Mercedes Modular Architecture: MMA-Quartett ab 2024 geplant

Mercedes Modular Architecture (MMA)
750 km E-Reichweite, Hybrid mit China-Technik

Um die Elektromobilität sowohl einer breiten Käuferschicht zugänglich zu machen als auch den Umgang mit ihr durch hohe Reichweite und schnelles Laden zu erleichtern, entwickelt Mercedes derzeit eine neue Modulare Architektur, kurz MMA. Deren erster Vertreter, die viertürige Limousine CLA , debütiert im kommenden Frühjahr. Es folgen eine Shooting-Brake-Variante sowie die Nachfolger der SUV GLA /EQA und GLB /EQB. Jetzt gibt der Hersteller Details zur Antriebstechnik bekannt. Allen voran: Der E-Antrieb.

Die Batterie

Hier kommt bei Mercedes erstmals die 800 Volt-Technik zum Einsatz, wie sie Porsche sie seit 2020 beim Taycan einsetzt. Das ermöglicht eine besonders hohe Ladeleistung, im Fall der MMA von bis zu 320 kW. Damit soll es möglich sein, innerhalb von 10 Minuten, Energie für bis zu 300 km Fahrt (oder 36 kWh) nachzuladen. Doch alleine mit der hohen Spannung lässt sich das nicht erreichen, die Zellchemie muss ebenfalls dazu passen. MMA sieht zwei Akku-Größen vor: 58 kWh und 85 kWh. "Wir wollen nicht einfach eine große Batterie ins Auto packen, um 1000 Kilometer zu fahren", sagt Torsten Eder, Vice President Development Electrified Drivetrains bei Mercedes. Bis zu 750 km sollen mit dem größeren Akku im CLA möglich sein. Die Zellen der Top-Variante verfügen über Anoden, bei denen Siliziumoxid zum Graphit beigemischt ist. Im Vergleich zur Vorgänger-Batterie mit herkömmlichen Graphit-Anoden konnte die gravimetrische Energiedichte um bis zu 20 Prozent erhöht werden. Übersetzt: Bei vergleichbarem Energiegehalt ist die neue Batterie um 20 Prozent leichter. Die volumetrische Energiedichte der Zellchemie liegt bei 680 Wh/l – 30 Prozent weniger als bislang. Sprich: Die Batterie ist kleiner, bei entsprechend gleicher Kapazität. Bei den aktuellen Modellen (EQA/EQB) beträgt sie 69,7 kWh. Der Anteil an Kobalt konnte weiter reduziert werden.

Während die 85 kWh-Variante eine Nickel-Metallydrid-Cobalt-Chemie (NMC) nutzt, sind es bei der 58 kWh-Variante die günstigere Lithium-Eisenphosphat-Kathoden (LFP). Deren volumetrische Energiedichte beträgt 450 Wh/l. Interessant: Der Akkupack besteht immer aus vier Modulen mit je 48 Zellen, ist also immer gleich groß (Zwei Meter lang, 1,30 Meter breit). In die Bodenplatte des Gehäuse ist eine Flüssigkeitskühlung integriert, in der wiederum ein Zuheizer steckt, um den Akku bei kalten Außentemperaturen zu erwärmen. Der Hersteller gibt acht Jahre oder 160.000 km Garantie auf die Batterie. Und die Sicherheit? Mit entsprechenden Abständen zwischen den Batteriezellen sowie dem Aufbau der Zellen und der Zellmodule umfassende wurden Vorkehrungen gegen eine potenzielle thermische Reaktion der Batterie getroffen. Neben den gesetzlichen Vorgaben müssen sowohl das Gesamtfahrzeug wie die Batterien zusätzlich Mercedes-interne, "teils strengere" Prüfnormen bestehen. Beim Pfahlaufpralltest, einem konzerneigenen Crashversuch, geht es bei Elektrofahrzeugen beispielsweise nicht nur darum, dass die Seitenstruktur möglichst viel Insassenschutz bietet. Untersucht wird dabei auch das Deformationsverhalten der Batterie. Bei dieser Crashtest-Konfiguration prallt das Testfahrzeug auf einem Schlitten seitlich gegen einen Stahlpfahl. Mit einem weiteren speziellen Prüfstandsverfahren testet Mercedes das sogenannte Aufsetzmanagement. Darunter werden die konstruktiven Vorkehrungen gegen Beschädigungen des Unterbodens durch Aufsetzen etwa beim Überfahren von Bordsteinen verstanden. Beim Test wird ein Stempel mit einer Kraft von mehreren Tonnen in den Fahrzeugboden gedrückt. Damit wird zugleich getestet, ob auf der Fahrbahn liegende Fremdkörper in den Akku eindringen könnten.

