Das Elektroauto soll helfen, mit dem Individualverkehr weniger CO2 zu emittieren. Dass die Gleichung „CO2-sparsam ist gleich spaßarm“ nicht mehr gilt, hat Tesla schon mit dem ersten Roadster gezeigt und 2012 mit dem Marktstart des Model S . Spätestens mit dem Insane-Modus war klar: E-Autos können Verbrenner längsdynamisch mit bestürzender Mühelosigkeit verblasen. Drag-Races mit Teslas gegen Ferrari & Co. sind auf Youtube fast schon ein Stereotyp.
Freunde röhrender Mehrzylinder konnten sich bislang aber immer daran festhalten, dass die schweren E-Autos querdynamisch nicht mit Verbrennern mithalten können. Diese Vorstellung kam allenfalls mit dem Nordschleifen-Rundenrekord des Nio EP9 ins Wanken, der nicht nur als schnellste E-Auto in 6:45,8 Minuten durch die grüne Hölle raste, sondern damit auch die meisten Verbrenner hinter sich ließ.
Aber der EP9 war ein speziell für die schnelle Runde entwickeltes Einzelstück. Das gilt erst recht für den VW ID. Racing; der einsitzige Prototyp schaffte die Runde gar in 6:05,3 Minuten. So richtig Fahrt nimmt der Wettstreit jetzt mit dem Porsche Taycan auf. Ein Serien-Viertürer eines Sportwagenherstellers, dessen Fahrzeuge sich immer auf der Rundstrecke beweisen müssen. Das gehört zur Porsche-DNA, auch bei E-Autos. Der Taycan schaffte schon als Vorserienauto mit 7:42 Minuten eine Zeit im Bereich eines vergleichbaren Verbrenner-Modells (Panamera Turbo).
Tesla, Meister der Längsdynamik (das Model S P100 D schafft 0 bis 100 km/h in 2,6 Sekunden, der Taycan braucht 2,8 Sekunden), will jetzt auch auf der Rundstrecke König werden und nimmt mit dem Model S die Nordschleife in Angriff. Ausgang ungewiss. Bislang konnte der Viertürer aus den USA auf Rundstrecken nicht so recht punkten (siehe Vergleichstest).
Auf der einen Seite das Vollelektro-Kraftwerk mit dem Saubermann-Image, auf der anderen der Verruchte mit einer Brechstange von V8-Motor. Für Spannung ist also gesorgt – in vielerlei Hinsicht.
Deshalb: Ring frei für den Kampf um die Zukunft des Automobils. Das hier ist nicht nur ein Vergleichstest, nicht nur das Duell zweier amerikanischer Autohersteller, ...
... sondern der Kampf Gut gegen Böse – wobei die Verteilung der Rollen stets von der individuellen Gesinnung abhängt.
Denn die mobile Welt ist zurzeit tief gespalten. Das eine Lager, jenes der Progressiven, verehrt die automobile Elektrifizierung als Allheilmittel. Die andere Seite teufelt zurück, moniert Augenwischerei, politischen Reaktionismus, zurechtgerechnete Energiebilanzen und fragt sich, wie die designierte Klimaproblemlösung in Gestalt des E-Autos infrastrukturell umgesetzt werden soll.
In 3,2 Sekunden zoomt sich das 2.275 Kilo schwere Model S von 0 auf 100, wobei er dem Charger 1,2 Sekunden aufbrummt, am Ende aber fünf Zehntel hinter seiner Werksangabe hängt. Die Batterie braucht eine bestimmte Temperatur, um vollen Saft in die E-Motoren pressen zu können.
Und diese Temperatur muss erst hergestellt werden, was in unserem Fall eine geschlagene Viertelstunde dauerte. Mal ketzerisch gefragt: Wer investiert denn 15 Minuten, um vielleicht eine halbe Sekunde einzusparen?
Der Tesla ist das bessere Auto, das rundere, um Welten. Die Runde ist an Langeweile kaum zu überbieten, weil er die Querbeschleunigung mit seiner zwangsaktiven Stabilitätselektronik ebenso resolut unterbindet wie Kraftentfaltung bei Lenkeinschlag.
Bleibt man jedoch einen Tick unterhalb dieser künstlichen Leitplanke, bildet sich zwischen der ultraleichtgängigen Lenkung und den Luftfedern tatsächlich ein Hauch von Agilität.
Allerdings bewahrheiten sich auch die Schauergeschichten, die einem das Netz über die komplizierte Beziehung des Model S zu Rennstrecken erzählt. Trotz voller Akkus überdauert die Maximalleistung nicht mal eine Runde auf dem Kleinen Kurs.
Und der Charger? Beim Beschleunigen, wenn man ihm die Motorkraft in den matschigen Wandlerautomaten presst und dann die Bremse löst, reißt der Vortrieb derart an der Hinterachse, dass sie übel ins Schlackern gerät.
Die labbrige Lenkung vermittelt das Gefühl, sie sei mit Einweckgummis an die Räder geknotet. Die schnelle Runde ist eine wüste Hackstückelei aus plötzlichem Quertrieb und kolossalem Untersteuern, wobei das eine immer dann ausbricht, wenn man das andere bräuchte.
