Dass Elektroautos gerade in der kalten Jahreszeit mit Reichweiten-Einbußen und verminderter Akku-Performance zu kämpfen haben, wurde von Kritikern der Antriebstechnologie längst als Angriffspunkt erkannt. Niedrige Temperaturen verlangsamen die elektrochemischen Prozesse, wodurch sich wiederum der Innenwiderstand erhöht. Das führt dazu, dass die Spannung bei gesteigertem Stromfluss sinkt – der Akku entleert sich schneller. Hinzu kommt, dass die Klimatisierung eines E-Autos bei Kälte auf Hochtouren läuft, schließlich muss sie meist nicht nur den Innenraum, sondern ebenso die Batterie aufheizen.
Klare Gewinner und Verlierer
Wie genau sich das auf den elektroautomobilen Alltag auswirkt, ermittelt das norwegische Pendant des ADAC, die Norwegian Automobile Federation (NAF), regelmäßig in ausführlichen Wintertests. Dieses Mal wurden im Rahmen des sogenannten "El Prix 2025" 24 Modelle dem Reichweiten-Check bei Temperaturen zwischen -6 und +7 Grad Celsius unterzogen. Eins vorweg: Generelle Aussagen à la "Modelle dieses Herstellers verlieren bei Kälte kaum an Akku-Kapazität" oder "diese Marke hat hier großen Nachholbedarf" lassen sich aus den Ergebnissen nur bedingt herauslesen. Doch ein paar Tendenzen zeigen sich durchaus. Zudem gibt es klare Gewinner und Verlierer.
Eindeutiger Sieger der 2025er-El-Prix-Auflage des NAF ist der Polestar 3. Der Elektro-Crossover des schwedisch-chinesischen Herstellers verliert bei kalten Temperaturen lediglich 23 Reichweiten-Kilometer im Vergleich zu seinem WLTP-Wert. Damit beträgt der Verlust nur 4,1 Prozent. Beim nächstplatzierten E-Modell BYD Tang ist dieser bereits mehr als doppelt so groß, nämlich 9,6 Prozent. Der tatsächliche Reichweitenverlust des Mini Countryman ist zwar kleiner als jener des chinesischen Rivalen (41 statt 51 Kilometer). Da seine WLTP-Reichweite jedoch deutlich niedriger ist, verliert er bei Kälte prozentual mehr Reichweite als unter Idealbedingungen (siehe Tabellen und Grafiken in der Fotoshow).
Kaum Unterschiede zwischen Budget- und Premiumautos
Damit zeigt sich: Dem 24er-Testfeld gehören mit dem Polestar und dem BYD nur zwei E-Autos an, deren Verlust mit einstelligen Prozentwerten im vertretbaren Rahmen bleibt. Die meisten vom NAF getesteten Modelle bewegen sich im Bereich von minus 14 bis minus 22 Prozent. Dabei scheinen Fahrzeugklasse und Preis eine Nebenrolle zu spielen. Hier tummeln sich chinesische Sonderangebote wie der Hongqi EHS7 und der XPeng G6 ebenso wie teure Oberklassemodelle à la Mercedes G580 EQ oder Porsche Taycan. Eher enttäuschend ist das Abschneiden relativ neuer Elektro-Modelle von deutschen Marken wie BMW i5, Porsche Macan Elektro oder Audi Q6 E-Tron, die sich mit Verlusten von mehr als 22 Prozent im hinteren Drittel platzieren.
Klarer Verlierer des NAF-Winter-Reichweiten-Test 2025 ist der Voyah Dream. Der chinesische Elektro-Van verliert bei niedrigen Temperaturen fast 30 Prozent seiner WLTP-Reichweite (340 statt 482 Kilometer). Kaum besser macht es das Peugeot-Doppel E-3008 und E-5008 mit Verlusten von 28,6 beziehungsweise 27,7 Prozent. Das Abschneiden des VW ID.7 (minus 24,0 Prozent) ist ebenfalls eher kläglich, zumal der auch auf Volkswagens MEB-Plattform basierende Ford Explorer deutlich weniger verliert (minus 18,1 Prozent). Verlierer nach absolut eingebüßter Reichweite ist das Tesla Model 3, dessen Aktionsradius sich bei Kälte um satte 166 Kilometer verkleinert. Paradox: Da die getestete Modellversion "Maximale Reichweite Hinterradantrieb" mit 702 Kilometern den mit Anstand größten WLTP-Wert aufweist, ist die ermittelte Kältereichweite des Tesla trotzdem die zweithöchste im Test; sie liegt nur um einen Kilometer niedriger als jene des Polestar.