Die Motoren

In der Standard-Konfiguration nutzt der CLA einen Heckantrieb mit einer bis zu 200 kW starken, permanent erregten Synchronmaschine. Die Besonderheit: Dort ist ein Zweigang-Getriebe integriert. Dessen erster Gang ist mit 11:1 recht kurz, der zweite mit 5:1 eher lang übersetzt. So soll der Antrieb über einen weiten Geschwindigkeitsbereich effizient und damit weit fahren können. Erster Beweis: Beim Streckenrekord, für den ein CLA auf der Hochgeschwindigkeits-Strecke im süditalienischen Narò 3.717 Kilometer innerhalb von 24 Stunden zurücklegte, wurde mit konstant 210 km/h gefahren. Durch die Ladepausen ergibt sich noch immer ein Durchschnitt von deutlich über 150 km/h. Spätestens bei 110 km/h legt das Getriebe den zweiten Gang ein, je nach Lastabfrage auch deutlich früher. Der Schaltvorgang soll unmerklich ausfallen, es sei denn, der Fahrer wählt den Sportmodus. Dann wird absichtlich ein leichter Schaltruck herbeigeführt. Ebenfalls geschaltet wird der zweite Motor, der bei den traditionell 4matic genannten Allradversionen an der Vorderachse sitzt. Die 80 kW-PSM-Maschine kann bei Nichtgebrauch (ebenfalls von der Lastabfrage des Fahrers und vom Reibwert der Fahrbahn abhängig) durch eine Klauenkupplung vom Antrieb getrennt und komplett stromlos geschaltet werden. Noch leistungsstärkere AMG-Varianten sollen folgen.

Natürlich dienen die Motoren beim Bremsen als Generator: Die Rekuperationsleistung beträgt voraussichtlich bis zu 200 kW. So sollen nahezu alle Bremsvorgänge im Alltag mit Hilfe der Rekuperation und nicht mechanisch über die Radbremsen erfolgen können. Ein elektrisches Abbremsen bis zum Stillstand des Fahrzeuges ist ebenfalls möglich. Die maximale Verzögerung beträgt 3 m/s². Selbst im ABS-Regelfall oder bei vereister Fahrbahn kann rekuperiert werden. Vier Rekuperationsmodi stehen zur Wahl. Außerdem hilft die Software, um das Maximum aus dem Auto herauszuholen: Für die Berechnung der Route wird der Energiebedarf kalkuliert. Dabei werden Topografie, Streckenverlauf, Umgebungstemperatur, Geschwindigkeit, Heiz- und Kühlbedarf berücksichtigt. Weitere Faktoren sind die Verkehrssituation auf der geplanten Strecke sowie die dort verfügbaren Ladestationen, ihre Ladeleistung und die Bezahlfunktionen. Die Berechnung findet in der Cloud statt und wird mit Onboard-Daten kombiniert. Künftig sollen auch die vorhergesagten Windverhältnisse entlang der Fahrbahn noch exakter auf Höhe des Fahrzeuges berücksichtigt werden. Der Fahrer muss übrigens nicht bei jedem Ladestopp zwingend vollladen, sondern erhält an der Ladestation eine konkrete Empfehlung der optimalen Ladezeit. Die Ladestopps werden so eingeplant, wie es am günstigsten in Bezug auf die Gesamtreisezeit ist: Denn unter Umständen können zwei kurze Ladestopps mit höherer Ladeleistung vorteilhafter sein. Trotz allem: Völlig sorgloses Fahren wie mit einem Verbrenner ist noch immer nicht möglich, Reisen erfordern eine gewisse Planung und unter Umständen einen höheren Zeitbedarf. Vor allem aber: Wirklich billig dürfte die Technik nicht werden. "Am Ende wählt der Kunde den Antrieb. Daher bekommt der CLA auch einen Hybrid-Antrieb", erklärt Torsten Eder.

