Mächtig schiebt er an, der Audi S4. Raus aus der engen Links die in tiefen Schnee gefräste Waldgerade hinauf. Er bollert, singt, tänzelt leicht um seine Hochachse. Klick, der dritte Gang, per Schaltpaddel reingeflippt, muss gleich wieder dem zweiten weichen. Bremspunkt, lösen, lenken, Gas. Schlupf an allen vier Winterrädern, mit gefühlvollem Leistungsübersteuern geht’s weiter zur nächsten Ecke. Lastwechsel – das Heck lenkt mit – und wieder Gas. Vier Runden müssen genügen.
Winterreifentest mit sechs sportlichen Hochleistungspneus
Es zählen reproduzierbare Zeiten – und natürlich die Fahreindrücke in unserem Winterreifentest der Größe 225/45 R 18 V. Doch nicht nur das subjektiv bewertete Schnee-Handling entscheidet über die Winterqualitäten der Winterreifen: Genauso gehen objektive Messungen von Seitenführung und Traktion sowie natürlich die Bremswege in die Winterwertung ein.
Dem Winterreifentest 2014 der Größe 225/45 R 18 V im verschneiten Nordschweden stellen sich sportive Hochleistungs-Winterreifen von Dunlop, GT Radial, Goodyear, Michelin, Nokian und Pirelli, der Geschwindigkeits-Index V steht für Höchstgeschwindigkeiten bis 240 km/h.
Automobile Zielgruppe dieser Winterreifen sind kräftig motorisierte Sportler, Coupés, Limousinen und Kombis. Sie stellen mit ihren hohen Antriebsmomenten und der geforderten Trockendynamik teils diametral gegensätzliche Anforderungen an die Performance von Winterreifen. Und die sind vielfältig: Denn die weichen Lamellengreifer müssen nicht nur auf Schnee, sondern genauso auf nasser und trockener Straße kompromisslos Leistung zeigen.
Pirelli Sottozero 3 überzeugt im Schnee
Forderungen, die auch die Gesamtwertung des Winterreifentests der Größe 225/45 R 18 V praxisgerecht abbildet: Die Leistungen auf Schnee, Nässe und trockenem Asphalt werden deshalb zu jeweils 30 Prozent, die umweltrelevanten Aspekte, darunter der Rollwiderstand, zu 10 Prozent gewichtet. Wer Winterreifen-Testsieger werden will, muss also ein echtes Universaltalent sein.
Vier der sechs Winterreifen qualifizieren sich schon nach den ersten Schneetests für Treppchenplätze, vorneweg mit beeindruckend sportlichem Schnee-Grip und ausgewogenen Fahreigenschaften der mit einer recht weichen Laufstreifenmischung belegte Pirelli Sottozero 3. Knapp dahinter folgen auf Augenhöhe der Dunlop SP WinterSport 4D und der Michelin Pilot Alpin 4. Goodyears Ultra Grip 8 Performance verliert bei Bremsen und Traktion trotz brillanter Handling-Eigenschaften den Anschluss an die Spitzengruppe.
Im Bremsen kommt der preisgünstige GT Radial Champiro Winterpro HP zwar mit, knickt aber beim Thema Seitenführung im Winterreifentest ein. Überraschenderweise kommen die sonst auf kaltem Schnee überzeugenden Nokian WR A3 mit den Temperaturen von wenigen Grad unter null nicht zurecht und patzen in der Winterwertung. Sind die Schneetemperaturen für den Kälte gewohnten Finnen etwa zu hoch?
Winterreifen funktionieren je nach Temperatur unterschiedlich
Möglich, denn wie sportliche Sommerreifen nur gut temperiert vollen Grip bieten, arbeiten Winterreifen nur bei Kälte optimal. Doch in welchem Temperaturbereich sie letztlich zur Bestform auflaufen, hängt größtenteils von der verwendeten Gummimischung ab. Und da gibt es deutliche Unterschiede: Für nordische Länder mit arktisch-tiefen Außentemperaturen produziert die Reifenindustrie längst besonders weiche und oft auch bespikebare Soft-Compound-Reifen. Diese Reifen sind für die überwiegende Fahrt auf festgefahrenem Schnee oder Eis konzipiert, Wasser in flüssiger Form ist nordischen Straßen während der kalten Jahreszeit weitgehend fremd.
