Weil die Nachfrage nach Mikrochips derzeit weit größer ist als die Verfügbarkeit, kommt die Pkw-Produktion ins Stocken. Auf manche Modelle müssen Kunden über ein Jahr warten. Kleiner Lichtblick: Das knappe Fahrzeugangebot wirkt sich vor allem bei E-Autos nicht negativ auf mögliche Rabatte aus. Welche Stromer derzeit Autofahrer schnell zu bekommen sind, zeigt die Analyse.
Schon seit Monaten bremst die Halbleiterkrise die Automobilhersteller aus. Ohne die kleinen Bauteile läuft nicht viel im Auto. Sie sind Hauptbestandteil von Mikrochips, die sich vorwiegend in Steuergeräten verbergen. Und auf diese Chips wartet die Autoindustrie wie kaum eine andere Branche. "Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Autobranche die am stärksten von Lieferengpässen mit Vorprodukten betroffene Branche ist", bestätigt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien.
Auf der anderen Seite bleiben auch die Kunden von den Auswirkungen nicht verschont, wie ein Blick auf die Lieferfristen zeigt, die seit Wochen immer länger werden. Nur noch wenige Modelle sind kurzfristig erhältlich. Von den E-Autos, die zu den 30 beliebtesten Modellen in Deutschland zählen, sind nur zwei innerhalb von drei Monaten lieferbar – bei den Plug-in-Hybriden dagegen keines. Im Durchschnitt warten die Kunden derzeit zwischen fünf und sechs Monate auf ihre Neuwagen – Betonung liegt auf Durchschnitt, denn wer das falsche Modell wählt, muss sich fast eineinhalb Jahre gedulden.
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Besserung erst 2023 oder 2024 in Sicht
Was an einen Notstand erinnert, hat System. Mit der kontrollierten Mangelwirtschaft versucht die Branche, den Schaden durch die Halbleiterkrise so klein wie möglich zu halten. "Es wird gerade priorisiert, wo die Chips hingehen", sagt Philipp Sayler von Amende, Chef der Online-Neuwagenbörse carwow.de. "Vor allem margenträchtige Modelle bekommen sie." Was das bedeutet, lässt sich am Beispiel VW ablesen. Da durchforsten die Verantwortlichen gerade die Modellreihen nach möglichen Streichkandidaten. Verschont wird keine Baureihe, selbst E-Autos trifft der Rotstift.
So ist aus Mangel an Halbleitern die günstige Einstiegsvariante Pure des 110 kW starken VW ID.3 derzeit nicht mehr mit dem 45-kWh-Akku konfigurierbar. Bereits georderte Fahrzeuge sollen noch ausgeliefert, doch Bestellungen erst wieder demnächst angenommen werden. Leidtragende sind die Kunden, denn sie zahlen am Ende die Zeche. Beim ID.3 starten die Preise vor Abzug der Förderung nicht mehr bei etwa 32.000, sondern erst bei rund 37.000 Euro.
VW: ID.3 und ID.4 nur noch per Quote
Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Einige Marken gehen aktuell so vor, und die Situation könnte noch eine Weile andauern. Glaubt man der Auswertung der Analysten von Gartner, dann ist mit einer Erholung frühestens 2023 oder 2024 zu rechnen.
Wer sich für den Skoda Enyaq interessiert, muss mit mehr als einem Jahr Lieferzeit rechnen.
Und das alles nur, weil die Hersteller die Fahrzeugproduktionen im Lockdown stoppten beziehungsweise drosselten. Um Geld zu sparen, stornierten oder reduzierten sie die Bestellungen von Bauteilen – darunter auch die Aufträge für die Halbleiter. In diese Nachfragelücke drängten vor allem Firmen aus der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik, die pandemiebedingt auf einmal einen größeren Bedarf hatten und noch haben.
Angenehme Ausname: Der Fiat 500e ist innerhalb von 3 Monaten lieferbar.
Genau hier liegt das Problem für die Automobilindustrie. Als vor einigen Monaten plötzlich die Nachfrage nach Neuwagen wieder anzog, war die weltweite Halbleiterfertigung überfordert und ist es immer noch. "Die Produktionskapazität im Chipbereich hat sich – entgegen vieler früherer Erwartungen – bislang nicht erholt, und das Vorkrisenniveau ist bei Weitem noch nicht erreicht", sagt Marcus Kleinfeld, Managing Director bei AlixPartners in Deutschland. Kurzum: Die Autoindustrie steht plötzlich ganz hinten in der Schlange.
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Förderung beschert weiter hohe Rabatte
Da Neuwagen knapp werden, sind gute Angebote somit seltener vertreten. Statt die Listenpreise zu erhöhen, greift die Branche zu einem anderen Trick. Sie reduziert ihre Nachlassbereitschaft, das hat den gleichen Effekt. Nach Jahren hoher Abschläge stagnieren die Rabatte oder werden sogar zurückgefahren.
Geht es jedoch um die neue Mobilität, dann ist davon wenig erkennbar, das zeigt unsere Analyse. Aktuell liegt das durchschnittliche E-Auto-Rabattgefüge bei 32 Prozent und somit nur ein Prozent unter dem Wert vor einem Jahr. Bei den Plug-in-Hybriden hingegen blieb die Nachlassbereitschaft unverändert – wie schon 2021 sind auch jetzt noch im Schnitt 27 Prozent Abschlag beim Autokauf möglich. Die Förderung von bis zu 9570 Euro ist der Grund dafür, dass die Rabatte nicht gefallen sind.
Ein Lichtblick, der auch noch etwas andauern dürfte. Denn einen Bonus soll es bis Ende 2025 geben, was langen Lieferzeiten den Schrecken nimmt. Allerdings gibt es eine Einschränkung, und die betrifft Kunden von Plug-in-Hybriden. Die Teilzeitstromer bekommen seit Jahresbeginn nur noch die Förderung, wenn sie eine elektrische Mindestreichweite von 60 km schaffen (Voraussetzung bis Ende 2021: 40 km) oder höchstens 50 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. 2023 soll sogar eine schärfere, bislang nicht näher beschriebene Regelung in Kraft treten. In Anbetracht der langen Lieferzeiten kann diese Probleme bereiten.
Fazit
Es ist positiv zu werten, dass die Bundesregierung in diesem Jahr bei der Förderung noch alles so belässt, wie es die Vorgänger-Regierung beschlossen hat. Das heißt, dass Kunden jetzt noch viele E-Modelle problemlos bestellen können. Doch zum Ende des Jahres sollte man vor allem bei Plug-in-Hybriden nur noch einen Blick auf jene Autos werfen, die mindestens 80 km elektrische Reichweite erfüllen. Laut Gerüchten soll ab 2023 dies zur Fördervoraussetzung werden.
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