Elektro-Autos-Absatz: Können die Europäer Tesla einholen?

Elektro-Auto-Absatz weltweit
Akkumangel bei Audi und Jaguar, Tesla zieht davon

Bei der Elektromobilität waren die Premiummarken lange zurückhaltend, wofür sie teils heftig kritisiert wurden. Man habe den Einstieg in die Elektromobilität schlicht verschlafen, so der Tenor. Die große Anfangsnachfrage nach Audi e-tron und Mercedes EQC beispielsweise schien den Kritikern recht zu geben: Die beiden Marken konnten gar nicht so schnell so viele E-SUV bauen, wie sie offenbar Bestellungen hatten – und bekam dann die Autos nicht schnell genug auf die Straße.

Mercedes EQC, Exterieur
Hans-Dieter Seufert

Den Elektro-Mercedes bremsten diverse Probleme, so dass Daimler schon bei der Fahrpräsentation ankündigte, dass es mit den Auslieferungen erst Anfang 2020 richtig losgehen würde. Bei Audi wollte man ursprünglich noch Ende 2018 liefern, aber der E-Tron hatte Homologationsprobleme mit der Software.

E-SUVs aus Deutschland mit Stolper-Start

2019 konnte der E-SUV aus Ingolstadt dann immerhin 26.400 Käufer finden. Davon 19.500 in Europa und 5.369.in den USA. Dabei dauerte es bis März 2019, bis die Auslieferungen in Europa begannen, die Produktion für die USA ging erst im Frühsommer los. Bis die Autos dann bei den Händlern waren, wurde es praktisch September. Vorher kamen auch die Zulassungszahlen in den USA nicht ins Rollen, denn dort kaufen gut 80 Prozent der Kunden im Laden – da wäre nach Einschätzung aus dem Unternehmen mehr drin gewesen.

China schließlich folgte erst im November. Dorthin wird der E-Tron allerdings exportiert, die lokale Produktion beginnt Ende 2020. Erst dann dürfte das E-Auto dort zu konkurrenzfähigen Preisen zu haben sein; diese werden aber für den Markt im Reich der Mitte vergleichsweise hoch bleiben, was einer bestimmten Klientel dort, die sich gern von der Masse absetzen möchte, nur recht ist. Für das chinesisches Modellangebot und die Stückzahlen wichtiger dürfte hingegen der Q2 L E-Tron mit der der Technik des e-Golf sein, Audis erstes lokal produziertes Elektroauto in China. Dessen Fertigung begann im letzten Quartal 2019.

Zu wenig Batterien für den E-Tron

Laut in der Regel gut informierten Unternehmenskreisen hätte die ermutigende E-Tron-Verkaufs-Bilanz erheblich besser ausfallen können – wenn man bei der Einkaufsplanung für die Batteriezellen weit vor Produktionsstart nicht so zurückhaltend gewesen wäre. So gesehen waren die Verzögerungen wegen der Software wohl nicht wirklich das Problem. Bereits ab Frühjahr sei klar gewesen: Jeder produzierte E-Tron muss zu Kunden, intern war das Modell für kaum einen Audi-Mitarbeiter mehr zu bekommen. Deswegen geht man bei Audi davon aus, dass man 2020 erheblich mehr E-Tron verkaufen wird. Die Hoffnungen bewegen sich zwischen 60.000 und 70.000 Stück, wohl inklusive E-Tron Sportback. Dessen Verbesserungen auch bei der Reichweite flossen direkt in die Produktion des E-Tron Steilheck ein, seine WLTP-Reichweite stieg in der laufenden Serie (ab KW 48 2019) von 411 auf 436 Kilometer.

Audi E-Tron 55 Quattro Advanced, Exterieur
Hans-Dieter Seufert

Dass Audi mit dem E-SUV grundsätzlich auf dem richtigen Weg ist, nennenswerte Absatzzahlen bei E-Autos zu erzielen, zeigt der Vergleich mit BMW. Der i3 , immerhin seit 2013 auf dem Markt, verkaufte sich 2019 weltweit 39.362 mal. Hauptmarkt war Europa mit 31.364 Einheiten (davon 9.140 in Deutschland). Auf den größten Automärkten der Welt fand BMWs Elektroauto hingegen nur wenig Käufer: 1.040 in China und 4.854 den in USA. Dort hat der E-Tron also schon in seinem ersten halben Jahr zehn Prozent mehr Kunden gefunden als der Münchner Karbon-Kleinwagen.

Erreichen die E-Tron-Stückzahlen 2020 tatsächlich das erhoffte Niveau, läge man über Produktionskapazität des Werks in Brüssel bei etwa 50.000 – im derzeit laufenden Einschichtbetrieb. In zwei Schichten wäre der Standort wohl auch für 80.000 Autos gut, mit entsprechenden Sondermaßnahmen sind wohl sogar 100.000 Stück denkbar.

