BYD Han: Model S-Konkurrent aus China kommt zu uns

BYD Han Oberklasse-Elektroauto
Der Model S-Konkurrent aus China kommt zu uns

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Der Mischkonzern BYD (Build Your Dreams) mit Sitz im chinesischen Shenzhen ist nicht nur ein Hersteller von Autos, Bussen und Zügen, sondern auch einer der größten Batterieproduzenten der Welt. Außerdem zählen neben Akkus auch Bauteile für Elektronikprodukte wie Smartphones und Computer zum großen Angebotsportfolio des Konzerns. Im Herbst 2022 will BYD mit einer Reihe von Elektroautos in Deutschland auf den Markt kommen, darunter der BYD Han, eine Oberklasse-Limousine mit fast identischen Abmessungen wie das Model S von Tesla.

Mit seinen knapp fünf Metern Länge fährt der BYD Han in Richtung automobile Oberklasse. Das Coupé-artige Design mit langer Haube und ausgeprägten Sicken in der Seite stammt von einem Deutschen: BYD-Chefdesigner Wolfgang Egger war zuvor unter anderem verantwortlich für das Design bei Alfa Romeo, Audi und Lamborghini. Charakteristisch sind die sehr niedrigen Leuchten an Front und Heck, die vorn mit einer Chromspange, hinten mit einem durchgehenden Leuchtenband miteinander verbunden sind.

Gediegen, aber nicht übermäßig futuristisch geht es im Innenraum zu. Volldigitale und konfigurierbare Instrumente sind natürlich Ehrensache, für Multimedia und Fahrzeugfunktionen steht ein großes 15,6-Zoll-Touch-Display im Querformat auf dem Armaturenträger. Einzelne Funktionen wie die Einpark-Automatik, die Fahrprogramme oder auch die Audio-Lautstärke lassen sich über Taster und Regler in der Mittelkonsole bedienen, die sich um den knubbeligen Fahrwahlschalter gruppieren. Ein hochwertiges Dynaudio-Soundsystem ist je nach Variante ebenfalls an Bord.

BYD Han Limousine Elektroauto China
BYD

BYD bietet den Han in zwei Varianten mit Frontmotor/-antrieb und mit zwei Motoren/Allradantrieb an. Die FWD-Basisvariante – die nicht nach Deutschland kommt – wird mit einer Leistung von 241 PS angegeben, mit dem zusätzlichen E-Motor für die Hinterachse sollen 380 kW/510 PS für ordentlich Alarm sorgen. Die Allradvariante gibt BYD mit einer Spurtzeit von 3,9 Sekunden auf Tempo 100 an, die frontgetriebene Variante lässt sich dafür vier Sekunden mehr Zeit. Der Han basiert auf der neuen E-Plattform 3.0 der Chinesen.

In beiden Modellen verbaut BYD die gleiche Batterie, die dort "Blade Battery" (auf Deutsch Klingen-Batterie) getauft wurde. Alle Details zu diesem außergewöhnlichen Lithium-Eisenphosphat-Akku, mit dem BYD vorerst eine Alleinstellung auf dem Markt hat, finden Sie weiter unten. Im Han ist eine solche Traktionsbatterie mit 85,4 kWh Kapazität verbaut, was je nach Modell für bis zu 715 Kilometer Reichweite nach chinesischem Messzyklus bürgen soll. In der Praxis dürfte man sich vermutlich eher auf 400 bis 500 Kilometer Reichweite einstellen.

In China für rund 40.000 Euro, in Deutschland für 72.000 Euro

An Schnellladesäulen tankt der BYD Han mit maximal 120 kW nach, die Ladung von 30 auf 80 Prozent SOC soll in 30 Minuten erledigt sein, ein ordentlicher, aber nicht übermäßig beeindruckender Wert. Außerdem verfügt der Han über eine integrierte Wechseltrom-Steckdose für Geräte bis maximal 2 kW Leistung und kann damit auch als heimische Notstromversorgung dienen.

