Stellen sie sich eine angeheiterte Trachten-Truppe nach dem siebten Bier auf dem Cannstatter Volksfest vor. Jetzt nochmal, und zwar auf Elektro-Tretrollern. Angehende Schnapsleichen haben in der Oktoberfest-Saison 2019 die Möglichkeit, nicht mehr herumliegend, sondern herumfahrend auszunüchtern. Die Hemmschwelle, nach Wiesn, Wasen und Co. auf die kleinen Flitzer zu springen, scheint gering: Knapp 18 Prozent der Deutschen würden sich laut einer YouGov-Umfrage mit mehr als einem Maß Bier intus noch auf den Roller schwingen. Man könnte also meinen, dass Betrunkene auf Rollern ein neues Problem und Unfälle die Folge sind.
Vergehen auf E-Rollern in Zahlen
Die Polizei Stuttgart zieht Bilanz: Viermal wurde im August eine so genannte Alkoholfahrt über 1,1 Promille registriert. Hinzu kamen drei Drogenfahrten sowie vier verzeichnete Unfälle. Skandalös ist anders. Im September stiegen die Zahlen im Stadtgebiet an: 55 betrunkene Fahrer wurden auf dem E-Roller erwischt, 31 durften den Lappen direkt abgeben, Unfälle gab es nur drei. Dieser Anstieg kann jedoch nicht direkt auf das Cannstatter Volksfest zurückgeführt werden. Zum einen startete dieses erst am 27. September und zum anderen hat die Polizei Stuttgart mit Veranstaltern und Verleihern eine Abstellverbotszone rund um das Festgelände eingerichtet, um genau den oben befürchteten Effekt zu verhindern. Anders als Taxen und U-Bahnen stehen nämlich keine Roller abfahrbereit am Ausgang.
In München war die Lage kürzlich hingegen ernster: Die Polizei stoppte während der beiden Festwochen zur Wiesn 414 betrunkene Fahrer auf E-Scootern. 254 von ihnen wurde der Führerschein direkt abgenommen. Zudem verzeichnet die Münchener Polizei in diesen 14 Tagen 21 Unfälle mit E-Rollern. Auch hier war eigentlich eine Sperrzone rund um das Gelände eingerichtet. Dieser Punkt geht also an die Stuttgarter und ihr Volksfest, den Wasen.
Promillegrenze auf E-Rollern
Polizeisprecherin Monika Ackermann bezeichnet die Zahlen aus Stuttgart allein noch nicht als problematisch. Vielmehr kritisiert sie den generellen Umgang mit den neuen Verkehrsmitteln. Die meisten Benutzer würden gar nicht wissen, dass sie sich auf einem Kraftfahrzeug befinden. Eher würden die neuen Gefährte nämlich wie ein Fahrrad oder gar ein Spielzeug behandelt. Es gilt aber die gleiche Promillegrenze wie im Auto: 0,5 bis 1,09 Promille stellen eine Ordnungswidrigkeit dar. Das bedeutet: mindestens 500 Euro Bußgeld plus einen Monat Fahrverbot – auch auf dem E-Roller. Wer mit über 1,1 Promille erwischt wird, begeht eine Straftat: Tschüss Führerschein, in der Regel für 9 bis 18 Monate – auch auf dem E-Roller.
Schalten wir einen Gang zurück. Jeder Betrunkene auf einem E-Roller ist einer zu viel, in Stuttgart zumindest scheint dies aber eher Ausnahme als Regel. Auch der ADAC schwächt die Vorwürfe gegen Roller-Rowdys ab: Nur vier Prozent der Beobachteten unter anderem in Stuttgart fuhren ohne Kennzeichen oder zu zweit, gerade mal drei Prozent der Gefährte wurde anderen in den Weg geparkt.