2020 beginnt erneut mit Batteriengpässen

Doch schon der Jahresbeginn machte aus diesen Hoffnungen Wunschträume. Denn Audi musste bekannt geben, dass Schichten im belgischen Werk entfallen. Ursache sei „ein Versorgungsproblem und explizit nicht ein Problem der Nachfrage“, so Audi. Welcher Art die Versorgungsengpässe sind, dazu wollte Audi nichts sagen: „Aktuell startet der Anlauf des e-tron Sportback in Brüssel. Wie immer beim Start eines neuen Modells ist die Anlaufkurve so geplant, dass wir unseren sehr hohen Qualitätsstandards gerecht werden, während wir die Produktion Schritt für Schritt hochfahren. Das bedeutet im Konzept einer atmenden Fabrik auch eine flexible Fahrweise in der Produktion. Im Falle des Audi e-tron und e-tron Sportback in Brüssel handelt es sich um eine komplexe Orchestrierung mit mehr als 300 Lieferanten. Wir passen unsere Fertigung flexibel an, um wirtschaftlich und effizient zu handeln“. Angesichts einer Meldung von Konkurrent Jaguar ist aber klar, dass mit dem Versorgungsproblem bei Audi die Batteriezellen gemeint sind. Denn die sollen aus einem neuen Werk von LG Chem im Breslau kommen. Die Fertigungsstätte der Koreaner scheint aber noch nicht rund zu laufen.

So meldete die „Times“ bereits am 9.2. 2020, dass die Bänder von Magna in Graz, von denen der E-SUV i-Pace rollt, seit 10.2. 2020 für mindestens eine Woche still stehen werden. Wegen fehlender Batterien. Und die bekommt auch das britische Elektroauto aus – genau – dem LG-Werk in Breslau. Jaguar hatte im vergangenen Jahr 17.335 i-Pace verkauft – immerhin mehr als 10 Prozent des Jaguar Gesamtabsatzes (161.601). Das ist auch dringend nötig, um den Flottenverbrauch unter die von der EU verlangten 95g CO2/km zu senken, denn jede Überschreitung kostet Strafen: 95 Euro multipliziert mit der in Europa verkauften Stückzahl. Jaguar Land Rovers Flottenverbrauchswert liegt allerdings bei gut 130 Gramm, weil eine Formel das Limit gewichtsrelativiert und der britische Hersteller eine Modellpalette voller schwerer SUVs hat. Die meisten i-Pace setzte Jaguar auf dem Heimatmarkt (4177), 2995 im E-Auto-Boom-Markt Norwegen (2995) und 2594 in die USA. In Deutschland fand der Viertürer 954 Käufer.

Wie viele E-Autos können die Europäer 2020 bauen?

Angesichts der Batterieknappheit ist fraglich, ob Jaguar und Audi ihre E-Auto-Verkaufszahlen 2020 gegenüber 2019 steigern können. Die hohe Nachfrage speziell nach dem E-Tron wir Audi aber sicher nicht stillen können. Mercedes muss nicht an den Batterien scheitern, denn die Zellen der Schwaben kommen wohl nicht von LG. Allerdings plant Daimler nur mit rund 50.000 EQC – sobald die Anfangsprobleme gelöst sind: Beim EQC hatte Mercedes festgestellt, dass der Bolzen im Vorderachs-Differentialgetriebe nicht der Spezifikation bzgl. der Dauerhaltbarkeit entsprechen könnte. Daimler rief die Autos zur Behebung in die Werkstatt zurück.

So oder so wird der Absatz der Europäer auch 2020 neben den Zahlen des amerikanischen Platzhirsches verblssaen: Tesla hat 2019 rund 368.000 Autos ausgeliefert– alle elektrisch, natürlich. Und die Prognosen für 2020 liegen bei 500.000. Das Siebenfache von Audis Absatzhoffnungen für die E-SUVs E-Tron und E-Tron Sportback 2020.

Tesla deklassiert die Etablierten

Der Absatzturbo von Tesla war das Model 3. Mehr als 302.000 Stück haben die Amerikaner gebaut. Besonders gut funktioniert also bezahlbare Elektromobilität kombiniert mit ausreichender Größe und alltagstauglicher Reichweite. Und davon ist der E-Tron mit einem Einstiegspreis von rund 70.000 Euro (kleinere Batterie) bzw. gut 80.000 Euro deutlich weiter entfernt als das Model 3, dessen Einstiegspreis in den USA bei umgerechnet gut 35.000 Euro liegt.

Bis Audi ein Modell in diesen Preisregionen anbieten kann, wird es 2021 (Audi Q4 E-Tron). Das ist dann zwar eines der beliebten SUVs, aber bis dahin kann Tesla neben dem vergleichsweise günstigen Model 3, dessen Produktion auch in der zweiten Gigafactory nahe Shanghai begonnen hat, zusätzlich das SUV Model Y auf gleicher technischer Basis anbieten. Es wird ziemlich genau im selben Segment antreten wie der Q4 E-Tron und kommt vielleicht noch 2021 auch aus der dritten Gigafactory in Berlin.