Ein TÜV-Siegel bescheinigt das Batterie-Alter
Der Akku ist das Herzstück eines jeden Elektroautos. Wie es um seine Gesundheit und verbliebene Reichweite steht, weiß beim Gebrauchtkauf aber niemand. Das österreichische Start-up Aviloo schafft Abhilfe.
Die Zulassungszahlen von Elektroautos liegen auf nie da gewesenem Niveau. 2021 wurden 355.961 E-Autos neu zugelassen. Fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor und – und damit mehr als ein Achtel der gesamten Neuzulassungen. Mit diesem Wachstum gewinnt auch der Gebrauchtmarkt bei den E-Autos an Bedeutung. Das Problem: Wie soll der Gebrauchtkäufer beim Stromer die Spreu vom Weizen trennen? Denn Elektroautos haben zwar vermeintlich weniger Verschleißteile an Bord, mit den großen Akkus aber auch eine große Unbekannte im Gepäck – die im Ernstfall immense Kosten verursacht.
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Batteriezertifikat ab 49 Euro
Um diese Variable zu beseitigen, arbeitet das Wiener Start-up Aviloo seit 2017 an einer Technik, mit der der sogenannte State of Health (SoH), also der Gesundheitszustand einer Batterie, festgestellt und bewertet werden kann. Seit Mitte dieses Jahres ist der Batteriecheck des 25-köpfigen Teams nun am Markt und ermittelt aktuell ab 49 Euro den SoH von vielen verbreiteten Elektroautos – mit Brief und Siegel vom TÜV Süd oder der Prüforganisation GTÜ. Regulär soll das Zertifikat ab April 99 Euro kosten.
Hier geht’s zum Batterie-Test für gebrauchte E-Autos von Aviloo
Der Ablauf des Aviloo-Tests nach der versandkostenfreien Online-Bestellung ist dabei denkbar einfach: Das Auto vollladen, den Dongle an die Onboard-Diagnose-Schnittstelle (OBD) anstecken, die Messung am Smartphone starten und das Auto binnen 7 Tage leer fahren. Spätestens nach 48 Stunden landet das Ergebnis im Email-Postfach, samt TÜV- oder GTÜ-geprüften Batteriezertifikat.
Aviloo hat für den Batteriecheck einen eigenen OBD-Dongle entwickelt. Der liest die Akku-Daten aus dem CAN-Bus aus und sendet sie über eine eingebaute SIM-Karte in Echtzeit an den Server des Startups . Auf diese Weiße wird auch die Fälschungssicherheit garantiert. Denn in der Zeit des Tests werden alle relevanten Daten haarklein protokolliert, sodass Manipulationen bei der Messung ausgeschlossen werden können.
"Wir glauben, dass solche Tests und Zertifikate enorm wichtig sind, um Elektroautos auch für den Gebrauchtmarkt attraktiv und verlässlich zu machen", erklärt Wolfgang Berger, Gründer und CEO von Aviloo, beim Besuch in einem alten Kia-Showroom, in dem das Start-up sich eingemietet hat. Draußen stehen zwei Container mit weiteren Meetingräumen sowie Klima- und Testprüfständen. Mit ihnen sollen Einflüsse von Temperatur sowie unterschiedlichen Lade- und Entladeströmen auf das Altern der Batterie verschiedener Fahrzeugmodelle erforscht werden. Denn mit dem Elektroauto verhält es sich nicht anders als mit anderen Elektrogeräten wie Smartphones oder Laptops. Im Alter haben sie oft mit Kapazitätsverlusten des Akkus zu kämpfen. Der Unterschied: Während ein Akku bei kleinen E-Geräten meist unter 100 Euro kostet, liegt der Preis für eine Traktionsbatterie im Auto zwischen 10.000 und 30.000 Euro. Das entspricht schnell dem halben Fahrzeugpreis. So wird ein vermeintliches E-Auto-Schnäppchen schnell zum wirtschaftlichen Totalschaden.
Akkus brauchen Pflege
"Meist treten die Defekte bei Lithium-Ionen-Akkus erst mit dem Alter auf", erklärt Nikolaus Mayerhofer, Mitgründer und technischer Leiter bei Aviloo. "Unsachgemäße Handhabung der Akkus beschleunigt das Altern aber enorm."
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Die Spreizung der SoH-Werte am Markt von gleichen Fahrzeugen mit ähnlichen Laufleistungen ist extrem, wie ein Blick in die Datenbank von Aviloo zeigt, die schon viele Hundert Fahrzeuge mit unterschiedlichen Laufleistungen auf ihren SoH hin untersucht haben. So wurden mehrere Renault Kangoo mit rund 90.000 Kilometern vermessen. Wobei zwei einen SoH von rund 70 Prozent hatten, während ein dritter nur noch auf 34 Prozent der ursprünglichen Reichweite kam. Bei zwei Nissan Leaf mit 30-kWh-Akku und rund 60.000 km auf dem Tacho stellten die Wiener SoH-Werte von 78 und 88 Prozent fest, bei einem anderen Leaf mit gerade einmal 34.000 Kilometern lag die Batteriegesundheit dagegen schon bei 81 Prozent. Also nur knapp über den 75 Prozent, die der Hersteller als Mindestkapazität für acht Jahre oder 160.000 Kilometer Laufleistung garantiert, solange es zu keiner Tiefentladung kommt.
