An diesen Anblick haben wir uns längst gewöhnt: Elektroautos mit den Fahrleistungen eines Supersportwagens, die dennoch auf der Autobahn brav rechts den Lkw hinterherschleichen. Klarer Fall, wer mit seinem Stromer möglichst weit kommen will, der darf nicht allzu schnell fahren, sonst leert sich der Akku in kürzester Zeit. Und Strom laden dauert nun einmal viel länger als Sprit zu tanken. Doch wie viel Energie zieht ein E-Auto bei welchem Tempo tatsächlich? Und gibt es eine perfekte Reisegeschwindigkeit mit dem besten Kompromiss aus Fahrtempo und Ladestopps?
Mit konstantem Tempo im Kreis
Um dies zu ermitteln, sind wir mit sechs verschiedenen E-Autos auf das Testgelände von Bosch in Boxberg gefahren. Dort gibt es unter anderem einen drei Kilometer langen Ovalkurs, der sich perfekt eignet, um darauf stundenlang mit konstantem Tempo zu fahren – ohne enge Kurven oder andere Verkehrsteilnehmer, die zum Bremsen zwingen und so die Messungen ruinieren. Die sechs Stromer, die sich ohnehin gerade in der Redaktion befanden, gehören ganz unterschiedlichen Klassen an – vom Kleinstwagen bis hin zum Luxus-SUV mit allem Komfort: Audi e-tron, DS 3 Crossback, Hyundai Ioniq , Renault Zoe, Tesla Model 3 und der VW E-Up.
Wie die einzelnen Modelle bei der Verbrauchsmessung abgeschnitten haben, lesen Sie in der aktuellen Moove (ab 19.3.2020 im Handel oder hier im Digital-Shop)

Höhere Geschwindigkeit, weniger Reichweite
Was das höhere Reisetempo mit den Reichweiten macht, haben wir ebenfalls ausgerechnet. Hier gingen die offiziellen Herstellerangaben zu den Akkugrößen in die Rechnung ein. Der tatsächlich nutzbare (Netto-)Energiegehalt fällt jedoch stets etwas geringer aus, die Autobauer rücken jedoch meist keine konkreten Werte raus. Daher haben wir einheitlich die Bruttowerte verwendet. Dennoch genügen die Werte für interessante Grundbetrachtungen: Alle Autos kommen umso weiter, je langsamer sie gefahren werden, das war zu erwarten. Bei Tempo 60 schafft der sparsame Hyundai Ioniq rechnerisch 348 km, was angesichts seines recht kleinen Akkus ein sehr guter Wert ist. Tempo 60 eignet sich jedoch nicht mehr für die Autobahn und scheidet als Dauerreisegeschwindigkeit aus. Bei konstant Tempo 100 kommt der Ioniq immerhin noch 235 km weit, bei 160 km/h schrumpft die Reichweite hingegen auf 121 Kilometer und damit auf nur noch gut die Hälfte des 100er-Wertes.
600 Kilometer mit dem E-Auto – wie schnell ist am schnellsten?
Reicht eine volle Akkuladung nicht, um eine längere Strecke abzuspulen, stehen Stromfahrer vor einer Knobelaufgabe: Welches Tempo bringt den besten Kompromiss aus Reisegeschwindigkeit und Ladestopps. Bei 60 km/h kommt der Ioniq in unserer Beispielrechnung am weitesten, er ist aber so langsam, dass die Reise dennoch viel länger dauert, als nötig. Die mit 7:24 Stunden kürzeste Gesamtzeit ergibt sich bei Tempo 120, trotz dreimaligem Nachladen. Mit Tempo 100 lässt sich zwar ein Ladevorgang einsparen, dafür steigt die reine Fahrzeit um eine Stunde. Bei Autos, die höhere Ladeströme verkraften, ändert sich die Rechnung: Würde der Hyundai mit 100 kW laden, wäre er bei ansonsten identischen Grundannahmen mit Tempo 140 am schnellsten am Ziel – nach 6:45 Stunden.
* Die Ioniq-Batterie hat eine Kapazität von 38,3 kWh, 80 Prozent davon sind 30,6 kWh
** Zu den reinen Ladezeiten haben wir pro Stopp 15 Minuten Verzögerung hinzugezählt