Der Hybrid-Antrieb

Der Verbrennungsmotor-Antriebsstrang besteht aus einem aufgeladenen Vierzylinder-Turbomotor sowie einem 20 kW-E-Motor, einem 1,3 kWh-Akku und einem 48 Volt-Netz. So lassen sich kurze Strecken rein elektrisch zurücklegen, zudem kann der CLA bis 100 km/h häufig den Verbrenner abschalten. Das intern M252 genannte 1,5-Liter-Triebwerk ersetzt den M260. Letzterer wurde in Kölleda/Thüringen gebaut, das neue Triebwerk kommt aus einem Werk in China, dass dem Mercedes-Anteilseigner Geely gehört. Es kommt in drei Leistungsstufen mit 136, 163 und 190 PS. Die Top-Variante arbeitet mit 1,8 bar relativem Ladedruck. Der Einspritzdruck beträgt bei allen Varianten bis zu 350 bar. Die Besonderheit: Der Motor arbeitet nach dem so genannten Miller-Verfahren. Dabei wird das Einlassventil im Ansaughub früher geschlossen, weshalb ein Unterdruck entsteht. Durch die hohe Verdichtung, in diesem Fall 12:1, entsteht dennoch ein hoher Expansionsdruck, der Motor läuft effizienter. Der geringere Anteil zündfähigen Gemischs erfordert allerdings eine Aufladung, in diesem Fall ein so genannter Segmentlader mit schaltbarem Flutenverbinder (ähnelt entfernt dem Twin-Scroll-Lader und soll das Ansprechverhalten des Motors verbessern). Weitere Highlights sind das Vollaluminum-Kurbelgehäuse, die Zylinderlaufbuchens mit einer aus der Formel 1 übernommenen Beschichtung, die kompakte Ladeluftstrecke sowie die motornahe Abgasanlage im One-Box-Design, die für künftige Abgasnormen vorbereitet ist. Der elektrische Kältemittelverdichters mit 48-Volt-Technologie reduziert die Reibleistung und ermöglicht es, das Fahrzeug auch im Stand und bei elektrischer Fahrt zu klimatisieren.

Das Motor- und Getriebedesign fällt dank geringem Zylinderabstand (82 statt 90 mm wie beim M260) und so genannte Side-by-side-Anordnung der E-Maschine sehr kompakt aus: E-Motor, Wechselrichter und Getriebe bilden eine Einheit. Auch die Batterie baut kompakt: Im sogenannten Flatpack sind die Batteriezellen sowie der DC/DC-Wandler integriert. Der Elektromotor unterstützt dann im niedrigen Drehzahlbereich. Die Konstantfahrprofile werden elektrisch abgedeckt, der ineffiziente Betrieb also mit dieser Betriebsart absolviert. Der Motor kann in allen acht Gängen rekuperieren, also bis zu 25 kW Energie zurückgewinnen. Weil sich die Drehmomente von Verbrennungsmotor und Elektromotor aufsummieren, wird das maximale Drehmoment über einen großen Drehzahlbereich dargestellt. Zudem kann der Verbrennungsmotor vollständig über E-Maschine und Trennkupplung gestartet werden. Es ist also kein herkömmlicher Ritzelstarter mehr erforderlich.

Integriert ist der Elektromotor samt Wechselrichter in ein neues, Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Die E-Maschine ist in das Getriebe integriert und die Steuerung des mechanischen Systems elektrohydraulisch erfolgt. Dabei bedient ein Elektromotor beide Doppelkupplungsstränge. Kraftschluss und -trennung erfolgen mit Hilfe von zwei Fahrkupplungen und einer Trennkupplung. Die Übersetzungen der acht Schaltstufen sind breit gespreizt, was ebenfalls der Effizienz zugutekommt, weil sich so die Motorbetriebspunkte optimal anpassen lassen. Die neue Motor-Getriebe-Einheit hat kompakte Abmessungen und ist im Fahrzeug quer zwischen den Achsschenkeln eingebaut. Optional: Der Allradantrieb 4matic. In diesem Fall gelangt die Antriebsleistung über eine Welle zur Hinterachse, wo eine elektromechanische Lamellenkupplung den Kraftfluss regelt. Verbrauchswerte kommuniziert der Hersteller derzeit noch nicht, verspricht aber Reichweiten, die im Bereich von Diesel-Fahrzeugen liegen.

Aktuell verfolgt Mercedes weiter den Plan, zuerst den CLA mit E-Antrieb auszuliefern und frühestens sechs Monate später den Hybrid-Antrieb nachzureichen. Doch wenn man bedenkt, dass MMA zunächst ganz ohne Verbrenner gedacht war, könnte sich das angesichts der aktuellen Marktlage noch ändern.

