Fahrbericht: Fiat 124 Spider: Le tour pur

Pininfarina Spidereuropa im Fahrbericht
Le tour pur - Vogesentour im Spider

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Die Vogesen - märchenhafte Landschaften, sanft plätschernde Brünnlein, Delikatessen an jeder Straßenecke und Landstraßen, auf denen sich leidenschaftliche Autofahrer so zuhause fühlen wie bei den ersten Sonnenstrahlen auf dem heimischen Balkon. So liest es sich in Reiseprospekten. Ein idyllischer Ausflug in Puppenstuben-Atmosphäre - genau das wollen wir eigentlich nicht. Ich möchte mich auf dem Beifahrersitz des Pininfarina Spidereuropa in den Kurven am Türgriff festkrallen müssen, mein T-Shirt will auf dem Kunstledersitz nassgeschwitzt werden - mindestens ebenso wie mein Freund Jan am Steuer.

Aus dem Fiat 124 Spider wurde der Pininfarina Spidereuropa

Dabei soll der Wind durch den Innenraum pusten, ich will mich nach einem modernen Nackenföhn sehnen. Diese Wünsche hege ich auf der Fahrt von Stuttgart über die Autobahn gen Süden. Erstes Ziel unseres Wochenendausfluges ist der Rhein, der auf Höhe Beinheim den Grenzpunkt zwischen deutschen und französischen Gefilden markiert. Unser Pininfarina Spidereuropa scheint sich weniger über den romantischen Ausflug zu freuen. Nach langer Standzeit verlangt er nach einer kühlenden Rast und quittiert unsere spontane Ausflugsidee mit Zickereien seitens der L-Jetronic - oder hat sich im Tank etwa Schmutz gesammelt? Das Zweiliter-Aggregat des Pininfarina Spidereuropa spuckt, hängt unwillig am Gas. Sollen wir umkehren? Zwei Tage Fahrspaß gegen eine Fehlersuche in der heimischen Garage tauschen?

Kurz vor dem Grenzübergang prustet der Italiener kräftig. Danach ist alles gut, die Maschine läuft sanft auf allen Vieren. Er hat sich besonnen, will auch hinauf in die Berge, und scharrt nun mit Macht mit den Rädern. Zwischen 4.500 und 5.000 Umdrehungen geht der Spider wie eine Bergziege auf der Suche nach den besten Grashalmen auch heftige Steigungen hinauf. Erstaunlich: Trotz der in die Jahre gekommenen Reifen ist der Grip auf dem Beton erstaunlich gut. Zehn Jahre haftet das Gummi schon am Felgenrand des 1985 gebauten Modells, das 1981 auf der IAA vorgestellt wurde. Beinahe wäre der Pininfarina Spidereuropa mangels Nachfrage Ende der Siebziger vom Markt verschwunden. Doch der Andrang auf das in Fachmagazinen als veraltet betitelte Auto war nach der Neuvorstellung erstaunlich hoch. Grund schien das geringe Angebot an mittelpreisigen Cabriolets zu sein. Anfang der Achtziger überliess Fiat Pininfarina die Produktion und Vermarktung. Ein Glück, denn sonst wäre unser heutiger Ausflug nie zustande gekommen.

Nasser Rücken auf Kunstleder

Unser nächster Stopp ist in Kienzheim. Im Supermarché kaufen wir Baguette, Wasser, eine Flasche Rotwein aus der Gegend und Käse, der ganz bestimmt nach dem Öffnen die Fliegen im Umkreis von zwanzig Metern anlockt. Von dort aus orientieren wir uns in Richtung Berge und folgen den Schildern "Col de la Schlucht". Die unterschiedliche Anzahl der Pfeile zeigt vor der Kurve den zu erwartenden Richtungswechsel an. Ein Pfeil für gemütlich, zwei für aktiv, drei für absolute Aufmerksamkeit. Der Dreipunktgurt reibt an meinem Schlüsselbein, Jan ist ein Grinsen ins Gesicht gehämmert, der Pininfarina Spidereuropa gibt sich von seiner sportlichsten Seite. Alles wunderbar - wären da nicht diese Schleicher. "Mit 30 auf dieser Straße, das kann doch nicht sein", schimpft der Pilot. Aber halt! Genau hier. Diese Stelle will bepicknickt werden. Bilderbuch-Aussicht, in der Ferne blöken ein paar Schafe, die Gegend wirkt jungfräulich, das Gras ist frisch.

Unsere Flasche Wein bleibt im Kofferraum des Pininfarina Spidereuropa. Käse, Brot und Wasser kommen auf die Ausflugsdecke. Die befürchtete Fliegeninvasion bleibt aus, während wir die Aussicht ins Tal und auch mal einen Blick auf die von Pininfarina gestaltete Karosserie des Spidereuropa genießen.

