Bugatti W16 Motor Historie und Zukunft

Bugatti W16
Die irrste Maschine aller Zeiten

Den "letzten seiner Art" nennt Bugatti den W16-Motor, der zunächst im Veyron und dann im Chiron die Motoren-Welt aus den Angeln hob. Stärkster, schnellster und wohl auch kompliziertester Verbrennungsmotor, den die Sportwagenwelt je hervorgebracht hat und in allen Details eine Aneinanderreihung von Superlativen. 1.600 PS im Chiron Super Sport stellen den Bugatti einsam an die Spitze der Nahrungskette – was auch wörtlich für seinen Treibstoffkonsum gelesen werden darf.

Seinen Anfang nahm die Idee laut der Geschichtsschreibung von Bugatti in einem japanischen Shinkanzen Schnellzug von Tokio nach Osaka. In diesem skizzierte 1997 der damalige VW Vorstandvorsitzende Ferdinand Karl Piëch dem Leiter der VW-Aggregate-Entwicklung Karl-Heinz Neumann seine Idee eines 18-Zylinder-Motors auf einem Briefumschlag. Startschuss für eine beispiellose Motorenentwicklung, wenngleich die Maschine auf dem Weg zur Serienproduktion aus technischen Überlegungen um zwei Zylinder "schrumpfte".

Alles musste neu erfunden werden

Gregor Gries, vor 20 Jahren einer der ersten Mitarbeiter bei Bugatti und bis Februar 2022 Leiter technische Entwicklung bei Bugatti, erinnert sich: "Alle bezweifelten damals, dass es möglich sei, ein Fahrzeug mit 1.000 PS für die Straße zu bauen. Wir wollten nicht nur beweisen, dass wir es schaffen, einen leistungsstarken Antrieb zu konstruieren, sondern auch einen, der fahrbar ist." Die Ingenieure fingen bei null an. "Wir mussten bei allen Bauteilen Grundsatzentwicklung betreiben, jedes Fahrzeugteil musste neu konstruiert und getestet werden. Selbst der Motorprüfstand, um den Motor zu testen. Das Einzige, was wir nicht verändert haben, waren die Bleistifte zum Zeichnen", sagt Gregor Gries lachend, der seit der Wiedergeburt von Bugatti für die Motoren- und Getriebeentwicklung verantwortlich war. "Wir fühlten uns wie einst Ettore Bugatti. Der hat auch immer seine eigenen Werkzeuge entwickelt."

Bugatti Veyron
Bugatti

Das im Bugatti Veyron erstmals eingesetzte Triebwerk mit zwei im 90-Grad-Winkel angeordneten Achtzylinderblöcken kam durch diese Konstruktionsweise auf die Abmessungen eines V12-Motors und wog rund 400 Kilogramm. 2001 liefert der mit vier Turboladern zwangsbeatmete 16-Zylinder beim ersten Prüfstandslauf auf Anhieb die von Piëch geforderten 1.001 PS – auch dieser Prüfstand musste erst neu entwickelt werden, weil bisherige Technik nicht mit der irren Leistung der Achtlitermaschine zurechtkam. Das Gleiche galt für die extrem heißen Abgase unter Volllast, für die schließlich eine Abgasanlage aus Titan entwickelt wurde, auch das ein Novum im Motorenbau.

Nachdem die Leistung gesichert war, richteten die Ingenieure ihre Aufmerksamkeit auf die Zuverlässigkeit. Wegen der hohen Laufruhe des Motors war zum Beispiel die Erkennung von Fehlzündungen oder Klopfen im Motor mit herkömmlichen Methoden zu unzuverlässig. Bugatti entwickelt daher die Bugatti Ionenstrom-Sensierung (BIS), die den Ionenstrom an jeder Zündkerze überwacht. Stellt das System eine klopfende Verbrennung oder eine Fehlzündung fest, wird der Zündzeitpunkt verlangsamt, der Zylinder abgeschaltet oder der Ladedruck reduziert. So kann jeder einzelne Zylinder bis an seine Leistungsgrenze laufen. "Unser Ziel war es von Anfang an, die maximale Motorleistung stabil und sauber zu erzeugen", erklärt Gregor Gries.

Für den Chiron wird der W16 neu konstruiert

Der W16 sollte jedoch trotz der schon damals unfassbaren Leistung nur der Anfang sein, die Leistung schwillt schon im Veyron 16.4 Super Sport auf 1.200 PS an. Doch für den Nachfolger des Veyron, den Chiron, wurde ein bis auf die Bauform und den Zylinderabstand von 73 Millimetern komplett neues Aggregat entwickelt, vorläufiges Ziel 1.500 PS. Möglich macht diesen weiteren Leistungssprung unter anderem eine neuartige zweistufige Registeraufladung mit je zwei in Serie geschalteten Turboladern, die gegenüber der bisherigen Maschine 69 Prozent größer sind. Ein Duplex-Einspritzsystem mit entsprechend 32 Einspritzventilen für die 16 Zylinder ist ein weiterer Baustein zur Leistungssteigerung.

Bugatti Chiron W16 Motor
Bugatti

Im Jahr 2019 erreicht das Vorserienmodell des Chiron Super Sport mit einer um nochmals 100 PS angefetteten Maximalleistung als erstes Serienfahrzeug die magische Marke von 300 Meilen/Stunde. 304,773 mph (490,484 km/h) fährt der schnellste Bugatti aller Zeiten, ein Wert für die Ewigkeit. Denn fortan, so Bugatti damals, widme man sich anderen Themen in der Entwicklung, nachdem der Beweis für die abnorme Höchstgeschwindigkeit erbracht wurde.

Eckdaten des Bugatti Chiron Super Sport

  • Leistung: 1600 PS bei 7000 U/min, 1600 Nm zwischen 2250 und 7000 U/min
  • Höchstgeschwindigkeit: 440 km/h (elektronisch abgeregelt)
  • 0 – 100 km/h 2.4 s
  • 0 – 200 km/h 5.8 s
  • 0 – 300 km/h 12.1 s
  • 0 – 400 km/h 28.6 s

Der aktuelle W16-Motor von Bugatti wird im Volkswagen-Motorenwerk in Salzgitter von Hand gebaut. Jeweils zwei Meister sind sechs Tage lang damit beschäftigt, die komplexe Maschine aus exakt 3.712 Einzelteilen zusammenzubauen. Die fertigen Motoren werden nach Molsheim in die Bugatti-Zentrale transportiert, wo Motor und Getriebe im ersten Schritt der finalen Montage des Chiron im Bugatti-Atelier zusammengefügt werden. Danach folgt wochenlange Handarbeit bis zur Fertigstellung eines weiteren Bugatti Hypersportwagen.