Anders im mitteleuropäischen Winter. Hier muss ein Winterreifen neben kalter Winternässe auch frühlingswarm-trockenen Asphalt, im Extremfall bei hohem Tempo auf der Autobahn, beherrschen. Das geht nur mit anderen, oft härteren Laufstreifenmischungen. Auf welche Temperaturfenster ein Reifenhersteller seine Produkte abstimmt, wird individuell entschieden. Der Nokian jedenfalls scheint bei den vorherrschenden, eher mitteleuropäischen Temperaturen der Schneetests eine gewisse Performance-Delle aufzuweisen.
Auf Nässe schlägt sich der Nokian-Winterreifen im Format 225/45 R 18 V hingegen weitgehend ordentlich: Spitzenwerte gibt’s im Kurven- Grip, dazu kommt gute Verzögerung und präzises, ausgewogenes Handling. Aquaplaning ist nicht seine Stärke, und so fällt er auch im Nassen weit hinter das Spitzenquartett zurück. Hier dominiert der brems- und seitenführungsstarke Michelin, dessen überaus positives Gesamtbild aus unserer Sicht lediglich von einer zwar sicheren, aber wenig dynamischen Untersteuertendenz getrübt wird.
Pirelli gewinnt den Winterreifentest 2014
Vorn mit dabei ist der Pirelli: Mit kurzen Bremswegen und messerscharfem, präzisem Handling landet er trotz einer kleinen Schwäche im Längs-Aquaplaning noch vor Dunlop und Goodyear, die beide ebenso mängelfrei durchs Wasser pflügen. Mit zwar gutem Kurven-Grip, aber deutlich zu langen Bremswegen, unharmonischen Handling-Eigenschaften und schwachen Aquaplaning-Werten fällt der günstige GT-Radial-Winterreifen der Größe 225/45 R 18 V weit zurück.
Zuletzt die Trockenprüfungen: Bremsen auf Asphalt ist die Paradedisziplin des breitschultrigen Nokian. Er bremst mit Abstand am besten und glänzt im Winterreifentest auf trockener Fahrbahn mit hohen Kurvengeschwindigkeiten, schnellen Rundenzeiten und guter Beherrschbarkeit beim Trocken-Handling. Dazu punktet er mit konkurrenzlos niedrigem Rollwiderstand.
Doch der Pirelli lässt sich den Schneid nicht abkaufen: Zu seinen überzeugenden Schneeleistungen hält er auch in der Zielkonflikt-Disziplin „trocken“ die sportliche Fahne hoch. Leichte Defizite beim Bremsen macht er durch hohe Fahrstabilität und Lenkpräzision wett. Wer sucht, findet mit dem etwas raueren Abrollgeräusch das Haar in der Pirelli-Suppe, die Punkte reichen dennoch, wenn auch knapp, für den Sieg im Winterreifen 2014 der Größe 225/45 R 18 V.
Auch Nässe-Crack Michelin lässt im Trockenen nichts anbrennen und kommt mit unspektakulär-sicherem Fahrverhalten sowie dem ausgewogensten Gesamtergebnis auf Platz 2. Bei ähnlich überzeugender Gesamtperformance knickt der Dunlop im hoch gewichteten Trockenbremsen etwas ein – dritter Platz. Dahinter, ebenso wegen etwas längerer Bremswege auf trockenem Asphalt, der Goodyear.
Nokian holt trocken auf
Nur knapp schrammt der breitschultrige Finne an einem „empfehlenswert“ in unserem Winterreifentest der Größe225/45 R 18 V vorbei. Auf Schnee war er in diesem Winterreifentest unpässlich, und das Aquaplaning war offensichtlich nicht seine Welt. Dennoch ist er mit seinem guten Nass- und der überdurchschnittlichen Trocken-Performance eine Empfehlung wert. Allerdings nur bedingt, etwa als überlegenswerte Alternative für schneearme Regionen.