Und dann, als du gerade denkst, es könne ja nicht mehr viel schlimmer kommen, steigt auch noch die Bremse aus. Zwei schnelle Runden, und plumps – auf einmal fällt ihr Pedal zu Boden.
Restverzögerung: nullkommagarnix, woran die einzig gute Nachricht ist, dass die Auslaufzonen in Hockenheim stellenweise sehr großzügig bemessen sind. Die Ursache? Wahrscheinlich die antike Bremsflüssigkeit des Standards DOT3, die eine derartige Beanspruchung aufgrund ihres niedrigen Siedepunkts definitiv nicht verträgt.
Der Charger Hellcat folgt dem ur-amerikanischen Prinzip, das zwangsläufig in einem Achtzylinder wurzelt und der alten Weisheit gehorcht, dass Hubraum zwar durch nichts zu ersetzen ist, sich durch Aufladungsmaßnahmen aber sehr wohl in seinen Auswirkungen vergrößern lässt.
Das verstörende Ergebnis dieser Kombination aus 6,2 Litern und einem monströsen Kompressor sind 717 PS – beziehungsweise 527 kW, um es gleich mal in die Währung des Model S umzurechnen. In seiner höchsten Ausbaustufe, dem P100D, leistet der Tesla 450 kW, ...
... , an deren Entstehung zwei E-Motoren beteiligt sind. Der kleinere sitzt im Bug, ...
... der größere an der Hinterachse, wodurch sich ein heckbetontes Allradsystem konstituiert, das bei der Entfaltung des enormen Kraftpakets durchaus hilfreich ist.
Die bleischweren 22-Zöller mit ihren hölzernen Dunlops, die Importeur Geigercars dem Charger mutmaßlich aus optischen Gründen draufschnallte, helfen der Performance ebensowenig wie seiner Fahrbarkeit.
Neue Welt: Lenkrad, Pedale und Mercedes-Komponenten dämmen die Berührungsangst.
Das Model S P100D wiegt 2.275 Kilogramm und schafft maximal 250 km/h.
Fast alle Funktionen sind übers Mitteldisplay zu steuern. Der Von-Sinnen-Modus ist allzeit bereit, maximale Leistung nur mit Vorheizen.
Ledersitze im Model S. Der Grundpreis für die Elektro-Limousine: 144.670 Euro.
Old School: Ganz ansehnliches Cockpit mit reichlich Fahrmodi.
Für die Freischaltung der Maximalleistung ist der rote der beiden Zündschlüssel erforderlich.
Der Charger Hellcat jagt mit bis zu 320 Sachen durch den Wind. Sein Gewicht: 2.128 Kilogramm (vollgetankt)!
Die 717 PS und 881 Newtonmeter muss ein 8-Gang-Wandlerautomat verdauen. Der Charger kostet als Hellcat knapp 80.000 Euro im Grundpreis.
Auch in der Hellcat sitzt man auf belederten Sitzen.
Es war ein Duell mit extrem hoher Leistung auf extrem niedrigem Niveau. Beide sind selbst im Klassenumfeld außergewöhnlich schwer, und beide haben größte Mühe, das Minimalpensum auf dem Kleinen Kurs zu bewältigen.
Beim Tesla kommen die Batterien ins Schwitzen, sodass jedes Mal kurz vorm Zielstrich der Schub einbricht; der Dodge wiederum krankt an einem gruseligen Fahrverhalten und einer labilen Bremse
Richtig gut ist nur das Beschleunigungserlebnis – aber das dafür mal so richtig! Der Tesla wird von einer außerirdischen Macht davongetragen, der Dodge prügelt mit V8-Gehämmer davon. Was besser ist? Ach, lassen Sie uns nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
Ist das Blödsinn? Sollten E-Autos nicht so entwickelt werden, dass sie uns mit möglichst kleinen Batterien ohne Laden möglichst weit bringen? Sollten sich die Hersteller nicht eher auf schnelles Laden denn auf schnelles Fahren konzentrieren? Was bringt die Nordschleife in unter acht Minuten, wenn der 2,5-Tonner danach acht Stunden an die Steckdose muss?
Nun, für Porsche stellt sich diese Frage zwar durchaus – darum arbeitet der Taycan mit 800 Volt und kann besonders schnell laden. Bei Erprobungsfahrten auf dem Hochgeschwindigkeits-Kurs im italienischen Nardo legten Taycan-Prototypen innerhalb von 24 Stunden genau 3.425 Kilometer zurück. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 143 km/h mit Ladestopps. Aber für die Zuffenhausener ist auch die pure Rennstrecken-Performance alternativlos. Sie sehen die Antriebszukunft im Elektroantrieb, auch als Sportwagenhersteller. Also muss der Taycan auch sportlich im klassischen Sinne sein. Punkt. Mit welcher Konsequenz Porsche sein erstes Großserien-E-Auto dorthin entwickelt hat, ist bewundernswert.
Ist so ein Elektroantrieb wirklich das Mittel der Wahl für einen waschechten Sportwagen? Wir tauchen in die Technik ein und verraten schon jetzt: Ja!
