Die heftigste Version des Ford Bronco ist der für Baja-Rennen gedachte Bronco DR mit V8-Motor – aber von dem hat Ford gerade mal 50 Exemplare gebaut. Ebenfalls für Wüstenrennen gedacht, aber straßenzugelassen und in unlimitierter Stückzahl im US-Angebot ist der Bronco Raptor. Wir sind den großen kräftigen Geländewagen in Dearborn nahe der Stadtgrenze zu Detroit gefahren.
Optisch unterscheidet sich der Bronco Raptor vom Basis-Bronco in unserem Fall schon mal durch die großen Raptor-Schriftzüge auf den hinteren Kotflügeln. Außerdem gibt es eine mit Luftöffnungen versehener Motorhaube und eine breitere Spur, für die wiederum dickere Kotflügel vorn und hinten nötig sind. In den verbreiterten Radhäusern sitzen monströs wirkende 37-Zoll-BFGoodrich-All-Terrain-K02-Reifen – und ein ausgewachsenes Reserverad ziert das Heck.
Steuern vom Hochsitz
Der Einstieg in den Raptor ist ein Schritt nach oben – und der Ausblick von oben bietet dann eine phänomenale Übersicht. Egal ob Straßenverkehr oder Gelände: Von hier haben die Insassen alles bestens im Blick – auch das Auto. Die Karosserie des Bronco ist so glattflächig, dass die Fahrzeugecken jederzeit gut sichtbar sind. Zumal an den vorderen Kotflügelkanten die Langloch-Ösen für die Drahtseile sitzen, die zum oberen Ende der A-Säulen gespannt sind, um die Frontscheibe in bewaldetem Gebiet vor Zweigen und Ästen schützen.

Vorn gibt es viel Platz und eine sehr breite Mittelkonsole, die das Gefühl von viel Platz noch verstärkt – das Raumgefühl des Menschen soll ja zu den Seiten deutlich empfindlicher sein als nach vorn und hinten. Die Oberflächen sind abwaschbar und viel hochwertiger verarbeitet als man es bei einem harten Geländewagen erwartet. Auch der Multimedia-Touchscreen in der Mittelkonsole wirkt wie bei einem normalen Pkw – wären da nicht die Anzeigen für die verschiedenen Gelände-Modi wie Baja-Rennen, Schlammfahrten oder Felsenkriechen mit Untersetzung.
Top-Fahrwerk
Unser kurzer Ausflug führt uns zum Glück über von Baustellen heftig angefressene Straßen. Die Stufen, Kanten und sandigen Schlaglöcher dort spüren die Insassen kaum. Die am dreifach verstellbaren Fahrwerk mit seinen Fox-Live-Valve-3.1-Dämpfern (die hinteren mit externen Reservoirs) aufgehängten Räder poltern zwar in der Normal-Einstellung ordentlich, aber dafür schluckt das Fahrwerk auch Asphaltverbrechen, die "normale" Autos eher umkurven sollten. Der vordere Federweg beträgt 33, der hintere 35,5 Zentimeter und die Bodenfreiheit ist mit 33,27 Zentimeter angegeben – wir müssten eigentlich einfach von der Straße runter und ungehemmt durchs Gelände pflügen.
Heute ist das leider nicht vorgesehen – also weiter mit ein bisschen Theorie. Für die Raptor-Variante haben die Ingenieure im Vergleich zu den Basisversionen die meisten Aufhängungskomponenten verstärkt. Ein verstärkter Vorderrahmen und Zusatzstreben am Heck sollen die Steifigkeit um satte 50 Prozent erhöhen. Von unseren Baustellen-Asphaltfetzen ist das auf harte Geländerennen ausgelegte Chassis unterfordert – es verwindet sich gefühlt genauso viel wie ein Teller aus Porzellan. Fun Fact: Da das Reserverad über 45 Kilogramm wiegt, ist beim Raptor auch dessen Aufhängung verstärkt – damit es beim Geländespringen nicht abfetzt und eigene Wege rollt.
Schnelle Kurven nimmt der hohe Geländesportler gekonnt mit wenig Wanken, wobei die recht direkt ansprechende Lenkung präzise ist und nur mäßiges Spiel in der Mittellage aufweist. Beim kräftigen Bremsen nickt die Fuhre dann zwar vorn gehörig ein, aber daran gewöhnen sich die Insassen. Bei der Kombination aus Fahrwerk, Lenkung und Bremsen haben die Ingenieure den Spagat geschafft: Die auf ernsthafte Offroad-Rennen ausgelegte Technik funktioniert auf der Straße richtig gut – und das selbst auf einer langen Reise.