Als Letzter rollt der GT Radial aus unserem Winterreifentest. Zwar sind seine Leistungen auf Schnee und trockener Bahn noch durchaus akzeptabel, doch auf Nässe, einem im mitteleuropäischen Winter doch recht häufig anzutreffenden Fahrbahnzustand, sollte insbesondere beim sicherheitsrelevanten Nassbremsen deutlich mehr geboten werden – auch bei Fahrzeugen, bei denen weder 333-Sechszylinder- PS noch Allradantrieb für souveränen Vortrieb sorgen.
Die Räder im Test
Für die objektiven Fahrversuche wurden auf dem Audi S4 AEZ Räder des Typs Genua eingesetzt. Die Fünf-Doppelspeichen-Leichtmetallfelgen orientieren sich in ihren Dimensionen an vielen Audi-Seriengrößen und können dank ABE ohne weitere Eintragung gefahren werden. Das Genua-Rad ist, gegen Mehrpreis auch in Schwarz-Poliert, in verschiedenen Abmessungen von 7,5 J x 17 Zoll (183 Euro) bis 8J x 19 Zoll (269 Euro) zu haben. Infos unter www.aez-wheels.com
Im Detail: So haben wir die Winterreifen getestet
Um höchste Genauigkeit und Ergebnissicherheit zu gewährleisten, werden, soweit möglich, sämtliche Versuche in diesem Winterreifentest der Größe 225/45 R 18 V mehrfach durchgeführt. In allen Kriterien werden die Produkte nach einem zuvor festgelegten Muster bewertet. Grundsätzlich erhält der beste Reifen eines Versuchs die maximal mögliche Punktzahl von 10 Punkten. Das Bewertungsschema folgt einer progressiven mathematischen Funktion, wodurch sichergestellt ist, dass auch hochwertige, in ihren Eigenschaften nah beieinanderliegende Produkte ausreichend trennscharf bewertet werden können.
Dieses Schema gilt sowohl für die objektive Bewertung durch Messgeräte wie auch für die subjektive Benotung durch die Testfahrer, was etwa bei der Beurteilung des Komforts und des Handlings zum Tragen kommt. Beim Handling auf schneebedeckter, nasser oder trockener Bahn führt ein ausgewogenes, sicheres Fahrverhalten zu einer Optimalbenotung. Der Rollwiderstand der Reifen wird, basierend auf EU-Regularien, auf Prüfständen ermittelt. Maßgeblich ist der Rollwiderstandsbeiwert bei 80 km/h.
Im Detail: Seitenführung auf Schnee
Über Sicherheit und Performance im Winter entscheidet primär der Grip eines Reifens. Wie viel Grip ein Winterreifen bietet, bewerten wir zunächst subjektiv durch wiederholte Handling-Fahrten mit Zeitmessung auf schneebedeckten, fest präparierten Rundkursen. Über die subjektive Bewertung hinaus werden die Haftungsanteile in Längsrichtung, wichtig etwa beim Beschleunigen (Traktion) und beim Bremsen, einzeln und objektiv durch aufwendige Traktions- und Bremswegmessungen erfasst.
Einen Messwert für die übertragbaren Querkräfte, wichtig etwa beim Ausweichen oder beim schnellen Durchfahren von Kurven, liefert die Slalomfahrt: Dazu werden auf einer glatt präparierten, schneebedeckten Fläche Rechts- und Linksbögen im freien Slalom wechselweise hart am Grenzbereich durchfahren. Jeweils im Scheitelpunkt der Kurven werden die erreichten Querkräfte elektronisch gemessen und automatisch aufgezeichnet.
Der Winterreifentest wurde von unserer Schwesterzeitschrift sport auto durchgeführt. Der Test erscheint in der aktuellen sport auto-Ausgabe 11/2014. Die weiteren Themen:
- Vergleichstest Audi R8 LMX, Nissan GT-R, Porsche 911 Turbo S
- Supertest Audi S1
- Fahrbericht Ford Mustang
- Vergleichstest BMW M4 gegen Porsche Carrera S
- u.v.m.