Ich arbeite in unserem Lotus Tech Innovation Center bei Frankfurt zusammen mit rund 150 Ingenieuren. Dort bin ich für die Anpassung unserer Fahrzeuge an den europäischen und britischen Markt zuständig. Dazu haben wir einige globale Kompetenzen für die Bauteile in unseren Autos, für die die Anforderungen und Kundenerwartungen hier in Europa am höchsten sind.
Unter anderem wären das Komponenten und Abstimmungen, die die Fahrdynamik betreffen. Das sind Entwicklungen. Das wäre von China aus unmöglich, weil dort die Anforderungen und Bedingungen ganz andere sind. Dazu sind wir auch für technologische Innovationen auf dem Gebiet der Fahrzeugdynamik zuständig. Ich bin dafür verantwortlich, Eletre und Emeya so auf den europäischen Markt zu bringen, wie es unsere Kunden von uns erwarten.
Letztes Jahr haben wir den Eletre auf den Markt gebraucht, um die Marke Lotus im populären SUV-Markt so vielen Kunden wie möglich näherzubringen. Mit dem Emeya sind wir noch näher am Kern der Marke Lotus. Er ist ein GT, ein echter Grand Tourer, den wir aber auch auf unzähligen Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings abgestimmt haben. Dort entwickelt man Fahrbarkeit, Dynamik und Qualität. Wir wollten ihn etwas dynamischer gestalten, er ist optimal auf den Fahrer zugeschnitten. Gleichzeitig ist er ein GT mit großem Raumangebot. Unser Ziel bei der Entwicklung war, eine bestmögliche Kombination von Fahrspaß, Komfort und Langstreckentauglichkeit zu erzielen. Bei einem Elektrofahrzeug gehört dazu natürlich auch eine große Reichweite und möglichst schnelles Laden.
Als wir die Plattform entwickelt haben, war es von vornherein geplant, unterschiedliche Konzepte abzubilden. Die Proportionen sind leicht unterschiedlich; der Emeya verfügt über einen längeren Radstand als der Eletre. Das gibt uns mehr Bauraum für die Batterie, die so flacher verbaut werden konnte als jene im Eletre. Dieser Aufbau hat uns eine flachere, sportlichere Dachlinie ermöglicht.
Die Zellen beim Emeya sind eine Neukonstruktion, sie sind flacher als die beim Eletre. Zudem haben wir eine neue Kühlungsstrategie. Anders als bei den meisten Elektroautos, auch dem Eletre, sind die Zellen nicht auf einer Kühlplattform montiert. Stattdessen sind die Kühlflächen hier vertikal zwischen den Zellen angeordnet, um die Kühlleistung und die Höhe des Batteriepacks zu optimieren. Der große Radstand des Emeya gibt uns den Platz, den wir dafür benötigen.
Durch das hervorragende Thermo-Management haben wir zudem exzellente Lade- und Entladeleistungen, das hilft beim schnellen Fahren ebenso wie beim schnellen Laden.
Natürlich hat der Emeya weniger Bodenfreiheit. Außerdem haben wir an der Vorderachse die Anlenkpunkte verändert und an der Hinterachse den Hilfsrahmen angepasst. Doch die Komponenten sind im Wesentlichen die gleichen: rundum Zweikammer-Luftfedern und Adaptivdämpfer. Zudem gibts beim S als Option und beim R serienmäßig das Dynamikpaket mit 48V-Technik, Wankausgleich und Hinterachslenkung. Die Bremsanlagen sind Übernahmen aus dem Eletre.
Genau, bei Emeya und Emeya S haben wir jeweils zwei 225 kW-Triebwerke, beim R kommt hinten ebenso wie beim Eletre R ein kraftvollerer E-Motor sowie ein Zweigang-Getriebe zum Einsatz, sodass wir insgesamt auf 675 kW kommen.
In der Tat. Bei uns ist der erste Gang sehr kurz übersetzt, so, dass wir im unteren Bereich mehr Drehmoment für bessere Beschleunigung zur Verfügung haben. Der längere zweite Gang dient als Fahrgang für lange Autobahnfahrten bei mittleren und hohen Geschwindigkeiten.
Bei Lotus stand schon immer das Fahrerlebnis im Fokus. Wenn du als Fahrer eine Eingabe machst, etwa über die Lenkung, das Gas oder auch die Bremse, erwartest du eine Reaktion des Autos. Und du willst, dass dieses Feedback des Autos deinen Erwartungen entspricht, dass du spürst, wie das Auto reagiert. Das ist eine der Eigenschaften, die aus dem Emeya einen echten Lotus machen. Und wir haben versucht, die Federelemente nicht unnötig hart abzustimmen. Die Verbindung von hoher Dynamik und herausragendem Komfort, auch das ist typisch Lotus. Doch auch andere Eigenschaften gehören dazu, etwa die Aerodynamik mit aktiven Elementen, wie dem adaptiven Heckflügel oder dem aktiven Grill und Heckdiffusor. Lotus zählte ja im Motorsport zu den Aerodynamik-Pionieren, etwa mit der Einführung des Ground Effect in der Formel 1 vor über 45 Jahren.
Die Produktion in China ist in vollem Gange. Dort haben auch bereits die Auslieferungen begonnen. Die ersten für Europa gebauten Autos sind bereits unterwegs, im Juli 2024 sollten sie bei den Händlern stehen.
Vita

Sylvain Verstraeten ist Regional Vehicle Line Director von Emeya und Eletre. Zuvor hatte er verschiedene Managementpositionen bei Lotus inne, sowohl in Hethel als auch in Frankfurt, im Zusammenhang mit der Entwicklung und Erprobung von Fahrzeugeigenschaften. Er verfügt über umfassende Erfahrung in der Entwicklung von Elektrofahrzeugen und leitete Pionierprojekte bei Aston Martin und Toyota. Sylvain und sein Team haben die dynamische und technologische Entwicklung von Emeya vorangetrieben und zuvor die weltweit anerkannte dynamische Leistung des Lotus Eletre erzielt. Sylvain arbeitet im Lotus Technology Innovation Centre in Raunheim, Deutschland.