Eine geringe Höhe hat großen Einfluss auf sportliches Fahrverhalten - und der Taycan ist nur sechs Zentimeter höher als ein Porsche 911.
9,8 Sekunden gibt Porsche für den Sprint von null auf 200 km/h an. Bis zu zehn Mal soll dieser Vorgang am Stück möglich sein.
Mit einer geschätzten Lebensdauer von rund 800.000 Kilometern halten die Bremsscheiben zehn Mal länger, als bei herkömmlichen Autos.
Von Insidern haben wir erfahren, dass die Testfahrer nach zehn Beschleunigungen, je inklusive Vollbremsung, für gewöhnlich einen Tag Urlaub brauchen. Zur Regeneration.
Falls Sie sich im vorherigen Bild über das teilweise abgedeckte Cockpit geärgert haben - bitteschön: Einmal ohne Tarnung.
Der Taycan verfügt über den niedrigsten Schwerpunkt aller Porsche-Modelle und unterbietet selbst den 911 um zwei Zentimeter.
Der aufwendige Rahmen des Akkus aus Alu macht zudem die Karosse doppelt so steif wie die des Panamera.
Aus dem Aufbau des Taycan resultieren eine erhöhte Steifigkeit und eine ausgewogene Gewichtsverteilung.
Der Taycan hat dank seiner niedrigen Höhe trotz fast zwei Meter Breite eine überschaubare Stirnfläche. Vor allem aber hat er einen sehr guten cW-Wert von 0,22 bis 0,24.
Die beiden E-Maschinen im Taycan schaffen 16.000 U/min – und das drehmomentstark ab null Umdrehungen.
Der Taycan Turbo S mit 625 PS (761 PS für 2,5 Sekunden im Overboost) und 1.050 Nm schafft den Standardsprint so in 2,8 Sekunden.
Um auf das Leistungsgewicht des 911 Turbo S zu kommen (2,9 kg pro PS), müsste der Taycan 163 Kilogramm abspecken.
Dabei muss man aber berücksichtigen, dass der Taycan erheblich größer ist als der 911 und Platz für fünf Personen bietet.
Beide Motoren des Taycan haben einen eigenen Pulswechselrichter (PWR), dessen Job vergleichbar mit der Gemischzufuhr und Ventilsteuerung eines Verbrenners ist.
Eine Allradlenkung reduziert den Wendekreis und verbessert die Agilität bei niedrigem Tempo, zugleich erhöht sie die Kurvenstabilität bei höheren Geschwindigkeiten.
Die adaptive Luftfederung kann die Karosse bei höheren Geschwindigkeiten um 2,2 Zentimeter absenken, die Wankstabilisierung (aufpreispflichtig) reduziert die Seitenneigung selbst bei maximaler Querbeschleunigung praktisch auf Null.
Der Taycan arbeitet mit einer Betriebsspannung von 800 Volt - das ist doppelt so viel wie bei den meisten Elektroautos.
Bei Erprobungsfahrten im italienischen Nardo legten Taycan-Prototypen innerhalb von 24 Stunden genau 3.425 Kilometer zurück. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 143 km/h mit Ladestopps.
100 Kilometer Reichweite (nach WLTP) lädt der Taycan bestenfalls in fünf Minuten nach. Um von fünf auf 80 Prozent Ladestand zu kommen, braucht es 22,5 Minuten.
Der Taycan Turbo ist ein Zehntel langsamer als ein 911 Turbo S. Der Taycan Turbo S dagegen ein Zehntel schneller.
Aber muss Tesla da mittun? Vielleicht spielt dabei die Eitelkeit von Elon Musk eine große Rolle. Vielleicht wurmt ihn, dass sein Roadster, dem Fabelwerte bei Leistung und Beschleunigung nachgesagt werden, noch nicht antreten kann. Aber im Grunde genommen ist der sportliche Wettkampf doch eine wünschenswerte Triebfeder, der die Entwicklung von E-Autos auch für Otto-Normalverbraucher weiterbringt. Und wenn E-Autos mehr und mehr Verbrenner auf der Rennstrecke schlagen, stellen sie immer lauter die Frage: Wozu noch Verbrenner?
Was nicht passieren darf: Dass alle Hersteller ihre E-Autos nur mehr über Rundstreckenzeiten verkaufen wollen und Millionen in die Zeitenhatz investieren. Das ist zwar aufmerksamkeitsstark und elektrisiert uns als Autobegeisterte. Aber damit wir im Alltag möglichst viele Verbrenner-Kilometer und CO2 einsparen, brauchen wir ganz viel Hirnschmalz für die Infrastruktur und die Energiegewinnung. Denn nur wer laden kann, kann auch dauerhaft elektrisch fahren. Und nur wer emissionsfrei Energie erzeugt, kann dabei viel CO2 sparen. Und wenn die Autohersteller sich nicht mit drum kümmern, könnte der Elektromobilität der Saft ausgehen. Tesla hat für seinen Rekordversuch ein riesiges Dieselaggregat am Nürburgring in Betrieb genommen – als Stromerzeuger zum Laden der Elektroautos.
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