Der vielleicht überraschendste Elektronik-Clou am neuen 3er hat eigentlich gar nichts mit Infotainment zu tun: Beim Rückfahrassistenten handelt es sich um ein System zur Fahrerunterstützung, das beim Vorwärtsfahren jeweils die letzen 50 Meter speichert, um sie auf Knopfdruck rückwärts abzuspulen. Wer beispielsweise in einer engen Parklücke steht und sich beim Zurücksetzen unsicher fühlt, drückt einfach das Touch-Segment am Monitor und muss sich dann nur noch um Gas und Bremse kümmern. Der BMW lenkt exakt auf der Linie hinaus, auf der es vorwärts hineinging. Fahrer, die mit dem Parken ihre liebe Mühe haben, dürften das System schätzen. Es zeigt aber auch schön, wie sich aus vorhandenen Daten neue Funktionen gewinnen lassen – wenn man nur die Ideen dazu hat.

Auf das Handy kommt es an
In der neuen Infotainment-Generation OS7 von BMW, die im X5 debütierte und jetzt mit dem 3er in die Großserie geht, stecken jede Menge solche Ideen. Das geht schon beim Einsteigen los: Wer ein aktuelles Smartphone mit NFC-Chip hat, kann diesen per BMW Connected App so konfigurieren, dass sich die Tür entriegelt, sobald das Handy an deren Griff gehalten wird. Legt der Fahrer das Smartphone anschließend in die dafür vorgesehene Ablage, lässt sich der 3er starten. Wer sein Handy ohnehin immer bei sich hat, lässt den Autoschlüssel zu Hause. Bis zu fünf NFC-Handys können zum Schlüssel gemacht werden, die Berechtigung, den Wagen zu benutzen, lässt sich per Mobilfunk an andere weitergeben – auch zeitlich begrenzt.
Das Ganze hat jedoch einen Haken, der zeigt, wie schwer sich Autohersteller beim Vernetzen tun: Da Apple den NFC-Chip seiner Handys nicht freigibt, können nur Android-Besitzer schlüssellos fahren. Was umso kurioser erscheint, da das Benutzen von Smartphone-Apps über den Bordmonitor wiederum lediglich per Apple CarPlay, sprich mit einem iPhone, geht. Hier schauen Android-Benutzer in die Röhre.
Immerhin braucht man im BMW kein USB-Kabel, um Apps auf dem Monitor zu spiegeln. Eine WLAN-Verbindung genügt, um während der Fahrt WhatsApp-Nachrichten zu diktieren, Apple Karten oder Google Maps zu nutzen oder die anderen Apps, die Apple bisher für die Smartphone-Integration zertifiziert hat. Liegt das iPhone in seiner Ablage, wird es gleich induktiv geladen und mit einer empfangsverbessernden Außenantenne gekoppelt. Die Navi-App auf dem iPhone kann so als Alternative zum Serien-Navi verwendet werden. Wer sich oft per Google & Co. lotsen lässt, muss beim Einstieg in den 3er nicht umdenken.

Dabei lohnt sich die Benutzung der BMW-Navi, nicht nur aufgrund der übersichtlichen Streckenanzeige, der Echtzeit-Stauinfos und der vielen Zusatzanzeigen: Auch der Routing-Algorithmus wurde offensichtlich überarbeitet. Bevorzugte die BMW-Navi (wie viele andere auch) früher meist Durchgangsstraßen, bindet sie inzwischen kleinere Nebenstrecken in die Route ein – solange es schneller geht. Google Maps macht das längst und ist für viele die beste Navi-App. Doch BMW kann in diesem Punkt jetzt mithalten, wie längere Tests im Feierabendverkehr von Stuttgart und München zeigten.
Sag mal: „Hallo BMW“
Mit der Einführung des 3er hat BMW seinen Intelligenten Persönlichen Assistenten (IPA) freigeschaltet. Wie beim schwäbischen Konkurrenten („Hey Mercedes“) reicht die Aktivierung „Hallo BMW“, um den Sprachassistenten zu starten. Im Gegensatz zu üblichen Onboard-Systemen wird das Kommando auf BMW- Server geladen und ausgewertet, was die Bandbreite an Befehlen erhöht.
Tatsächlich verstand IPA beim Test nicht nur Navi-Adressen oder Telefonkontakte: „Spiele Dire Straits“ klappte ebenso wie „Wie weit kann ich noch fahren?“ oder „Stelle die Sitzheizung auf eins“. Da zwei Mikrofone im Dachhimmel eingelassen sind, merkt IPA auch, ob der Fahrer oder der Beifahrer die Sitzheizung aktivieren möchte. Allerdings dauerte es oft mehrere Sekunden, bis ein Befehl umgesetzt wurde. Andere Assistenten aus der IT-Welt wie Siri oder Alexa reagieren wesentlich schneller.

