Die Terra-X-Folge vom 27. April 2022 (bei youtube) wirkt auch ohne aktuelle Bezüge zur Energiesituation in Folge des Überfalls von Russland auf die Ukraine zeitgeistig: Wir beantworten die "drängendsten und dringendsten Fragen zu vollelektrischen Autos! Sollte die nächste Anschaffung ein Elektroauto sein? Wie viel CO2 verursacht ein E-Auto beim Fahren mit dem heutigen Strommix in Deutschland?", heißt es in der Beschreibung beispielsweise. Trotzdem sind diese Fragen keineswegs neu.
Bemerkenswert aber sind die Antworten, die so zwar ebenfalls schon zahlreiche Experten und Wissenschaftler gegeben haben – aber eben nicht Harald Lesch. Sie zu erläutern gelingt dem Astrophysiker, Naturphilosoph und Wissenschaftsjournalisten (Wikipedia) gewohnt professionell und eindrücklich.
Dabei hatte sich der Professor für Astrophysik in derselben Sendung vor drei Jahren noch vehement für den Wasserstoffantrieb ausgesprochen hat, obwohl die meisten Argumente, die Lesch jetzt verwendet, grundsätzlich schon damals galten: Elektrische Motoren seien viel einfacher aufgebaut als klassisches Verbrennungsmotoren und viel effizienter. Beim E-Auto gingen 73 Prozent in die Bewegung des Fahrzeugs, beim Wasserstoff-Antrieb per Brennstoffzelle wären es lediglich 22 Prozent, bei Verbrennungsmotoren gerade einmal 13 Prozent. Das E-Auto könne mit der Energie, die ein verbrennungsmotorisch angetriebenes für einen Kilometer Fahrt brauche, fünfeinhalb Kilometer fahren.
Auto-motor-und-sport-Leser kennen solche Zahlen (mit Abweichungen) spätestens seit einem Vortrag von Maximilian Fichtner (siehe Bildergalerie) auf dem auto-motor-und-sport-Kongress 2021 (Zusammenfassung hier). Fichtner ist Professor für Festkörper-Chemie und Direktor des Helmholtz-Institut Ulm (HIU) und erläuterte auch die meisten weiteren Fragen und Antworten, die Lesch in seiner Sendung behandelt – wie ist die CO2-Bilanz des E-Autos im Betrieb und über den Lebenszyklus im Vergleich zum Verbrenner oder "ist unser Energiesystem überhaupt für 15 Millionen E-Autos gewappnet?"
Man sollte Leschs Schwenk nicht als Beleg für den Wankelmut der Wissenschaft nehmen. Stattdessen muss man auch den späten Konsens als überdeutlichen Hinweis darauf interpretieren, dass die Wissenschaft (im Sinne der Mehrheit der Wissenschaftler) mit dem Elektroantrieb eben tatsächlich die Technologie identifiziert hat, die der individuellen Mobilität eine Zukunftschance erhält. Das wird auch dadurch nicht falsch, dass sich große Hersteller wie Volkswagen oder Mercedes längst auf den Elektroantrieb festgelegt haben. Oder dadurch, dass die EU die CO2-Emissionen von E-Autos als null erachtet, obwohl die Stromerzeugung noch lange Treibhausgase emittieren wird.
Denn "rein physikalisch, ist das E-Auto das beste Auto. Es ist energieeffizient, deshalb weniger umweltschädlich" – schon mit dem aktuellen Strommix, resümiert Lesch. "Aber im Autoland Deutschland müssen wir uns natürlich fragen, ob wir wirklich so viele Autos brauchen", fügt er ganz am Schluss an und spielt darauf an, dass es noch CO2-ärmere Verkehrskonzepte gibt – Bahn, Fahrrad oder zu Fuß gehen. Auch das ist so wenig neu wie verkehrt, und wird auch durch Wiederholung nicht falsch.