Als Ferdinand Karl Piëch 1997 im Shinkansen einen 18-Zylinder-Motor auf die Rückseite eines Briefumschlages skizziert, ist er seit vier Jahren Vorstandschef der Volkswagen AG, Europas größtem Autokonzern. Einen solch großen Motor braucht im Konzern jedoch niemand, Audi als teuerste Marke im Konzern hat maximal einen V8 im Portfolio. Bentley, Lamborghini und erst recht Porsche kommen erst später dazu. Und Bugatti?
Der Zufall hilft

Piëch denkt zunächst an Bentley und Rolls-Royce. Im Osterurlaub 1998 erfährt er, dass BMW die Rechte für beide Marken erhält. Sein Sohn Gregor ertrotzt sich in einem Souvenierladen das Modell eines Bugatti 57SC. Piëch kauft für sich ein zweites und schreibt später in seiner Auto-Biografie: "Ein drolliger Fingerzeig". Das Modell bringt er zur Vorstandssitzung mit und bittet, die Rechte an der Marke Bugatti zu klären und, wenn möglich, zu kaufen. Die Verträge werden noch im selben Jahr unterschrieben.
Erster Neustart 1991 – nicht von VW

Den meisten Autofahrern ist die Marke bis dahin von Schuhen, Gürteln und Brieftaschen bekannt. Und vom EB 110. Romano Artioli hatte die Marke wiederbelebt: Der Autoimporteur hatte einen Supersportwagen entwickeln lassen und in Campogalliano bei Modena eine dazu passende futuristische Fabrik gebaut, die heute noch (leer) steht. Im selben Jahr, in dem Ettore Bugatti 110 Jahre alt geworden wäre – im September 1991 – kommt der EB 110 auf den Markt. Nach vier Jahren ist das Geld alle, die Produktion endet 1995. Es sollte zehn Jahre dauern, bis wieder ein Bugatti auf den Markt kommt.
Der 18-Zylinder wird's nicht

Übrigens nicht mit dem 18-Zylinder, den Piëch skizziert hat. Der Motor, der stattdessen kam, hat zwar keinen Mittelabtrieb wie der 12-Zylinder aus dem Porsche 917, ist aber genauso spektakulär wie diese beiden Aggregate: Der W16-Motor mit vier Turboladern leistet anfangs 1.001, später sogar 1.200 PS. Die gewaltige Leistung hat einen Grund, der mit dem von Piëch konstruierten 917 zusammenhing: Dieser Rennwagen erreichte auf der Hunaudières in Le Mans 406 km/h. Der Veyron sollte schneller sein. Was auch gelang: 407 km/h sind im Fahrzeugschein als Höchstgeschwindigkeit eingetragen.
Schlüssel-Trick für über 400 km/h
Um diese Geschwindigkeit zu erreichen, muss der Fahrer mit einem "Speed Key", einem zweiten Zündschlüssel, die Hochgeschwindigkeits-Einstellung freischalten: Der Veyron duckt sich für die Fahrt zur Höchstgeschwindigkeit in einer leichten Keilform tiefer auf die Straße, schließt vorne die Lüftungsklappen und stellt den Heckspoiler flacher. Das senkt den cW-Wert zulasten des Abtriebs. Denn ohne Speed Key hat der Veyron einen ähnlichen cW-Wert wie ein VW Golf I. Das liegt an der Form. Die ist etwas zu rundlich für einen Supersportwagen. Andererseits sieht kein anderes Auto aus wie der Veyron. Hartmut Warkuß und Jozef Kaban haben mit dem Design erreicht, was Piëch wollte: "Wenn es vergleichbar ist, ist es kein Bugatti", sei Ettore Bugattis Motto gewesen.
Weltrekord mit 431 km/h

Als andere angreifen, schiebt Bugatti den Super Sport hinterher. Die Leistung steigt auf 1.200 PS. Damit fährt Pierre-Henri Raphanel am 26. Juni 2010 auf dem VW-Testgelände Ehra-Lessien mit 431,072 km/h einen offiziellen Weltrekord. Ein schnelleres und exklusiveres Auto gab es bis dahin nicht. Bis der Nachfolger Chiron kommt.