Der verwendete Strommix, die CO2-intensive Produktion, die Größe des Akkus etc.: Wie gut oder schlecht die Umweltbilanz von Elektroautos ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Aspekt wird dabei bislang noch sehr wenig beachtet: die Recycling-Quote von alten Lithium-Ionen-Akkus. Die Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors lenkt nun das Schlaglicht auf dieses Thema – und warnt davor, es zu verschlafen.
Höhere verpflichtende Recycling-Quote gefordert
Dabei ist die Sache logisch: Je mehr Rohstoffe aus ausrangierten Elektroauto- und anderen Lithium-Ionen-Batterien verwertet und für neue Energiespeicher verwendet werden können, umso weniger müssen diese neu gewonnen werden. Letzteres passiert schließlich oft unter ausbeuterischen Bedingungen und auf sehr umweltschädliche Weise. „Wenn das E-Auto zur Lösung unserer Umweltprobleme beitragen soll, muss das Thema Recycling schleunigst auf die Tagesordnung der Entsorgungsunternehmen, aber vor allem auf die der Politik“, sagt deshalb Andreas Radics, Analyst bei Berylls Strategy Advisors. „Mit Ökostrom betriebene Fabriken und E-Fahrzeuge mögen zwar den CO2-Fußabdruck der Mobilität senken, aber was passiert am Lebensende der E-Mobile?“

Aktuell liegt die Recyclingquote des Batteriematerials Berylls zufolge bei 60 bis 70 Prozent. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie auf mehr als 90 Prozent steigen wird, wenn es keine schärferen, verbindlichen Rückgewinnungsquoten gibt“, sagt Radics. Aktuell schreibt die EU eine Quote bei Lithium-Ionen-Akkus von 50 Prozent vor. Auch deshalb gehöre es zur bitteren Realität, dass sich die Materialrückgewinnung trotz steigender Rohstoffpreise nicht lohne, die Förderung von Lithium oder Kobalt sei derzeit einfach billiger. „Es muss schleunigst eine EU-weit gültige Mindest-Recycling-Quote her, die verhindert, dass wertvolle Materialien unsachgemäß in Ländern der Dritten Welt entsorgt werden“, sagt Radics.
Kein Recycling-Unternehmen in Norwegen
Das Thema drängt umso mehr, da die Zulassungszahlen von Elektroautos in Europa stetig wachsen. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 63.281 Elektroautos und 45.348 Plugin-Hybride neu zugelassen; das entspricht Wachstumsraten von 75,5 beziehungsweise 44,2 Prozent im Vergleich zu 2018. Andere europäische Länder erreichen ähnlich wachsende Quoten. Nur: Die Möglichkeiten, Elektroauto-Akkus zu recyceln, wächst kaum mit. Berylls zählt in ganz Europa lediglich 16 Firmen, die an insgesamt 27 Standorten ansässig sind beziehungsweise Recycling-Betriebe unterhalten. In Deutschland sind es demnach sechs Firmen mit zehn Standorten.

Einige Staaten wie zum Beispiel Italien, Österreich und die Schweiz sind weiße Flächen auf der Landkarte der E-Auto-Recycler. Es gibt dort keine einzige Firma, die zertifiziert ist, Lithium-Ionen-Batterien zu verwerten. „Dass ein in Österreich havarierter Tesla zur Entsorgung nach Deutschland transportiert werden muss, ist heute Realität und inakzeptabel“, sagt Radics. Ähnlich sieht es im eigentlichen Elektro-Vorzeigeland Europas, Norwegen, aus. Nirgends in Europa ist der Anteil der Elektroautos am Gesamtmarkt so hoch wie in dem skandinavischen Land. Aber eine Firma, die deren Altbatterien entsorgt, gibt es dort nicht.
„Noch ist es ein langer Weg zu einem leistungsfähigen Recycler-Netzwerk“, sagt Andreas Radics. „Aber es ist ein Weg, der beschritten werden muss, damit das E-Auto sein grünes Versprechen halten kann.“