Aus sieben Baureihen werden vier

Die Ankündigung, dass neben dem CLA nur noch GLA/EQA und GLB/EQB auf der MMA-Plattform stehen, macht klar: Die A-Klasse als Schrägheck- und Limousinen-Modell sowie die B-Klasse machen den Umzug auf die neue Basis nicht mehr mit. "Wir wollten Komplexität reduzieren und uns fokussieren", sagt Mercedes-CTO Markus Schäfer im Interview bei auto motor und sport. Ein Modell müsse künftig auf der ganzen Welt funktionieren, was derzeit nicht bei allen Baureihen der Fall sei. Noch nicht ganz klar ist, welche Rolle der auch auf der IAA 2023 vorgestellte "Mini-G" in dieser Gemengelage spielen wird, die ebenfalls mit MMA-Genpool kommen soll. Deckt der künftige GLB diesen Part direkt mit ab oder handelt es sich hier um eine Extra-Baureihe? Dass Källenius bei der Münchner Veranstaltung eigens auf dieses Modell verwiesen hat, spricht für Letzteres.

Mercedes zufolge ist die MMA-Plattform ein zentraler Baustein innerhalb der Strategie, dass die eigene Neuwagenflotte ab 2039 CO₂-neutral fahren soll. Bis 2025 wollen die Schwaben demnach die Entwicklungsaufwendungen für Verbrennungsmotoren um 40, bis 2030 um 70 Prozent reduzieren. Das gesparte Geld benötigen die Entwickler für neue Elektroautos (BEV), deren kompakte Vertreter den MMA-Unterbau nutzen werden. Für Modelle inklusive und oberhalb der heutigen C-Klasse hatte Mercedes im Sommer 2021 drei neue, reine Elektro-Architekturen angekündigt, die parallel zur MMA eingeführt werden.

MMA ersetzt MFA II

2021 startete mit dem EQS das erste E-Auto auf der "electric first" entwickelten "Electric Vehicle Architecture" (EVA). Das gut fünf Meter lange viertürige Luxus-Coupé spielt, wie die Typbezeichnung vermuten lässt, im Segment der S-Klasse. Auf der EVA entstehen noch ein SUV im GLS- namens EQS SUV und eine etwas kleinere Limousine im E-Klasse-Format (EQE) sowie ein entsprechender zweiter SUV, der folgerichtig EQS SUV heißt. Außerdem kommen auf Basis von Verbrenner-Plattformen aus der MFA II (Modular Front Architecture) noch der EQA (ein elektrischer GLA) und der EQB (ein elektrischer GLB) hinzu. Aber EVA ist für Modelle ab dem Format der C-Klasse abwärts zu groß und zu teuer. EQA und EQB stehen auf einer Verbrenner-Plattform, nutzen damit die Vorteile des E-Antriebs nur bedingt und sind ungünstiger zu produzieren.

Mercedes entwickelt daher vor allem für Autos, die in der Verbrennerwelt auf der MFA II (Modular Front Architecture) stehen, also auch für die Nachfolger von EQA und EQB, die Mercedes Modular Architecture (MMA). Sie wird so etwas wie der Modulare Elektrobaukasten (MEB) von Volkswagen. Als Premium-Hersteller bringt Mercedes den E-Antrieb eher von oben nach unten in die Modellpalette, darum ergab die frühere Fertigstellung von EVA Sinn. Sie ist für Reichweiten von mehr als 700 Kilometern und für Leistungen bis 500 kW (680 PS) ausgelegt.

Was hochautomatisiertes Fahren angeht, ist im MMA-Kosmos anfangs "Level 2 auf nahezu allen Straßentypen" angesagt. Die neue Architektur ist aber von vornherein so konzipiert, dass sich die aufwendige Sensorik für Level 3 unterbringen lässt. Ob Mercedes den künftigen CLA und seine Ableger tatsächlich damit ausrüstet, ist jedoch fraglich: "Ist der Kunde in diesem Segment bereit, für Level 3 zu bezahlen?", fragt Schäfer. "Dann brauchen wir ein redundantes Bordnetz, eine redundante Bremse und Lenkung, Lidar-, Radar- und Kamerasysteme." Sollte es eine entsprechende Nachfrage geben, sei es jedoch kein Problem, die Technik in das Auto einzubauen.