Musikwünsche erfüllt der Dienst Connected Music. Anders als beim früheren Online-Entertainment muss jetzt ein separates Abo mit Musikanbieter Deezer oder Napster abgeschlossen werden, Marktführer Spotify soll folgen. Im Connected- Music-Preis enthalten ist nur noch die Datenübertragung, und auch die ist wie bei vielen anderen Online-Funktionen von BMW zeitlich begrenzt: Bei Connected Music sind es drei Monate, anschließend müssen über den App-Store Abos abgeschlossen werden. Connected Package Plus enthält für 139 Euro im Jahr neben Echtzeit-Verkehrsinfos zum Beispiel den Sprachassistenten oder die Remote-App fürs Handy. Der digitale Autoschlüssel zum Teilen mit anderen liegt bei 80 Euro pro Jahr, CarPlay bei 109 Euro.
Das volle Online-Programm kostet nach einer Anfangsphase also leicht ein paar Hundert Euro pro Jahr – und das, obwohl der Fahrer für die Live Cockpit ConnectedDrive genannte Hardware schon 2.800 Euro Aufpreis bezahlt hat. Ob dies von allen altgedienten BMW-Fahrern akzeptiert wird, dürfte spannend werden. Zudem liefen die Dienste nicht immer einwandfrei. Mal bedurfte es eines Neustarts, um Apple CarPlay zum Laufen zu bringen, mal ließ sich Online-Music nicht nutzen. Und die Funktion On-Street Parking, die bei der Suche nach freien Stellplätzen hilft, konnte im Testzeitraum gar nicht aktiviert werden – trotz abgeschlossenem Abo.

Die Grundidee, nach dem Autokauf mit Zusatzfunktionen Geld zu verdienen, ist ein Branchentrend, hier ist BMW nur weiter als viele Konkurrenten. Steuergeräte und Betriebssysteme müssen hierfür so flexibel aufgebaut sein, dass sie sich über Mobilfunk aktualisieren lassen. Das von Tesla eingeführte Update over-the-Air hat BMW konsequent umgesetzt und sämtliche Steuergeräte miteinbezogen. Der eigentliche Clou am 3er ist daher auch nicht der anfangs erwähnte Rückfahrassistent. Selbst die Fahrwerksabstimmung soll sich per Over-the-Air-Update nachträglich noch korrigieren lassen.
Bedienung: Touchscreen, Dreh-Drück-Steller mit Touchpad, Multifunktionslenkrad, acht touchsensitive Schnellwahltasten, kontextspezifische Gestiksteuerung mit sieben Gesten, Sprachsteuerung mit Online-Sprachanalyse (offboard).
Schnittstellen: USB, Bluetooth, WLAN, fest verbaute 4G-LTE-SIM-Karte, NFC, kabellose Apple-CarPlay-Integration.
Navigation und Online-Dienste: Karten- und Verkehrsdaten: TomTom, Here Mobilfunk-Provider (EU): Telekom.
Kosten pro Jahr Online-Dienste: On-Street-Parking (35 Euro), Online Entertainment (220 Euro), MS Office 365 (89 Euro), Wetter, BMW Online (39 Euro), RTTI (59 Euro), Apple CarPlay (109 Euro), ParkNow, Online-Fahrtenbuch (249 Euro), Remote Services (35 Euro). Gesamtkosten: 835 Euro
Hinweis: Apple CarPlay kann mittlerweile auch wieder unbegrenzt freigeschaltet werden. Zum Preis von 399 Euro.
Bewertung
Telefonie
Navigation
Medien
Smartphone-Integration
Sonstige Online-Funktionen
Sprachassistent
Manuelle Bedienung
Displays/Darstellung
Preis
Gesamt
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