"Fly me to the moon" sang der unvergessene Frank Sinatra im Jahr 1964. Gut möglich, dass dieser Song dem braven Pentastar V6 durch die Zylinderköpfe ging, kurz bevor er in einer zweifellos bemerkenswerten Explosion sein Innerstes nach außen kehrte. Zwei seiner Kolben hatten jedenfalls mit Warp-Speed das Weite gesucht und auf dem Weg ans Licht auch noch ein paar andere Kumpels aus dem Antriebsstrang mitgenommen.

Das ganze geschah zwar im fernen Florida, doch in der heutigen Zeit bleibt eine so kuriose Komplettkatastrophe natürlich nicht geheim, sondern umrundet sogleich in den sozialen Medien den Globus. Aufgebracht hat das kleine Malheur der Mechaniker Tony Tuten, Inhaber einer Kfz-Werkstatt, der hörbar amüsiert das Fiasko in einem Video auf der Plattform TikTok verewigte. Die Bestandsaufnahme vor der anstehenden Reparatur entlockte ihm als Schlusssatz das unmissverständliche "Oh yeah, that’s fucked up!", gefolgt von gemeinem Gekicher.
Explosion im Pentastar-V6
Was war passiert? Der Besitzer des flammneuen Jeep Wrangler Unlimited Rubicon wollte laut Tuten sein neues Spielzeug mit in den Urlaub nehmen. Wie in den USA nicht unüblich im Schlepptau eines großen Wohnmobils. Und zwar nicht auf einem Anhänger, sondern als Nachläufer auf eigenen Rädern. So weit, so gewöhnlich, "flat towing" nennen sie das in den Staaten, eine vieltausendfach gewohnte Praxis von Campingfreunden.
Youtube-Video von Tony Tuten
Allerdings gibt es gewisse Spielregeln, wenn man sein Auto zum Anhängsel umfunktioniert. Die naheliegend wichtigste Regel ist es, entsprechenden Freilauf für die Antriebsachse(n) herzustellen, damit die Fuhre auch easy hinterher rollt. Und genau daran soll es laut Tuten gehapert haben. Wie er dem US-Onlinemagazin "The Drive" berichtete, fand er im Jeep den Hebel des Verteilergetriebes auf "4 Low". Das ist nicht gut.
Hier muss man für Menschen, die mit Geländewagentechnik nicht ganz so bewandert sind, etwas ausholen, alle anderen dürfen im nächsten Absatz weiterlesen: Bei Offroadern mit zweistufigem Verteilergetriebe wie dem Jeep Wrangler lässt sich eine Geländeuntersetzung aktivieren. Diese überträgt im niedrigen Geländegang die vom Hauptgetriebe abgelieferte Antriebskraft um den jeweils fixen Übersetzungswert, meist um den Faktor 2,5 herum. Dadurch wird das an die Räder gelieferte Drehmoment um eben diesen Faktor vervielfacht, während sich das Tempo bei gleicher Drehzahl um denselben Faktor reduziert. Im Grunde eine Gangschaltung nach der Gangschaltung mit gleichem Effekt. Sinn der Übung: Mit maximaler Kraft und minimaler Geschwindigkeit in schwierigen Geländesituationen sicher manövrieren zu können.
Ausgerechnet der Rubicon...
Nun handelte es sich allerdings, wir erinnern uns, um einen Jeep Wrangler Rubicon, der ab Werk speziell für schwerstes Gelände vorbereitet ist. Das bedeutet: Die Geländeuntersetzung liegt bei einem fetzigen Faktor von 4:1, die Achsen sind extrakurz (4,01:1) übersetzt. Was also überhaupt nicht gut ist: Den Wagen mit eingelegtem ersten Gang und aktivierter Geländeuntersetzung als Anhänger hinter einem Wohnmobil durch die Landschaft zu zerren. Doch genau diese Konfiguration – erster Gang, Untersetzung – fand Mechaniker Tony Tuten laut eigener Aussage vor, als er das Opfer zu Gesicht bekam.