In Deutschland will BYD den Han zu Preisen ab 72.000 Euro anbieten. In China ist das Fahrzeug im Verhältnis zur gebotenen Technik und Leistung recht preisgünstig. Nach der chinesischen E-Auto-Förderung (die deutlich geringer ist als der deutsche Umweltbonus) sind für den frontgetriebenen Han 269.800 Yuan fällig, der Allrad-Han kostet dann 288.600 Yuan. Zum aktuellen Umrechnungskurs entspricht das rund 39.200 beziehungsweise rund 41.950 Euro.

Alles zum neuen "Blade"-Akku von BYD

3/2020, BYD Blade Batterie
BYD

Im April 2020 hattte BYD-Chef Wang Chunanfu mit der "Blade Battery" eine neue Akku-Generation angekündigt. Der Energiespeicher soll stabiler gegen äußere Einflüsse geschützt sein und somit bei einem Unfall die Brandgefahr minimieren. In Tests wurde die Batterie mit Nägeln beschossen. Angaben von BYD zufolge hätte eine herkömmliche Lithium-Batterie bei dieser Beanspruchung Temperaturen von über 500 Grad erreicht. Die "Blade Battery" hat sich dabei nur auf 30 bis 60 Grad erwärmt.

BYD bringt einfache Materialien in Auto-Akkus

Im Han sitzt nämlich ein Lithium-Eisen-Phosphat-Akku. Bei diesem Typ ist tatsächlich das Brandrisiko geringer. Deshalb finden Lithium-Eisenphosphat-Akkus vor allem als Stationärspeicher für Photovoltaik-Anlagen in Häusern Verwendung. Dort stört ihre überschaubare Energiedichte nicht. Gängige Exemplare haben bei 11 kWh Kapazität etwa die Größe eines Hängeschranks. Wie gesagt: Die Batterie im Han hat gut 82 kWh.

Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie und stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm sagte 2020 dazu: "Die neue Batterie von BYD ist offenbar nur etwas mehr als halb so groß wie die bisherige, schafft 600 km und passt in ein Auto, das in China umgerechnet nur 33.000 Dollar kostet und 0 bis 100 km/h in 3,9 Sekunden schafft. Wir müssen befürchten, dass die deutschen Hersteller hier erst mal raus sind aus dem Rennen. Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien sind ja noch dazu viel weniger empfindlich gegen Beschädigungen. Wenn Sie da einen Nagel reinhauen, geht die Temperatur an der Stelle gerade mal auf 50 Grad hoch. Eine Li-NMC Batterie geht in so einem Fall thermisch durch und brennt ab.

Vom Stationärspeicher ins Auto

Wie konnte BYD mit dieser Technik im Auto überraschen? "Lithium-Eisen-Phosphat gab es im Automobilbereich schon Ende der 2000er-Jahre: Als 2008 das KERS in der Formel 1 eingeführt wurde, wurde Lewis Hamilton Weltmeister – mit einer Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie im Rücken. Die Chinesen haben ursprünglich damit gearbeitet, sind dann aber mit der internationalen Gemeinde auf NMC geschwenkt, wegen der höheren Speicherkapazität. Offenbar hat man in China jedoch nicht ganz aufgehört, sich mit Eisen-Phosphat zu beschäftigen und es durch ein Verfahren geschafft, die Batterien klein und kompakt zu bekommen. BYD nennt es Blade-Batterie, übersetzt also "Klingen"-Batterie. Damit kommen sie offenbar in den für mobile Anwendungen interessanten Bereich", so Fichtner. Und haben gleichzeitig das eine oder andere Rohstoffproblem weniger. Eisen ist ungleich leichter zu bekommen, als Mangan, Nickel oder gar Kobalt. Was sich offenbar auch im Preis niederschlägt. Außerdem soll die Anordnung der Batteriezellen im Akku für eine um 50 Prozent verbesserte Raumausnutzung sorgen. Batterien in Elektroautos ließen sich so also kleiner gestalten oder, bei gleichen Abmessungen, die Reichweite erhöhen.