Vordergründig betrachtet macht auch das Pininfarina Spidereuropa-Interieur einen schicken Eindruck, doch dann kommt man der oberflächlichen Eleganz auf die Schliche: Echtholz-Furnier, Plastik, Kunstleder. Achtziger Jahre eben. Sicherlich gibt es Schlimmeres an einem Samstagmittag. Es geht weiter Richtung nirgendwo. Im Kofferraum des Pininfarina Spidereuropa kullert die Flasche Rotwein, und im Kassettendeck versuchen sich AC/DC mit ihren Top-Hits gegen den bollernden Auspuffklang durchzusetzen. Mit jedem Höhenmeter sinken die Temperaturen.

Passaufstieg zum Col de la Schlucht

Wir gönnen dem Spider eine kurze Auszeit am Lac Blanc, bevor er beim Passaufstieg zum Col de la Schlucht die Sporen bekommt und dabei wie ein gut trainiertes Dressurpferd Richtungswechsel annimmt. Touristenziele wie "Les milles métres" durchfahren wir, auch wenn eine Partie auf der Sommerrodelbahn sicherlich reizen würde.

Doch die folgende Straße Richtung Hohneck, dem drittgrößten Gipfel der Vogesen, ist für ungeübte Autofahrer wie eine Rutschpartie auf Glatteis und für nicht-passionierte Beifahrer ein Grund, die Plastiktüte parat zu halten. Rechts, links, rechts, links, links, rechts, links, rechts. Gänsehaut. Da drüben liegt Schnee! Tatsächlich bedecken noch Überreste des Winters schattige Partien der sonst ergrünten Hügel. Höher geht es jetzt nicht mehr. Wir befinden uns nun im Pininfarina Spidereuropa  1.363 Meter über dem Meeresspiegel.

In Kurven muss die alte Technik malochen

"Es que vous avez une Coffee to go?", frage ich mit den Überbleibseln meines Schul-Französisch im Imbiss nach einem Kaffee zum Mitnehmen. "Non, en tasse", antwortet mir mein Gegenüber. Gibt es ergo nur konventionell, fein mit Untertellerchen, Keks und Zucker im klassischen Glasgefäß. Also kein Kaffee. Wir kehren um. Links, rechts, links, rechts, rechts, links.

Die alten Spurstangenköpfe des Pininfarina Spidereuropa müssen arbeiten. Unten angekommen ist es an der Zeit, nach einer Bleibe zu suchen. Ohne Reiseführer ist die Suche nach einem idyllischen Ort ohne Wellness-Bereich zwecklos. Zu Fuß würde man sie vielleicht besser finden, die kleinen, feinen Herbergen für kleines Budget? Das Geld soll besser in den 45 Liter großen Tank unseres Pininfarina Spidereuropa fließen. Im Handschuhfach habe ich auf der Suche nach einem Hotel-Guide auch eine Wasserpistole gefunden, am Brünnlein kräftig durchgeladen, um mit der anschließenden Wasserschlacht die Entscheidungsmotivation meines Partners zu beschleunigen. Triefend nass beschließt er, den Aufschlag für eine mittlere Hotelkategorie zu investieren.

Die ist schnell gefunden, wenn auch kein Geheimtipp. Immerhin bekommt unser Cabrio einen schönen Parkplatz. "Belle voiture", freut sich Hotel-Mitarbeiterin Cristel. Da hat sie recht, mit diesem zeitlos schönen Pininfarina Spidereuropa werden wir auch den nächsten Tag verbringen. Während Jan den Rotwein in zwei langstielige Gläser verteilt, schließe ich das beige Klappdach. Hoffentlich hat der Pininfarina Spidereuropa morgen wieder so gute Laune.

Oldtimer-Reisetipp Les Vosges

Vom Südwesten Deutschlands aus sind die Vogesen schnell zu erreichen. Neben vielen atemberaubenden Seen, wie dem Lac Blanc mit 29 Hektar Größe, bietet das französische Gebirge, Pendant zum Schwarzwald, zahlreiche Pässe. Am höchsten ist mit 1.139 Metern der Col de la Schlucht. Wer auf der Suche nach schönen Routen ist, wird in diesem Gebiet schnell fündig. Die Straßenqualität reicht von hervorragend bis schlecht. Für Familien gibt es zahlreiche Ausflugsziele wie Rodelbahnen oder Burgen. Günstige Übernachtungsmöglichkeiten sollten vorab geklärt werden. Ebenso wie das teils lichte Tankstellennetz.

First-Aid-Kit für die Tour

Oldtimerfahrer wissen, warum es immer gut ist, das nötigste Werkzeug parat zu haben. Mit dem richtigen Know-How können kleine Fehler vor Ort behoben werden. Diverse Ringschlüssel, Schraubenzieher, Hammer und Ratsche sollten ebenso an Bord sein, wie Ersatzsicherungen und Isolierband. Nicht zu vergessen: eine Dose Öl für den Bedarf unterwegs.

Technische Daten
Pininfarina Spidereuropa
Außenmaße4107 x 1615 x 1250 mm
Höchstgeschwindigkeit175 km/h