Es ist der Traum jedes Fahrzeugentwicklers: Die exakte, radselektive Antriebssteuerung praktisch in Echtzeit. Porsche Engineering hat nun ein solches System zur Serienreife entwickelt.
Dass Allradantrieb allen anderen Antriebsformen für Radfahrzeuge überlegen ist, weiß man nicht erst seit Walter Röhrl im Audi Quattro. Die Antriebskraft auf alle Viere ist nicht nur als Traktionsgarant auf rutschigem Untergrund eine perfekte Lösung, sondern auch für effektive Sportfahrerei das Ideal – mindert der Allradantrieb doch das Über- wie Untersteuern ganz erheblich.
Elektrischer Allradantrieb als Kompromiss-Löser
Allerdings ist der mechanische Allradantrieb – ein Motor treibt über Achsgetriebe alle Räder an – immer eine Kompromisslösung, das zeigen auch die zahlreichen Konstruktionsformen für den 4-Wheel-Drive. Die einfachste Variante, der starr zuschaltbare Allradantrieb, ist ein reiner Offroad-Helfer und wegen der Verspannung in Kurven auf griffigem Untergrund nicht zu gebrauchen.

Permanente oder sogenannte „on demand“-Allradantriebe haben mit anderen Schwächen zu kämpfen. Generell brauchen sie zur Kurvenfahrt die Möglichkeit zum Drehzahlausgleich zwischen den Achsen und zwischen den Rädern einer Achse. Das wiederum führt dazu, dass im Falle eines „offenen“ Permanent-Allradantriebs bereits ein einziges durchdrehendes Rad reicht, dass an allen anderen Rädern keine Antriebskraft mehr anliegt. Aushilfe schaffen hier wiederum diverse Technik-Tricks. Manuell oder automatisch betätigte Differentialsperren oder der elektronisch geregelte Bremseingriff sind die bekanntesten davon.
Reine Softwaresteuerung
Sehr viel cleverer und effektiver wäre es natürlich, an jedem einzelnen Rad genau das Drehmoment wirken zu lassen, das in der aktuellen Fahrsituation ideal ist. Gerne auch vom Fahrer beeinflussbar, wenn der zum Beispiel gerade Lust auf heckschwenkiges Übersteuern auf der Rennstrecke hat.
Porsche Engineering hat nun genau solch ein System entwickelt. Obwohl der Kunde des Auftrags nicht genannt wird, darf vermutet werden, dass es sich hierbei um das Allradsystem des kommenden, rein elektrisch angetriebenen Porsche Macan der zweiten Generation handelt. Diese softwarebasierte Lösung kommt ohne weitere Sensorik aus und verwendet ausschließlich Daten aus den zur Verfügung stehenden Quellen. Dabei gingen die Ingenieure auch ungewöhnliche Wege. Neben den naheliegenden Raddrehzahlsensoren oder den vom elektronisch geregelten Fahrwerk gelieferten Messdaten greifen sie beispielsweise auch auf die Daten aus der automatischen Scheinwerferregulierung zurück, um die aktuelle Gewichtsverteilung zu erfassen.

Die neu entwickelte Steuerung von Porsche Engineering kann demnach nicht nur automatisch zwischen den Achsen und über den Bremseingriff radweise das Drehmoment verteilen, sondern auch im Bedarfsfall in Konfigurationen mit vier elektrischen Antriebsmotoren die effektive Steuerung übernehmen. Damit schlagen die Entwickler auch einen Bogen in die Vergangenheit: Das erste Allradauto der Welt war der Lohner-Porsche, mit Elektroantrieb und einem Elektromotor pro Rad.