1.000 km Reichweite für E-Autos dank Lithium-Schwefel-Akku?

Durchbruch bei Lithium-Schwefel-Akku
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1.000 km Reichweite dank Super-Batterie?

IWS Fraunhofer Dresden Batterie Pouch © Fraunhofer IWS Dresden

Auf der Suche nach leichteren und billigeren Lithium-Batterien haben australische Forscher einen Durchbruch erzielt. Sie fanden eine Bindemittel, das die Kathoden von Lithium-Schwefel-Batterien stabil macht.

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Die Lithium-Ionen-Akkus in modernen E-Autos sind immer noch schwer und teuer. Lithium ist dabei nicht das Hauptproblem, auch wenn die Umweltprobleme bei seiner Gewinnung vor allem in Südamerika, wo Bergarbeiter das Leichtmetall aus tiefliegendem Grundwasser in der Atacama-Wüste fördern, für Kritik sorgen.

In Australien lässt sich Lithium allerdings mit klassischen Bergbaumethoden abbauen – was ökologisch weniger kritisch und lange gewohnt ist. Vielleicht kommt deshalb von Forschern der Monash University (Melbourne) eine Lösung, wie Batterien mit Schwefel als Kathodenmaterial statt Kobalt und Nickel so herstellbar sind, dass sie auch nach vielen Ladezyklen noch nah an ihrer ursprünglichen Kapazität bleiben.

Der Reihe nach: Schwefel statt Kobalt als Gegenspieler zu Lithium würde die Stromspeicher leichter und viel billiger machen. Lithium-Schwefel-Batterien (Li-S-Batterien) mit 35 Prozent höherer Energiedichte als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden im Rahmen eines Forschungsprojekts schon gebaut.

Lithium-Schwefel-Batterien nur halb so schwer

Holger Althues ist Abteilungsleiter Chemische Oberflächen- und Batterietechnik beim IWS. In seinem Team entstand der Prototyp für das australische Forscherteam. Er beziffert die Energiedichte von Li-S-Batterien im Bezug auf Gewicht und Volumen wie folgt: „Die besten kommerziellen Lithium-Ionen-Zellen erreichen zirka 250 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) und 700 Wattstunden pro Liter (Wh/L). Typische Li-S-Prototypzellen erreichen 400 – 450 Wh/kg bei zirka 450-500 Wh/L. Wir halten es für realistisch, dass zukünftig Li-S-Zellen mit bis zu 500 Wh/kg und bis 700 Wh/L realisiert werden können. Das heißt, die Li-S-Zellen hätten den gleichen Energieinhalt bei gleichem Volumen heutiger Lithium-Ionen-Zellen, aber das Gewicht kann halbiert werden“.

Für besonders attraktiv hält Althues daher „die Li-S-Technologie für die Luftfahrt (unter anderem Pseudo-Satelliten, Drohnen), die besonders von dem geringen Gewicht der Zellen profitiert“.

© Hans-Dieter Seufert

Die Batterie des Audi E-Tron mit 95 kWh Kapazität wiegt mit Rahmen 699 Kilogramm.

Aufs Auto übertragen bedeutete das, die größte Tesla-Batterie mit 100 kWh würde dann nicht mehr rund 700 Kilogramm wiegen, sondern nur noch 350. Fände man mehr Platz im Auto und wollte das Gewicht gleich lassen, könnte man die WLTP-Reichweite auf über 1.000 Kilometer steigern. Damit bewerben die Forscher ihren Durchbruch in einer Meldung auf der Website der Universität. Und mit einem Smartphone, das fünf Tage ohne Aufladen durchhält.

Schwefel kostet nur Bruchteile von Kobalt

Für jede Industrie, die Lithium-Ionen Akkus nutzt, egal ob in Laptops, Smartphones oder Autos, ist aber die mögliche Kostenersparnis sicher ähnlich reizvoll wie die Gewichtsreduktion: Ein Kilogramm Kobalt kostet derzeit rund 29 Euro, der Preis für ein Kilogramm Schwefel liegt unterhalb von einem Euro. Und Schwefel ist in großen Mengen problemlos verfügbar, er entsteht sogar bei vielen Industrie-Prozessen als Abfallprodukt. Damit könnten Li-S-Batterien auch bei denen erste Wahl sein, die auf Nachhaltigkeit erpicht sind – selbst wenn in diesen Akkus weiterhin Lithium Verwendung findet. Denn auch die Produktion von Li-S-Akkus ist laut der australischen Experten erheblich umweltfreundlicher möglich.

Noch viel Forschungsarbeit nötig

Also her mit den Li-S-Batterien? Wie immer bei neuen Wunder-Technologien gibt es noch ein paar Hindernisse. Die Schwefel-Kathoden müssen vergleichsweise dick sein, damit genug Oberfläche für die Aufnahme und Abgabe der Lithium-Ionen in der Batterie vorhanden ist. Außerdem ist Schwefel nicht leitfähig und muss daher mit Kohlenstoff kombiniert werden. Problem: Bei der Aufnahme der Ionen wächst das Volumen der Kathodenschicht um 78 Prozent, etwa acht Mal mehr als bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. Gerade die dicken Schichten sind dafür mechanisch aber nicht stabil genug. Es entstehen Mikrorisse und -brüche, die Zelle verschleißt schnell. Schon nach etwa 100 Ladezyklen nimmt die Kapazität stark ab.

Genau für dieses Problem hat das australische Forscherteam jetzt eine Lösung gefunden – und patentiert. Die Forscher binden den Schwefel in eine besondere Schicht ein. Neben Kohlenstoff besteht sie aus einem Bindemittel, das erheblich höhere mechanische Belastungen ausgleichen kann, ohne die Moleküle der Kathodenschicht komplett zu umschließen – schließlich würde dies Oberfläche für die Aufnahme der Lithium-Ionen kosten. Das neue Bindemittel (Sodium Carboxymethyl Cellulose Na-CMC) verbindet die Teilchen quasi nur punktuell. Auf den Stoff stießen die Forscher in Studien aus den 1970er-Jahren zu Waschmitteln.

Die Arbeit der Australier zeige, „dass eine sehr gute Kathode mit umweltfreundlichen Verfahren herstellbar ist“, so Althues. Das sei ein wichtiger Schritt, aber er sieht weitere Probleme auf dem Weg zur Marktfähigkeit: „Die größten Hürden liegen in der relativ geringen Zyklenstabilität und der geringen Leistungsfähigkeit/Schnellladefähigkeit bisheriger Zellen. Die Lösung dafür kann nicht nur in einer guten Kathode liegen, sondern auch Elektrolyt und Anode müssen weiterentwickelt und aufeinander abgestimmt werden. Gerade im Elektrolytsystem liegt großes Potential und es wurde bisher vergleichsweise wenig erforscht.“

Fazit

Selbst wenn die Batterie-Forschung große Fortschritte macht: Der Weg zu leichteren und billigeren Batteriespeichern für die Serienanwendung scheint noch lang zu sein, gerade mit vielversprechenden neuen Materialien, die bislang noch keine Verwendung gefunden haben und die problematische sowie teure Rohstoffe wie Kobalt ersetzen können.

Ermutigend aus deutscher Sicht: Nicht nur in Australien, wo es große Lithium-Vorkommen gibt und das Forscher-Team der Monash University jetzt gut zwei Millionen Euro erhalten hat, um den Prototypen zu erproben und weiterzuentwickeln, findet Forschung zu Batterien statt. Auch Deutschland ist dabei: Das IWS in Dresden beschäftigt sich seit Jahren mit Lithium-Schwefel-Batterien und hat den Prototypen für die Australier hergestellt.

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