Oldtimereise Italien: Marken-Kollegen

Oldtimerreise Italien
Marken-Kollegen

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Der Genuss, mit einem Oldtimer von Deutschland aus über die Alpen in ein historisch höchst interessantes, aber weder allzu bekanntes noch nervig überlaufenes Stückchen Italien zu reisen, ist kaum zu überbieten.

Ausflug nach Ascoli - eine Stadt, älter als Rom

Die frühsommerliche Fahrt in die Adria-Marken, veranstaltet von Retro Promotion Reisen, spannte die Erwartungen jedenfalls hoch - und wurde ihnen ohne Abstriche auch gerecht. Die Anreise findet entweder mit dem eigenen Oldtimer auf einer frei zu wählenden Route statt oder mit einem von RPR gestellten Klassiker ab Flughafen Rimini. Hauptquartier ist die Villa Piceno in Colle del Tronto, einem kleinen Nest nahe Ascoli - zwischen den Läufen des Tronto und dem Torrente Castellano.

Das historische Haus bietet einen wunderbaren Vier-Sterne-plus-Komfort, mit hervorragender Küche und der Möglichkeit, auch größere Gruppen gleichzeitig und delikat zu bewirten. Die von dort aus startenden Entdeckungstouren sind dann eine Reihe wunderbarer Tagesausflüge.

Der Besuch von Ascoli Piceno etwa wird ein Trip in die mehr als zweitausend Jahre zurückgreifende Geschichte Italiens. Die Bürger von Ascoli reklamieren seit Jahrhunderten, eine Stadt zu bewohnen, die älter sei als Rom. Das lassen natürlich die Römer nicht auf sich sitzen, die auf früheste etruskische Siedlungen am Tiber verweisen, nur, um von den Ascolanern das noch ältere Erbe der Sarazenen und Griechen vorgehalten zu bekommen. Der Literat und Italienkenner Kasimir Edschmid nahm einst versöhnlich Stellung in seiner kundigen Abhandlung über "Alte Städte in den Marken": "Ob Ascoli Piceno tatsächlich älter als Rom sei, bleibe unerörtert. Sowohl Ascolis wie Roms Gründung liegen im Reich der Sagen."

Am Piazza del Popolo grüßt ein Phallus von der Kirche des San Francesco

Während Fermo nördlich von Ascoli wegen seiner Ziegelhäuser als die "rote Stadt" der Marken gilt, ist Ascoli die weiße. Kalkstein und Marmor ergeben hier zwischen den Ziegelbauten einen gebleichten Teint der klassischen Architektur, bis hin zur Piazza del Popolo, an der das weithin gerühmte Art-déco-Café Meletti mit einer rötlich-braunen Fassade einen farbigen Kontrapunkt markiert. Unter seinen Markisen, die zu einem Kaffee einladen, blickt der Gast über den uralten Marktplatz, diagonal zur Kirche des San Francesco mit ihren beiden Türmen.

Von der Helmgalerie des zweiten Turms droht eine seltsame Stele herab, und wer die Fremdenführerinnen danach fragt, erhält zwei sehr unterschiedliche Reaktionen. Die jungen Stadtführerinnen erröten leicht, schauen ein bisschen verlegen nach unten und teilen unter Hinweis auf die spirituellen Kräfte der Stele mit, dass es sich dabei um einen uralten Riesenphallus handele. Die älteren sagen das Gleiche; sie schauen aber hinauf und lächeln dabei sardonisch.

Durch die sibellinischen Berge zum Wallfahrtsort Loreto

Am nächsten Tag geht es in die Sibellinischen Berge, über Aquasanta und Arquata auf der alten Passstraße hinauf zur Forca Canapine, und von dort hinein in die Piano Grande. Auf dieser Hochebene weiden die sibellinischen Rinder, die eine Art Beatles-Frisur tragen und so abgehärtet sind, dass sie nicht einmal im Winter in den Stall gestellt werden.

Die folgende Tagestour führt nach Loreto, dem gerühmten Wallfahrtsort katholischer Pilger. Die Entstehungsgeschichte dieser Kombination aus Heiligtum und Festung ist verwirrend wie die Zündfolge eines Sechzehnzylinders. Einfacher breitet sich da die Legende der Gründung von Loreto aus, dem Heiligtum mit der dreifachen Schale: Die Kathedrale als großer umgebender Prunkbau, darin ein Marmorwürfel, und in dem eine winzige uralte Backsteinruine - das Naza- rener Haus der Heiligen Jungfrau Maria. Engel sollen es aus Syrien herausgetragen haben, nach einem Stopp bei Rijeka dann mitten hinein in ein Lorbeerwäldchen nahe Loreto. So sind Wunder.

Die Spitzenklöpplerinnen von Offida

Näher der handwerklichen Praxis stehen da die Spitzenklöpplerinnen von Offida. Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein: In dieser alten Markenstadt zwischen Ascoli und Fermo vererbt sich das Handwerk der Spitzen-Herstellung von der Mutter noch auf die Töchter und deren Töchter. Anschaulich stellt dies eine rührende Gruppe von Bronze-Statuen vor den Mauern des gewaltigsten Stadtturms dar.

Die herrliche Altstadt ist voll von winzigen Ladengeschäften, in denen meist ältere Frauen von früh bis spät klöppeln. Ein hölzerner Schaukasten an der Hauswand neben dem Ladeneingang zeigt alle Muster, die von der Chefin und ihren Helferinnen hergestellt werden. Ein Besuch bei den Klöpplerinnen von Offida rechtfertigt allein schon den Marken-Trip, denn die Orte, an denen dieses stolze, historische Handwerk noch fadennah besichtigt werden kann, sind heute rar.

Natürlich gibt es auf der Marken-Fahrt von RPR auch kulturelle Höhepunkte, die mehr nach Benzin duften als etwa die Spitzen von Offida.

Das Museum von Giovanni in Fermano, bekannt als "La Manovella"

Zwischen all den Fiat, Abarth und Alfa Romeo hat der Besitzer hier eine Sammlung von Fahrrädern der Kleingewerbetreibenden zusammengetragen: Nicht nur Scherenschleifer, Hebammen oder Schneider besaßen einst ihr spezielles Arbeits-Velo, sondern auch Schmiede. Schon mal ein pedalgetriebenes Dreirad mit einer echten Esse auf dem Gepäckträger gesehen? Bei Giovanni steht eines.

Das wunderbare Straßennetz der noch nicht überlaufenen Adria-Provinz macht das Oldtimerwandern dort zusätzlich attraktiv. Statt hupender Landsleute trifft man im Land der Spechte uralte Kultur, und zwar hinter jeder Biegung. Die Kurven der Marken aber sind zahllos.