„500 statt 400 km mit der gleichen Energie“
Frank Weber sprach mit auto motor und sport über die Neue Klasse, warum sie keine Verbrenner tragen soll und ordnet ein, wie realitätsnah die virtuellen Welten auf dem Riesen-Head-Up-Display der auf der CES vorgestellten Vision Dee sind.
Weber: Beim BMW i Vision Dee steht nicht unsere E-Auto-Strategie im Fokus, es handelt sich um einen Denkanstoß, wie sich virtuelle und reale Welten begegnen können. Es geht um ein durch digitale Technologien getriebenes neues Erlebnis von Mobilität. Dee ist ein Visionsfahrzeug, nicht alles ist für die Serie gedacht. Doch die verschiedenen Lebenswelten werden sich im nächsten Jahrzehnt immer mehr vermischen. Wer künftig in einer virtuellen Welt mit seinen Marken und Produkten nicht ausreichend repräsentiert ist, wird auch in der realen Welt an Bedeutung verlieren.
Weber: Unsere CES-Studie ist ein Visionsfahrzeug mit deutlich überhöhten Inhalten. Aber grundsätzlich ist das für uns ein denkbarer Weg in die Zukunft, das kann ich bestätigen. Konzeptionell ist das System sehr anspruchsvoll, aber auch spektakulär: Anders als heute, werden Einblendungen für alle Passagiere sichtbar sein.
Weber: Gestik zu integrieren ist dank der vorhandenen Kamerasysteme relativ einfach. Wir haben aber gelernt, dass bestimmte Gesten, wie zum Beispiel für lauter oder leiser, kaum genutzt werden. Andere dagegen, wie etwa das Ablehnen eines Anrufes oder für das nächste Lied in einer Playlist, kommen gut an.
Und was wird aus dem i-Drive-Controller. Verschwindet der ganz?Weber: Das ist im Grunde ein evolutionärer Prozess. Die CES-Studie hat keinen i-Drive-Controller, weil die Bedienung immer mehr weggeht von listenbasierten Darstellungen. Vor 25 Jahren gab es beispielsweise auch noch keine Bedienung per Touch über Displays. Künftig ist der i-Drive-Controller nicht mehr zwangsläufig das optimale Bedienelement, davon kann man ausgehen.
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Weber: Wir wollen das Auto damit quasi zum Leben erwecken. Der Eindruck, dass sich das Auto an seine Umgebung anpassen kann, schafft eine spannende Wirkung. In der Umsetzung ist das nicht trivial, aber die Veränderbarkeit von Oberflächen wird Einzug halten, daran glauben wir – auch als ästhetisches Element.
Was zeichnet die Neue Klasse ab 2025 hinsichtlich Nachhaltigkeit und Effizienz aus? Grüner Stahl zum Beispiel?Weber: Unsere CO2-Unternehmensziele, die wir für 2030 öffentlich gemacht haben, gelten für alle Komponenten dieser Autos – das gilt auch für grünen Stahl oder Sekundär-Aluminium im Bereich der Räder. Mit jedem Abschluss einer Lieferantenvergabe wird dieses Ziel exakt bestimmt. Die Zulieferer bestätigen uns, dass wir die ersten sind, die den CO2-Ausstoß bis auf die Komponentenebene herunterbrechen.
Die Gesamteffizienz eines Modells der Neuen Klasse gegenüber einem heutigen i4 beispielsweise wird sich um bis zu 25 Prozent verbessern – unter anderem durch Aerodynamik, Rollwiderstand generell und speziell der Reifen, aber auch Bordnetzverbräuche. Bei allem, was Strom verbraucht, kämpfen wir um jedes Zehntel. Wir fahren künftig also mit einer Kilowattstunde um ein Viertel weiter – so einen Sprung gab es noch nie. Mit dem gleichen Energieinhalt kommt man also statt 400 Kilometer 500 Kilometer weit.
Weber: Die Neue Klasse ist zunächst einmal eine Technologieplattform. Da entsteht eine Generation, bei der alles neu ist: Antriebssysteme, Speicher, Bordnetz – und die universell verfügbar ist. Sie ist die Basis für das gesamte künftige BMW-Portfolio, denkbar vom 1er bis zum X7. Wir beginnen aber mit Modellen mit großen Volumina, also mit Fahrzeugen vergleichbar eines heutigen 3er und X3. In Debrecen in Ungarn bauen wir dafür unser erstes Zero-Emission-Werk auf.
Behalten die Neue Klasse-Fahrzeuge die bekannte Nomenklatur?Weber: Wir haben noch etwas Zeit, das zu entscheiden. Wir schreiben schließlich kein neues Kapitel, wir schreiben ein ganz neues Buch.
Weber: Nein. Aber mit einem generellen Abgesang auf den Verbrenner sollte man dennoch sehr vorsichtig sein. Schließlich zeigt sich schon heute, wie schwierig es ist, die nötigen Rohstoffe für E-Autos zu beschaffen. Und damit ist es nicht getan. Um E-Mobilität in Summe zum Erfolg zu führen, müssen weitere Faktoren gegeben sein: bezahlbarer Grünstrom für die Produktion und den Betrieb der Fahrzeuge; nachhaltig gewonnene und bezahlbare Rohstoffe; geschlossene Recyclingprozesse und eine ausreichende öffentliche Ladeinfrastruktur. Das können Automobilhersteller allein nicht leisten, hier sind alle Beteiligten gefragt.
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