen, da die eigene Ladesäulen-Tochter Elli ihre V2G-Ladestation sogar frühestens für Ende 2023 angekündigt hat. Auf Anfrage beim Konzern ist auch das Pilotprojekt mit der Elektro-Firma Hager nicht für die Serienentwicklung angedacht. Stattdessen soll es ein dritter, noch unbekannter Dienstleister richten. Die Kunden und auch die andere Marken des VW-Konzerns stellt das vor ein Problem, wollen sie die Technik doch ins Feld bringen. Aus diesem Grund schauen sich die VW-Töchter derzeit auf eigene Faust nach Alternativen zum System von Elli um.
Laut Fendt ist das aber nur die Verfügbarkeit von V2G-Ladestationen das Problem. Auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen muss sich etwas tun. So bestehe zum Beispiel derzeit weiterhin eine Doppelbesteuerung für zwischengespeicherten Strom im Auto, wodurch die Rentabilität reduziert wird.