Kaum Unterschiede beim Ladeverhalten
Kaum Unterschiede zeigen sich übrigens beim Ladeverhalten unter sehr kalten Bedingungen. Bei manchen Modellen bleibt das Niveau exakt gleich, bei anderen geht es im Winter sogar etwas schneller oder nur geringfügig langsamer. Negativ fallen in dieser Hinsicht nur drei Modelle auf: Einerseits die bereits mit großen Reichweitenverlusten kämpfenden Peugeots, deren Ladezeit von 10 auf 80 Prozent der Akkukapazität um 17 beziehungsweise neun Minuten länger ausfallen. Hinzu kommt der BYD Sealion 7, der bei Kälte sieben Minuten länger am Schnelllader steht als bei idealen Außentemperaturen.
Rückblick auf frühere Ausgaben des NAF-Tests
Beim vorangegangenen Kälte-Reichweitentest des NAF im Dezember 2023 wurden sogar 31 E-Autos auf ihre Wintertauglichkeit überprüft. Nach absoluten Zahlen kam damals das Tesla Model 3 Long Range mit Dual-Motor-Antrieb am weitesten. Mit 521 Kilometern überflügelte seine Kälte-Reichweite sogar jene der deutlich teureren Modelle Mercedes EQS 580 4Matic (513 Kilometer) und BMW iX xDrive 50 (503 km). Beim Thema Reichweitenverlust lag das Ü-500-Kilometer-Trio jedoch nur im Mittelfeld. Hier waren mit dem BYD Tang, dem Tesla Model Y Long Range Dual Motor und dem Porsche Taycan 4 Cross Turismo drei andere Elektriker an der Spitze. Auch der Kia EV6 4WD und der Nio ES8 Long Range 7-Sitzer – ein weiterer Chinese also – konnten in dieser Hinsicht überzeugen.
Am anderen Ende der Tabelle hatten Ende 2023 – anders als diesmal – ausgerechnet die eigentlich kälteerprobten Schweden mit hohen Reichweitenverlusten zu kämpfen. Der Polestar 2 Long Range landete sowohl in der ein- als auch in der zweimotorigen Variante im hinteren Drittel, begleitet vom Schwestermodell Volvo C40 Recharge. Mit Abstand am meisten seiner Akku-Kapazität – fast 32 Prozent – verlor jedoch der Skoda Enyaq iV80. Kaum besser machten es die MEB-Geschwister VW ID.4 GTX (minus 24,2 Prozent) und Audi Q4 E-Tron 50 Quattro (minus 23,97 Prozent). Hat der VW-Konzern mit seinen MEB-Modellen – auch angesichts der eher mauen ID.7-Performance 2025 – also eine Kälte-Phobie? So allgemein lässt sich das nicht behaupten, schließlich bewegten sich 2023 der Cupra Born, der VW ID.4 Pro und der Skoda Enyaq iV80 mit Allradantrieb allesamt im Bereich von nur minus 15 Prozent.
Kaum Fortschritte bei der Winter-Reichweite
Der neuerliche Winter-Reichweiten-Test des NAF zeigt im Vergleich zu früheren Ausgaben, dass die E-Modelle bei diesem Aspekt kaum Fortschritte erkennen lassen. Im Schnitt liegt der Verlust der Akku-Kapazität bei der El-Prix-Auflage 2025 über alle 24 Autos hinweg bei 18,7 Prozent. Vor gut einem Jahr betrug er gut 19 Prozent. Beim davor durchgeführten Wintertest zum Jahresbeginn 2023 lagen die Reichweiten im Durchschnitt aller Testfahrzeuge um rund 25 Prozent unterhalb der angegebenen WLTP-Reichweite.
Bei einer ganz frühen Ausgabe des Tests hatten sich die norwegischen Experten bereits 2020 (siehe Video weiter oben im Artikel) ins Eis begeben. Im Schnitt sorgten eisige Temperaturen damals für einen Reichweiten-Einbruch von rund 18,5 Prozent gegenüber den WLTP-Angaben – was erstaunlicherweise besser war als bei den späteren Auflagen des Wintertests. Allerdings vertrauten die NAF-Experten 2025 erstmals auf GPS-Daten und nicht die Kilometerangaben der Autos, was bei einigen Fällen eine Differenz von vier Prozent ausgemacht hat.