Höher geht’s nun wirklich nicht mehr. Erst bei 6.688 Metern musste der Chilene Gonzalo Bravo mit seinem durch Riesenreifen und Kompressor-Motor tüchtig aufgebrezelten Suzuki Samurai am Ojos del Salado umkehren. Nur 300 Höhenmeter fehlten dem tüchtigen Motorsport-Amateur mit seinem Spezial-Vehikel am 21. April 2007 bis zum Gipfel des zweithöchsten Berges des amerikanischen Kontinents – dorthin, wo die Inkas vor einem halben Jahrtausend den Göttern rituelle Opfer darbrachten.
Südamerika im Mercedes R 350 4matic
Mit der annähernd serienmäßigen Mercedes R-Klasse 350 4matic geht es in den Anden nicht ganz so hoch hinaus. Doch der Argentinien und Chile verbindende Paso de San Francisco trumpft immerhin mit dem Gardemaß von 4.765 Meter über Normal Null auf. Damit ist er fast genauso hoch wie der Mont Blanc, Europas höchster Berg.
Der Paso de San Francisco ist das Dach der Dakar-Rallye. Seit 2009 tobt der Wüstenklassiker nicht mehr durch Afrika, sondern tourt durch die spektakulärsten Gegenden Südamerikas. Die silberfarbene R-Klasse, die der auto motor und sport-Reporter-Crew bei der Dakar-Rallye gut zwei Wochen lang stets zuverlässig diente, steht in einer schroffen, grandiosen Bergwelt. Rechter Hand ragt der Fast-Siebentausender Pissis auf, linker Hand grüßt der mächtige Nevado Ojos del Salado mit seiner Kappe aus Schnee und Eis.
Auf der Passhöhe bläst ein strenger Wind aus Westen. Obwohl die Sonne ihr Bestes gibt und aus dem tiefblauen, fast wolkenlosen Himmel erbarmungslos herunterbrennt, zeigt das Digital-Thermometer in der Mercedes R-Klasse gerade mal sieben Grad. Eine willkommene Erfrischung, denn der letzte Abend war heiß. Allerdings nicht was die Abendunterhaltung angeht.
Abenteurer-Naturen sind in der argentinischen Fiambalá genau richtig
Diesbezüglich herrscht tote Hose im argentinischen Fiambalá, wo im Sommer Temperaturen von 40 Grad und mehr als normal gelten. Ein kleiner Marktplatz, ein bescheidenes Restaurant und einige noch bescheidenere Pensionen - das wars im Großen und Ganzen. Dennoch lohnt sich der Besuch im abgeschiedenen Fiambalá, zumindest für Abenteurer-Naturen. Allrad-Freaks können sich im Sand und in trockenen Flussbetten austoben. In Dünen, für die sich auch die berühmte afrikanische Ténéré-Wüste nicht schämen müsste, jedoch in Reichweite der Zivilisation und der Mobilfunknetze, was den unschätzbaren Vorteil hat, dass man im Notfall nicht das Kühlwasser trinken muss, sondern einfach zum Handy greifen kann.
Für Alpinisten, oder eigentlich müsste man eher sagen für Andinisten, die den Ojos del Salado bezwingen wollen, ist Fiambalá der letzte Stützpunkt. Bis zum Einstieg in den Trek sind jedoch noch 200 Kilometer zu fahren. Bizarre rötliche Felsformationen ziehen vorbei, und ab und zu grüßen in der Ferne ein paar Lamas, die Gemsen der Anden. Nur der Condor lässt sich heute nicht blicken. Auf einer fabelhaften, sanft ansteigenden Asphaltstraße gehts hinauf. Die Versorgungslage ist dürftig: Es gibt nichts zu kaufen am Wegrand: keinen Proviant, nicht mal Souvenirs und schon gleich gar nicht Benzin.
Mit 6.891 Metern ist der Ojos del Salado der zweithöchste Berg des amerikanischen Kontinents, knapp hinter dem sagenumwobenen Aconcagua, der rund 1.000 Kilometer südwärts liegt, in der Nähe von Chiles Hauptstadt Santiago. Genauso wie der Aconcagua gilt der „Ojos“ unter Bergsteigern als leichter Gipfel.
2009 starben vier Bergsteiger am Aconcagua
Obwohl die Hänge dieser Berg-Giganten eher sanft ansteigen und keinerlei exponierte Kletterpartien die Route würzen, ist es gefährlich, sich in solche Höhen zu wagen. Bei mangelhafter Akklimatisierung drohen Lungen- oder Hirnödeme. Dies kann übel, unter Umständen sogar tödlich enden. Im letzten Jahr versuchten 3.844 Bergsteiger, den Aconcagua zu erklimmen, 240 davon mussten von der Bergwacht gerettet werden. Vier konnten nur noch tot geborgen werden.