Mit Sechszylinder-Turbomotor
Als Motor sitzt beim Bronco Raptor ein mit zwei Turbos geladener 3,0-Liter-V6 mit 424 PS – sein maximales Drehmoment beträgt 597 Newtonmeter. Viele Fans hatten sich einen V8 gewünscht – aber der wirkt selbst in den USA immer öfter so prähistorisch wie die Modellbezeichnung des starken Offroaders. Und stark ist der Bronco Raptor: Der Sechszylinder klingt nicht nur knurrig leistungswillig – er liefert auch: Im Baja-Modus bolzt der 2,6-Tonnen-Geländebrocken in 5,6 Sekunden auf 97 km/h (60 Meilen pro Stunde).
Wer dabei lieber mit seinem personalisierten Fahrmodus fährt, drückt die R-Taste am Lenkrad. Und wer möchte, bedient die Zehngang-Automatik mit den serienmäßigen Magnesium-Schaltpaddles, was gefühlt den Drehmoment-Fluss nicht unterbricht. Im Automatikmodus ruckelt die Schaltung allerdings ab und zu kräftig, was der Endrohrsound mit ein bisschen Stottern begleitet. Beim Spritkonsum kann sich der Bronco Raptor dann kaum zurückhalten: 15,7 Liter Super soll er im Schnitt schlucken – bei Geländerennen dürfte er sich ein Vielfaches davon genehmigen.
Nicht nur deshalb könnte perspektivisch selbst der V6 aussterben: Der 3,0-Liter passt mit seiner Leistung und seiner unnachgiebigen Drehmoment-Entfaltung zwar gut zum Bronco Raptor – aber ein paar Minuten vorher sind wir den rein elektrisch angetriebenen Ford F-150 Lightning gefahren. Der Elektro-Pick-up kennt kein Ruckeln, keinen Stottersound, keine langwierigen Regelungen – viel ruhiger, gleichmäßiger und deutlich feiner dosierbar fährt der Pick-up mit seinen beiden Elektromotoren. Wer diesen direkten Vergleich hat, stellt fest: Abgesehen vom Energie-Tanken in entlegenen Gegenden ist ein rein elektrischer Antriebsstrang einem Verbrennungsmotor-Antrieb im Gelände weit überlegen.
Im Konkurrenzumfeld vorn
Als direkte Konkurrenten kommen für den Bronco Raptor der Jeep Wrangler Rubicon 392 und der F-150 Raptor R aus eigenem Hause in Frage. Der Jeep ist mit einem bei Traditionalisten beliebten 477 PS leistenden 6.4-Liter-V8-Hemi unterwegs – er spurtet in 4,5 Sekunden auf 97 km/h. Aber US-Tester, die den Bronco schon durch hartes Gelände gejagt haben, meinen, dass dessen Fox-Dämpfer auch noch Schläge sanft wegschlucken, die den Wrangler in die Stratosphäre katapultieren würden. Außerdem bietet der Jeep schon aufgrund seiner mit 35 Zoll etwas kleineren Rädern eine um neun Zentimeter niedrigere Bodenfreiheit. Der F-150 Raptor ist als Pick-up nutzfahrzeugmäßiger als der Bronco – und in der R-Version mit 700 PS aus einem 5,2-Liter-V8 erheblich stärker. Wegen seiner größeren Länge ist er allerdings weniger wendig und trotz seiner 37-Zoll-Räder auch etwas weniger geländegängig.

Wer mag, kann noch den Mercedes G 500 dazunehmen – der deutsche Gelände-Titan ist mit einem 480 PS starken V8 gerüstet, spurtet in 5,9 Sekunden auf 100 km/h, er hat aber auch aufgrund seiner kleineren Räder eine um elf Zentimeter niedrigere Bodenfreiheit. Und er kostet mindestens 130.204 Euro, was ihn preislich aus dem Konkurrenz-Umfeld nach oben rausschießt. Der F-150 Raptor R dürfte demnächst auf den Markt kommen – Preise gibt es noch nicht. Für einen F-150 Raptor möchte Ford 76.775 Dollar haben (in Euro ist der Betrag aktuell fast gleich), hinzu kommen die je nach US-Bundesstaat unterschiedlich hohen Steuern. Der Jeep Wrangler Rubicon 392 ist mit mindestens 84.290 Dollar (ebenfalls US-netto) teurer. Der Bronco Raptor geht bei einem US-Nettopreis in Höhe von 68.500 Dollar los – und ist damit ganz klar preislich das mit Abstand beste Angebot.