Mit ein bisschen herumgerechne – gefahrenes Tempo von geschätzt 90 km/h auf dem Highway, Achsübersetzung, Getriebe- und Verteilergetriebe-Übersetzung, Radumfang – kam Tuten auf die in der Überschrift genannten 50.000 Umdrehungen pro Minute, die dem 3,6-Liter-V6 aufgebürdet wurden. Das wäre nicht nur geringfügig über der freigegebenen Maximaldrehzahl der Maschine (6.400 U/min), sondern ganz allgemein für einen Hubkolbenmotor sehr, sehr ungesund.
Was ist wirklich passiert?
Der Hersteller gibt für den Fall des "flat towing", also dem Anhängebetrieb auf eigener Achse, ausdrücklich vor, das Verteilergetriebe auf "Neutral" (Leerlauf) zu stellen. Was hier nun tatsächlich passiert ist, lässt sich schwer reproduzieren. Aus technischer Sicht erscheint mir die Angabe von Tuten, der Besitzer habe den Jeep Wrangler im geschalteten ersten Gang abgeschleppt, nicht vollkommen unmöglich, aber einigermaßen unwahrscheinlich.
Der Jeep Wrangler Rubicon V6 mit Schaltgetriebe erreicht in der geschalteten Untersetzung im ersten Gang ein Endübersetzungs-Verhältnis von 84,1:1. Den schleppt man in dieser Einstellung nicht einfach lustig von der Stelle, sondern nur mit breiten schwarzen Streifen der blockierenden Räder. Um das zu ignorieren, müsste man erstens ein ausgemachter Grobmotoriker mit Gehörschaden sein und hätte zweitens in kurzer Zeit nicht mehr viel Gummi auf der Felge. Die Reifen sehen auf dem Video allerdings noch recht proper aus.

Wahrscheinlicher könnte (möglicherweise) sein, dass statt des Verteilergetriebes das Hauptgetriebe im Leerlauf stand (generell eine schlechte Idee, weil dann die Kardanwellen weiterhin das Verteilergetriebe antreiben) und während der Fahrt, warum auch immer, plötzlich ein Gang eingelegt wurde.
Was auch immer mit diesem Jeep Wrangler Rubicon tatsächlich passierte, das Ergebnis ist in jedem Fall spektakulär und endgültig. Die Kurbelwelle ist in Höhe der letzten Zylinderreihe verlustig gegangen, Kolben und Pleuel haben auf dem Weg nach draußen logischerweise die Ölwanne gleich mitgenommen und bei der Gelegenheit auch noch das Kupplungsgehäuse vaporisiert, die Getriebewelle abgeschert und den Kat zerstört. Immerhin: Nun hat man von der Straßenseite aus freien Blick auf die Ventile, das ist ja auch was.
Ungewöhnlich erscheint die völlig saubere Unterseite (nebst der Restbestände des V6) des Jeeps im Video. Der 3,6-Liter-V6 hat einen Ölvorrat von 5,6 Liter in der Wanne, die bei einer solchen Explosion nicht nur die Straße schmieren würden, sondern auch den Rest des Autos von unten, ganzflächig. Rein spekulativ könnte dieses Schadensbild auch bei einem Wasserschlag auftreten (wenn der Motor unter hoher Drehzahl bei einer zu tiefen Wasserdurchfahrt eben unkomprimierbares Wasser ansaugt statt Luft), was in einem TikTok-Video aber natürlich erheblich langweiliger rüberkäme als die Geschichte mit den 50.000 Umdrehungen/Minute.
Wie auch immer: Auf rund 30.000 Dollar hat Tuten den Schaden in einer ersten Bestandsaufnahme geschätzt. Reine Materialkosten. An dieser Stelle unser tief empfundenes Mitgefühl an den Besitzer dieses Wrangler. Und für alle, denen die Bilder vom gemeuchelten Sechszylinder so nahe gehen wie uns, haben wir noch ein Entspannungsvideo, ganz meditativ: Die Herstellung des getöteten 3,6-Liter Pentastar V6 in der Mack Engine Plant in Detroit, ganz im Stil der "Sendung mit der Maus". Gute Unterhaltung!