Kürzlich stand in der Zeitung, dass deutsche Sportwissenschaftler unter der Führung eines gewissen Frank Hülsenmann planen, in diesem Frühjahr den Gipfel des „Ojos“ per Mountainbike zu stürmen. Die Landsleute treffen wir zwar nicht an der nahe gelegenen Laguna Verde mit ihren heißen Quellen und ihrem unglaublich türkisfarbenen Wasser, wo sich Dutzende Bergsteiger an die dünne Luft gewöhnen; dafür begegnen wir jedoch zwei anderen Deutschen, die mit schwer bepackten Rädern in Richtung Passhöhe keuchen – trotz bestimmt zehn Prozent Steigung und garstigem Gegenwind im Sattel sitzend und nicht etwa schiebend. Aufmunternde Rufe werden von den tapferen Pedaleuren aber nicht erwidert. Warum? Vielleicht würde ihnen dies das letzte Quäntchen Energie rauben.
An der Grenze zu Chile endet der Asphalt. Nun stehen 300 Kilometer Naturstraße an, mit hundehüttengroßen Schlaglöchern und zünftigen Staubfahnen. In der R-Klasse ist die Reise auf einer der höchsten Passstraßen der Welt ein komfortables Vergnügen, dank bandscheibenschonendem Komfort.
Die Höhenluft lässt die Leistung des Mercedes-V6 schrumpfen
Der V6 hat auf 4.000 Meter Höhe gut zu tun. Wegen der dünnen, sauerstoffarmen Luft schrumpfen die 272 PS des 3,5-Liter-Saugmotors auf gefühlte 150 Pferdestärken zusammen. Das reicht aber immer noch locker, um ein paar der links und rechts von der Hauptpiste abzweigende Schottersträßchen zu erkunden. Dank den widerstandsfähigen Dunlop Grandtrek AT2 muss man keinen Platten fürchten.
Verzagte Naturen bleiben trotzdem auf der Pista Principal. Es geht talwärts, nach Copiapó. Das schmucke, 100. 000 Einwohner zählende chilenische Städtchen gilt als Tor zur Atacamawüste. Copiapó wärmt das Herz des Reisenden mit prachtvollen Alleen, netten Hotels und einem hübschen Hauptplatz, der Plaza Prat mit ihren 84 Pfefferbäumen, die vor 120 Jahren gepflanzt wurden. Ein ambulanter Wagenpfleger kümmert sich liebevoll um die gründliche Reinigung der geschundenen R-Klasse. Preis für die Handwäsche: umgerechnet drei Euro, inklusive Touristen- und Luxuswagenfahrer-Aufschlag.
Kein Reiseführer versäumt es, die Atacama als trockenste Wüste der Erde zu rühmen. Wenn es doch mal regnet, dann nämlich, wenn „El Niño“ wütet, jenes Naturphänomen, das die Wetterregeln alle sechs, sieben Jahre auf den Kopf stellt, ist dies die Initialzündung für ein unvergleichliches Schauspiel: Für ein paar Tage verwandelt sich die Wüste dann in ein Blütenmeer.
Normalerweise ist die Atacamawüste eine annährend biomassefreie Zone. Doch die Flora verhält sich dort umgekehrt proportional zu den Bodenschätzen. Vor allem das reichlich vorhandene Kupfer und Salpeter, der Grundstoff zur Herstellung von Kunstdünger (und in früheren Zeiten auch von Sprengstoff), bescherten der Region einen gewissen Wohlstand. Ökonomisch gesehen ist Chile der Musterknabe Südamerikas.
Angenehmes Klima in der Wüste – 17 Grad kalter Pazifik
Antofagasta und Iquique, die großen Küstenstädte im Norden des mehr als 4.000 Kilometer langen, aber oft nur 100 Kilometer breiten Landes, schmücken sich mit Skylines und Shopping-Centern, die manch US-amerikanischer Stadt zur Ehre gereichen würden. Das Klima an der Küste ist angenehm. Vormittags hält sich zwar oft zäh der Nebel, und einen Pullover sollte man stets in Griffweite haben, nachmittags lässt sich aber meist die Sonne blicken. Wer sich an der beständig landwärts wehenden steifen Brise nicht stört, wird ein paar Tage Camping an der kargen, aber wildromantischen Küste bestimmt nicht bereuen.
Das Baden im Pazifik ist aber nicht jedermanns Sache. Denn der Humboldtstrom sorgt ständig für Nachschub an kaltem Antarktis-Schmelzwasser. So richtig wohl fühlen sich bei 17 Grad nur Robben, Pinguine, wahrscheinlich auch Bewohner der britischen Insel, vor allem aber die in den Monaten Januar bis April regelmäßig vorbeiziehenden, majestätischen Wale.
Übersicht:Anden-Überquerung in der Mercedes R-Klasse