Der Renault Kangoo Z.E. 22 zählt zu den frühen Elektroautos. Schon 2011 stellte Renault den Kastenwagen als Stromer vor. Mit betagtem Alter und entsprechender Laufleistung lässt die Batteriegesundheit teilweise stark nach. Aviloo hat teils Fahrzeuge gemessen, deren State of Health (SoH) unter 35 Prozent lag. Von den einstigen 100 Kilometer Reichweite bleiben dann auch nur noch etwas mehr als 30 Kilometer übrig.
"Solche Extreme treten auf, wenn die Fahrer nicht sorgsam mit dem Fahrzeug umgehen", ist sich Mayerhofer sicher. "Wer immer Vollgas fährt, häufig schnelllädt oder den Akku immer auf 100 Prozent lädt und das Auto so stehen lässt oder lange mir sehr niedrigem Akkustand parkt, riskiert ein schnelleres Altern", erklärt der Diplom-Ingenieur. Wenn dann auch noch sehr hohe oder sehr niedrige Temperaturen ins Spiel kommen, sinkt die Kapazität zusehends. Wie viel Kapazität die Batterie noch hat, ist für den Gebrauchtkäufer von außen kaum zu beurteilen.
Ein Zelldefekt sabotiert den ganzen Akku
Das Problem: die vermeintliche Armut an Verschleißteilen bei Elektroautos. Unter genauer Betrachtung stimmt das nämlich nicht. Denn so ein E-Auto-Akku besteht teils aus mehreren Hundert Akku-Zellen, ein Tesla Model S 100P hat sogar über 8000 Zellen an Bord. Diese werden zu Modulen gebündelt und dann zur Batterie zusammengesetzt. Altert auch nur eine Zelle stärker als vorgesehen oder ist defekt, lässt die Leistungsfähigkeit des Moduls und damit der gesamten Batterie nach. Das Ergebnis: Die Reichweite des Autos sinkt. Im schlimmsten Fall führen die Fehler sogar zum Totalausfall oder Brand – wobei Letzteres durch ausgeklügelte Sicherheitssysteme im Batteriemanagement, das jede Zelle einzeln überwacht, quasi nie passiert. Noch immer gehen Verbrennerfahrzeuge prozentual häufiger in Flammen auf als Stromer.
E-Auto-Akku kostet bis zu 30.000 Euro
Wird eine Reparatur nötig, geht es ins Geld. Der 58-kW-Ersatzakku eines VW ID.3 kostet 14.450 Euro, bei einem Audi E-tron 55 mit 95-kWh-Akku sind es sogar 29.000 Euro. Beim BMW i3 sind für den 42-kWh-Akku 24.000 Euro fällig, beim Akku für den Renault Zoe (40 kWh) und den Nissan Leaf (30 kWh) sind es rund 19.000 Euro. Wobei jedes Mal rund 2000 Euro für den Einbau ins Fahrzeug hinzukommen.
In den seltensten Fällen ist es aber nötig, die ganze Batterie zu tauschen. Oft genügt es, wenn die Werkstätten einzelne Module ersetzen. Je nach Fahrzeug und Batterie kosten die Module zwischen 1.000 und 4.000 Euro – Kosten für die Arbeitszeit liegen aber meist auf einem ähnlichen Niveau wie beim kompletten Akkutausch, teilweise sogar darüber, da die ganze oder große Teile der Batterie ausgebaut werden, um an das defekte Modul zu gelangen.
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Am Ende bleibt die Frage, wer die teuren Reparaturen bezahlt. Die Hersteller locken zumindest mit üppigen Garantieversprechen und sagen, wie gut ein Akku noch ist. Spätestens hier wird klar, wie wichtig unabhängige Batteriechecks sind. Denn nicht nur beim Kauf eines gebrauchten Stromers, sondern auch beim Besitz kann es entscheidend für den Wert des Autos sein, wie gesund genau die Batterie ist.
Für Schnäppchenjäger ist das Musik in den Ohren. Wer ohnehin nicht die volle Akkukapazität am Tag benötigt, kann einen niedrigen SoH als Argument bei der Preisverhandlung nutzen. Das drückt nämlich ganz schön den Preis des E-Autos.
Fazit
Der Test von Aviloo macht endlich auch den gebrauchten Stromer attraktiv. Denn wer Gewissheit über den Gesundheitszustand des Akkus hat, kann auch mit gutem Gewissen in die Preisverhandlungen beim Gebrauchtkauf gehen, ohne die Sorge, die Katze im Sack zu kaufen – und zu verkaufen. Denn die Gefahr von Rost, übermäßiger Abnutzung oder anderen Widrigkeiten, die der Kauf eines gebrauchten Autos immer bereit halten kann, gelten bei Elektroautos genauso wie die bei Verbrennern. Es ist daher zu hoffen, dass bald viele Händler und private Verkäufer neben dem letzten Preis auch den SoH des Akkus nennen können.
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