Geht es nach der Autoindustrie, so werden autonome Fahrfunktionen in naher Zukunft weite Verbreitung in modernen Autos finden. Die stellen aber nicht nur neue und hohe Anforderungen an die Technik, auch der Fahrer steht gerade bei teilautonomen Fahrten vor ganz neuen Anforderungen, wenn die kühl kalkulierende Maschine auf den instinktiv handelnden Mensch trifft. Besonders Übergabeszenarien zwischen der Technik und dem Fahrer stehen im Forschungs-Fokus. Genau hier setzt der neue hochimmersive Fahrsimulator der TU Dresden an. Weitere Testfelder sind aber auch die Erforschung der Wahrnehmung von Bewegungen, Fahrkomfort und Fahrbarkeit sowie medizinische/psychologische Untersuchungen von (Berufs-)Kraftfahrern.
Das Konzept des neuen Fahrsimulators ermöglicht ganz neue und hochrealistische Simulationsszenarien und damit erstmals eine realistische Wahrnehmung des Fahrzeugverhaltens durch den Testfahrer. In seinem Innern – hier wurde die komplette Kabine eines Porsche Taycan integriert – wird der Fahrer in realistische Fahrsituationen versetzt, inklusive des Empfindens der Beschleunigung und Richtungsänderung. Hierfür steht der aus dem Bereich virtuelle Realität kommende Begriff "hochimmersiv": gemeint ist das fachsprachliche "Eintauchen" der Nutzers in die virtuelle Realität, so dass diese vom Bewusstsein als real empfunden wird. Das können bisherige Fahrsimulatoren nur bei wenigen Manövern bieten. Und diese Eindrücke sind dabei so stark, dass die Fahrmanöver ungeübten Testfahrern gehörig auf den Magen schlagen.
Die Krake fährt maximal 50 km/h

Doch zurück zum Fahrsimulator. Der wirkt wie eine Planetariumskuppel auf Rädern. Das rund 5 x 5 x 5 Meter große Gebilde steht auf vier an langen Auslegern geführten, elektrisch angetriebenen Rädern, die es schaffen das rund 4,5 Tonnen schwere Gerät mit bis zu 50 km/h zu bewegen. Als Spielwiese ist ein Bewegungsfläche von 70 x 70 Meter vorgesehen. Der Simulator schafft Beschleunigungswerte von bis zu 10 m/s² – vergleichbar mit einer Vollbremsung. Rund um das frei ansteuerbare Taycan-Cockpit sorgt eine 220-Grad-Projektionsleinwand für das virtuelle Fahrerlebnis. Die Sinneseindrücke sollen dabei nicht von denen in einem echten Fahrzeug zu unterscheiden sein. Selbst Schleudervorgängen und Unfallabläufe sollen ohne Wahrnehmungsverfälschung darstellbar sein. Insgesamt zehn Bewegungsfreiheitsgrade erlauben alle fahrdynamischen Szenarien nachzustellen.
Die Kosten für den hochimmersiven Fahrsimulator liegen bei rund 12 Millionen Euro, 7 Millionen stammen dabei aus einem Fördertopf des Bundesverkehrsministeriums. Entwickelt wird der Fahrsimulator in Zusammenarbeit mit der AMST-Systemtechnik GmbH aus Österreich und der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH aus Dresden. Technischer Support kommt wie oben bereits erwähnt von Porsche. Aktuell nimmt der Simulator bei der AMST seine physische Form an – sprich die Einzelteile werden gebaut und zusammengefügt sowie Komponenten weiterer Projektpartner integriert. Im Frühjahr 2022, so der Plan, soll er nach Dresden kommen. Ein Regelbetrieb ist dann ab dem dritten Quartal 2023 geplant.