Spulen wir mal kurz zurück in die jungen 2000er-Jahre. Da sind im Autouniversum kompakte Vans schwer angesagt – SUV kommen erst langsam in Mode. Diese Vans punkten erstaunlicherweise viel weniger mit klugen Allradsystemen als mit wuchtigen Formen und Hoch-oben-Gefühl. Manch einer spricht sogar vom Thronen, bequemer Einstieg inklusive.
Bei VW legt man sich erst mal – wie so oft – auf die Lauer und beobachtet analytisch, ob es bei dem SUV-Trend groß was zu holen gibt. Sollen doch andere Marken vorpreschen, zumal man gerade erst erfolgreich den Touran ins Rennen geschickt hat. Kurzfristig ließe sich, wenn überhaupt, nur ein bequemerer Golf startklar machen – einen, der das Hochsitzen draufhat.
Ob es sich so in Wolfsburg abgespielt hat? Wer weiß. Fakt ist: Der bequemere Golf kommt 2004 auf den Markt, basiert technisch auf der fünften Genera- tion des kompakten Klassenprimus und trägt sein Dach 14 Zentimeter höher als das Original. Das steigert nicht nur das Raumgefühl, sondern auch die Freude am Ein- und Aussteigen, die Sitze im Golf Plus sind höher angeordnet als bei der normalen Version. Längs verschiebbare Rücksitze erhöhen zudem die Variabilität.

„Klingt jetzt so, als wäre der Golf Plus eine Mogelpackung“, unterbricht Meister Wünsch die üppige Einleitung. Ist er nicht – im Gegenteil: Er kombiniert äußerst clever die Sehnsüchte einer alternden Gesellschaft und nutzt dazu die Basis eines gefragten Fahrzeugtyps.
„Und wo ist das Aber?“, stichelt Meister Wünsch. Dieses Aber versteckt sich in seiner Verpackung: Neben einem Tiguan sieht ein Golf Plus nämlich ungefähr so lecker aus wie ein Stück Knäckebrot zwischen frisch gebackenen Brötchen. Schaut man jedoch genauer hin, bieten beide Modelle einen bequemen Zustieg sowie eine erhabene Sitzposition. Klar, der Allrad- antrieb zählt beim Tiguan zu den tollen Optionen, geordert wird er aber eher selten.
Die Mängel des Golf Plus
„In unserer Kundschaft fahren vor allem ältere Semester einen Golf Plus“, erzählt Meister Wünsch – und fügt hinzu: „Dadurch befinden sich die Fahrzeuge oft in einem sehr gepflegten Zustand. Dennoch hat auch dieses Modell seine Problemzonen: Gelegentlich brechen die Fahrwerksfedern, korrodieren die Bremsscheiben der Hinterachse so stark, dass man sie nicht mehr freigebremst bekommt. Bei den Turbomotoren kann die Ladedruckregelung fehlerhaft arbeiten, wodurch die Motorkontroll-Leuchte anspringt und der Wagen in den Notlauf schaltet. Nicht selten muss dann der Abgasturbolader getauscht werden – es gibt sogar schon spezielle Reparatursätze, die bei 393 Euro netto liegen, plus Einbaukosten.“ Meister Wünsch zeigt auf den 1.4- TSI-Motor: „An und für sich ein moderner Benziner, allerdings sollte man bei den Baujahren 2008 bis 2011 Vorsicht walten lassen, hier wurden mangelhafte Steuerketten verbaut, die sich längen und zu einem kapitalen Motorschaden führen können. Mittlerweile gibt’s aber auch dafür ein Reparatur-Set, das idealerweise hier schon verbaut wurde.“
Der Rest der Technik? Zwischen Baujahr 2006 und 2008 können defekte Zündschlösser nerven, bei Fahrzeugen aus 2012 fällt gern mal das Reifendruckkontrollsystem aus. Wer mit dem schnellen Doppelkupplungsgetriebe liebäugelt, sollte wissen, dass es ebenfalls einem gewissen Verschleiß unterliegt und jenseits der 150 000 Kilometer gern ruppig die Gänge wechselt. Günstig wird die Reparatur leider nicht.

Acht Rückrufe gab es für den Golf Plus – der letzte betrifft die schummelnden 1,6- und 2,0-Liter- Dieselmotoren der EA-189-Familie.
„Genug ausgekramt, schauen wir uns diesen Golf Plus doch endlich mal von unten an“, ruft Meister Wünsch und rollt den VW auf die Hebebühne. Kurz darauf zückt er die Taschenlampe und beleuchtet die Bremsscheiben: „Vorn sind sie einwandfrei, hinten leicht verrostet. Typisch. Was dagegen hilft? Ab und zu stark in die Eisen steigen, damit die hinteren Sättel kräftig zubeißen und die Scheiben schön blank werden.“

Als Nächstes schaut sich Meister Wünsch die Vorderachse an (tadellos in Ordnung), checkt den Antrieb auf Ölspuren (trocken), die Achsmanschetten auf Risse (haben keine) und den Kühler auf Beschädigungen (nix Wildes). „Die Abgasanlage schafft noch ein paar Jahre ohne Löcher, und die Kraftstoff- und Bremsleitungen werden den TÜV- Prüfer erfreuen. Was mir weniger gefällt, sind diese Bläschen. “ Meister Wünsch zeigt auf den Kotflügel der Fahrerseite, dessen schwarzer Lack sich an der Kante zum Radhaus ganz leicht vom Blech abdrückt. „Hier rostet der Kotflügel, garantiert eine Nachlackierung, bei der der Untergrund nicht sauber war. Das kann schnell behoben werden – kostet rund 400 Euro.“
Ist der bequeme Golf teurer als das Original?
In den gängigen Gebrauchtwagenbörsen werden sieben Jahre alte Golf Plus mit 1.4-TSI-Herzen und 80.000 Kilometern ab 8.500 Euro angeboten – damit sind sie kaum teurer als vergleichbare konventionelle Golf-Modelle.