ActaJet: Sauberes Radar dank piezoelektrischem Blasebalg

Sensorreinigungs-System ActaJet
Sauberes Radar dank piezoelektrischem Blasebalg

Wer häufig mit modernen Autos unterwegs, kennt Warnungen wie: "Achtung, Abstandsradar/Totwinkelassistent nicht aktiv, Kamera/Radar verschmutzt!". Denn korrekte Daten von Kameras, Infrarot-Kameras und Lidar-Systemen (light detection and ranging – optische Abstands- und Geschwindigkeites-Messung) sind die Voraussetzung für ein einwandfreies Funktionieren der Assistenzsysteme, die bereits teilautonomes Fahren ermöglichen. Später soll damit sogar einmal vollautonomes Fahren nach der höchsten Autonomiestufe Level 5 möglich sein. Verschmutzte Sensoren sind eines der eher banalen Probleme auf dem Weg zum vollautonomen Fahren. Aber je simpler das Problem, desto anspruchsvoller ist zuweilen eine zuverlässige Lösung. Das US-Start-up Actasys hat jetzt mit ActaJet ein System zur effizienten Sensorreinigung entwickelt.

Punktgenauer Luftstrahl

Actasys sitzt im New Yorker Stadtteil Brooklyn, sein Chef Miles Flamenbaum ist während der Entwicklungsarbeiten auch viel zwischen den deutschen Autometropolen München und Stuttgart unterwegs gewesen. Er ist mit der Bahn gependelt und freut sich im Gespräch mit uns riesig darüber, wie gut und wie schnell die Verbindung funktioniert – das sei viel besser als das US-Eisenbahnsystem. Aus deutscher Sicht mag man da hoffen, dass er mit der Zuverlässigkeit der Bahn bei seinem System nicht zufrieden wäre.

Flamenbaum macht aktuell das von Actasys entwickelte Sensorreinigungssystem ActaJet bekannt, dessen Grundprinzip auf einem kräftigen Luftdruck-Strahl basiert. Haften zu viele Regentropfen auf einem Sensor, bläst der Reiniger diese über seine Luftdruck-Düsen weg. Wenn Schnee und Eis auf dem Sensor sitzen, setzt Actasys über dieselbe Düse heiße Luft ein und wenn Matsch und Schlamm den Blick des Sensors trüben, ist der Druckluft Wasser beigemischt.

Actasys ActaJet Sensorreinigung
Actasys

Piezoelektrischer Blasebalg

Technische Basis des Actasys-Reinigungssystem ist eine Aktuatorkartusche, die in diesem Fall aus einem piezoelektrisch angetriebenem Blasebalg besteht. Dank des hochfrequenten Ansaugen und Ausstoßens von Luft erzeugt er einen kräftigen und konstant wirkenden Luftstrom – Rotationslüfter oder Pumpen sind nicht nötig. Der scheibenförmige Blasebalg ist nur wenige Millimeter dick und im Durchmesser etwas kleiner als eine klassische CD. Erkennt der Sensor eine Verschmutzung, setzt dies den Blasebalg in Gang. Bisher demonstriert Actasys die Prototypen seiner Blasebälge ausschließlich mit der Druckluft-Funktion – an der Lösung mit Wassereinspritzung tüfteln die Entwickler noch. Flamenbaum schildert das dabei auftretende Problem: Wenn das Wasser über herkömmliche Scheibenwischer-Düsen auf die Sensoren gelangt, beträgt der Wasserverbrauch an einem Tag mit viel Gischt und Schmutz zirka 20 Liter. Da dann im Auto große und trotzdem oft nachzufüllende Tanks untergebracht sein müssten, wäre diese Lösung für den Alltag unpraktisch. Mit seinen piezoelektrisch Blasebälgen kann er das Wasser aber sehr viel feiner verteilen als mit Scheibenwischer-Düsen, was den Wasserverbrauch erheblich senkt, freut sich Flamenbaum. Wie viel Wasser er so pro Tag braucht, wie er das Wasser bevorraten und zu den Düsen transportieren möchte, das sei noch in der Entwicklung, weshalb Flamenbaum dazu noch keine Details verrät.

Sponsored
Actasys ActaJet Sensorreinigung
Actasys

Sauberkeits-Erkennung

In ersten Labor-Demonstrationen der Druckluft-Funktion funktioniert die ActaJet-Reinigung bereits gut: Punktgenau blasen die Düsen unter geringer Geräuschentwicklung die Sensorflächen frei. Dabei fällt auf, dass Regentropfen zwar sämtliche Sensoren negativ beeinflussen, aber insbesondere die Infrarotkamera kaum noch verwertbare Bilder darstellt. Zudem haben die Spezialisten ein Verfahren entwickelt, mit dem sie herausfinden, wann die Sensoren wieder sauber sind – dies galt als eine der größeren Herausforderungen.

Actasys ActaJet Sensorreinigung
Actasys

Autohersteller und Investoren beteiligt

Actasys schätzt das Marktvolumen für Sensorreinigungssysteme bis 2030 auf etwa 80 Milliarden Dollar (aktuell umgerechnet zirka 71 Milliarden Euro), allein 630 Millionen Lidar-Systeme sollen bis zu diesem Zeitpunkt verkauft werden. Nach eigenen Angaben arbeitet das Start-up bereits mit großen Autoherstellern zusammen – zu den Investoren gehört unter anderem der Volvo Cars Tech Fund. Außerdem sollen Hauptbaugruppen-Zulieferer (Tier-1/Ebene-1) und die auf intelligente Mobilität spezialisierte israelische Risikokapitalgesellschaft Next Gear Ventures mit von der Partie sein. Im nächsten Schritt möchte Actasys die Steuerungssysteme seiner ActaJet-Reinigung weiter verfeinern, indem diese beispielsweise Daten zu Wetterbedingungen und zur Flottennutzung mit einbeziehen. Ein konkretes Marktstartdatum gibt Actasys allerdings noch nicht bekannt.