Das Bühnenbild hätten sie auch auf der Seebühne in Bregenz gern genommen, und warum nicht auch für die nächsten Wagner-Festspiele? Wie Bilderrahmen auf dem Kaminsims stehen 19 große Videoleinwände vor der voll besetzten Tribüne der Fraport-Arena in Frankfurt. Auf den Monitoren bewegen sich weiße Dreiecke ineinander, überlagern sich dreidimensional und wirken wie ein Heer von Eisbergen. Zuweilen spielt die Technik gar das Geräusch berstender Gletscherzungen ein. Großes Kino.
Viel Selbstvertrauen, wenig Neuheiten
Da haben es natürlich ein Skoda Rapid Spaceback oder ein Seat Leon Kombi ST nicht so leicht, vor dieser Kulisse einen große Auftritt hinzulegen. Aber da helfen die Markenchefs nach. Wilfried Vahland von Skoda verkündet, sieben Neuheiten im Gepäck zu haben und demonstriert damit das Selbstbewusstsein der Tschechen. In Spanien musste das erst wieder wachsen, aber Seat-Chef Jürgen Stackmann: Als einer der ganz wenigen Hersteller mache man in Europa Plus, und zwar neun Prozent.
An Selbstvertrauen mangelt es dagegen Marken wie Bugatti, Bentley oder Lamborghini nicht, nur an Neuheiten. Aber wo sollen denn bei den Nischenherstellern auch bei zwei Konzernabenden pro Jahr ständig neue Geschosse herkommen? Bentley hat das Continental Coupé noch ein bisschen aufgemotzt, jetzt sind es 528 PS. Bugatti hatte schon vorher 1.200 PS und der Veyron Vitesse wird in Ermangelung einer wirklichen Neuheit als Sondermodell ständig neu aufgegossen. Dieses heißt an den Bugatti-Sohn Jean eben Jean Bugatti. Lambo-Chef Winkelmann lässt zwei bekannte Gallardo-Rennautos auf die Bühne fahren, obwohl er einräumt, dass sich Ferruccio Lamborghini nicht allzu sehr für Motorsport interessierte. Was soll’s, man hat ein Sondermodell vom Gallardo gebaut. Der LP 570/4 hat, man ahnt es schon: 570 PS und reichlich Chi Chi aus Karbon und Aluminium, und drei Mal so viel Abtrieb wie das Serienauto. Ihm stiehlt am Ende der Gallardo GT3 die Schau – mit ein paar beherzten Gasstößen aus dem Rennauspuff.
Zwischendurch sorgt eine Truppe aus Tänzern für eine grandiose Show. Sie haben Beleuchtung an den Füßen oder gleich am ganzen Körper, lassen sich bei Bedarf an Kabeln in die Luft reißen oder schweben illuminiert sanft zu Boden. Der Knüller ist die große Leinwand in die Mitte, die plötzlich wie ein Laptop aufklappt und eine schräge Ebene bildet, auf der junge Akrobaten schräg rutschend Salti schlagen, die oben auf die Senkrechte projiziert werden. Wem fällt so was ein?
Fährt wie Sau, spart wie Schwein
Rupert Stadler sorgt bei Audi für einen Paukenschlag. Ein rotes Geschoss rollt auf riesigen 22-Zoll-Rädern auf die Bühne. Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor. Und Stadler gibt auch freimütig zu, dass sich die Audi-Designer freimütig bei den Kollegen von Giugiaro bedient haben, als sie eine Mischung aus Geländewagen und Supersportler auf die Räder stellten. Der Audi hat nicht die Eleganz und Eigenständigkeit der in Genf Aufsehen erregenden Studie aus Italien, aber auf der anderen Seite hatte die nie eine Chance, wirklich gebaut zu werden. Der Audi Nanuk (was aus der Inuit-Sprache kommt und Eisbär bedeutet) dagegen schon. "Wir wollen mal reinfühlen", sagt Stadler und meint damit die Reaktionen auf der Messe.
Es ist ein bisschen unfair, dass danach noch das A3 Cabrio auf die Bühne rollt, und Stadler kann noch so sehr in die Superlativ-Schublade greifen und "hochemotional" und "sehr dynamisch" in die Runde werfen. Nach dem Auftritt der roten Eisbärin ist das Publikum noch so weggetreten, dass das kleine Cabrio beim Publikum kaum noch eine Chance hat.
Aber ohnehin geht es ja an diesem Abend um was ganz anderes. Der Elektro-Up im Lieferwagen-Outfit mit geschlossenen hinteren Seitenscheiben aus der Nutzfahrzeug-Fraktion bildet da nur den Auftakt. E-Golf, E-Up und die Hybriden Panamera und Audi A3 E-Tron berollen das Parkett. Den vor einem Jahr in Paris noch für Unruhe sorgenden Greenpeace-Aktivisten wirft man nun zwei reine Elektroautos und fünf Hybride vor die Füße. Besonders stolz ist man auf die Doppelantriebs-Geräte aus dem Hause Porsche. "Keine Verzichtsautos, sondern Spaßautos" lautet die Devise. Quasi ein Genuss ohne Reue. Der neue Audi-Technikvorstand Ulrich Hackenberg sagt: "Es macht Spaß zu fahren und Spaß zu sparen." Der E-Golf koste auf 100 Kilometern nur 3,28 Euro, rechnet man vor. Der Panamera hat 900 Kilometer Reichweite. "Fährt wie Sau, spart wie Schwein", zitiert Konzernsprecher Grühsem und gesteht: "Besser hätten unsere Werbetexter das auch nicht ausdrücken können."
VW goes electric
Porsches Entwicklungschef Wolfgang Hatz verkündet: Die Hybriden seien die Zukunft von Porsche. Der nagelneue 918 hat gerade erst die Sieben-Minuten-Schallmauer auf der Nürburgring-Nordschleife atomisiert. Porsche-Chef Müller ist so stolz, dass er selbst den 918 auf die Bühne lenkt und gleich zwei Achten vor der Tribüne fährt, immer Obacht gebend, das grandiose Bühnenbild nicht zu beschädigen.
Selbstbewusst läuft zum Schluss Martin Winterkorn auf das Parkett, als hätte er sich beim VFL Wolfsburg gerade selbst eingewechselt. Der VW-Chef lockert noch mal die Füße, und geht sofort steil in die Spitze: "Wo andere laut und früh getrommelt haben, hatten wir eine sachliche und unaufgeregte Sicht auf diese Technologie."
Winterkorn verkündet die große Elektro-Offensive. Den schon präsentierten Autos könnten in Kürze 40 Modelle folgen, und mit einem rustikalen Rempler gegen diverse Konkurrenten sagt er zum Schluss: "Wir treten hier nicht mit Nischenmodellen an." Und zum Beweis dürfen wir zum Anfang noch mal Neil Tennent und Chris Lowe auf die Bühne, besser bekannt als die Pet Shop Boys, die schon seit fast 30 Jahren den Elektropop auffrischen, ohne je out zu sein. Ihr neues Album heißt "Electric". Na, das passt doch.