Rallye-Weltmeister Ott Tänak erklärt seinen Hyundai-Wechsel

Interview mit Rallye-Weltmeister Ott Tänak
Deswegen wechselt er zu Hyundai

2019 Rally France
Foto: Motorsport Images

Wie fühlt man sich als Weltmeister?

Tänak: Nicht viel anders als davor. Es kam ja nicht völlig überraschend. Wir haben lange darauf hingearbeitet. Aber der Moment, wenn man es zum ersten Mal realisiert, ist schon etwas ganz Besonderes.

Wann war dieser Moment?

Tänak: Als ich am Ende der Powerstage meine Frau, Familie und engsten Freunde sah. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Für einen Moment fühlte es sich an, als bliebe die Zeit stehen. Gefühle zu zeigen, ist ebenso wenig mein Ding wie darüber zu sprechen. Weltmeister zu werden war mein Lebensziel. Ich bin überglücklich, das erreicht zu haben, was ich mir immer erhofft habe. Und um ehrlich zu sein, weiß ich gerade gar nicht so richtig, welches Ziel ich nun anstreben soll.

Können Sie sich noch an Ihre Anfänge in der WM erinnern?

Tänak: Natürlich. Ich weiß noch, dass Sie 2009 in Finnland zusammen mit Ari Vatanen in der Pirelli Star Driver Jury saßen und ich mit meinem miserablen Englisch versucht habe, euch zu überzeugen, dass ich alles geben werde, sollte ich kommende Saison diese Chance in der Produktionswagen-­WM erhalten.

Ihre Karriere hatte echte Höhen, aber auch Tiefen.

Tänak: Okay, beim PWRC­-Debüt in der Türkei markierten wir erst eine Bestzeit nach der anderen und führten mit fast vier Minuten Vorsprung die Klasse an, als wir kurz vor Schluss abgeflogen sind. Ein Fehler im Aufschrieb. Aber in Finnland folgte der erste PWRC­-Sieg. 2011 sind wir dann zu M­-Sport gekommen. Nach drei Siegen in der SWRC saßen wir am Saisonende im WRC.

2019 Rally Portugal
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2012 dann die erste Bestzeit im WRC, das erste Podium – und im Finale führten Sie erstmals einen WM-Lauf an, bevor Sie crashten und Ihr Cockpit räumen mussten.

Tänak: Das war eine harte, aber auch lehrreiche Zeit. Thierry Neuville hatte einen WM-­Punkt mehr als ich, aber das Glück, einen Sponsor für eine weitere Saison im WRC zu finden. Ich dagegen musste in Estland als Mechaniker arbeiten. Für mich war das aber okay, denn ich hatte immer sehr hohe Erwartungen an mich. Wenn ich nicht erfolgreich war, hatte ich auch keine Freude.

Hatten Sie da mit Ihrer Karriere abgeschlossen?

Tänak: Irgendwie schon. Damals war ich mir sicher, dass ich noch nicht bereit bin für diesen Sport. Also habe ich mich auf meine junge Familie und den Aufbau eines eigenen Teams konzentriert, das für andere Fahrer Autos betreute.

Wie kamen Sie zurück?

Tänak: Nebenher baute ich einen alten Subaru auf, suchte einen Copiloten und fand Martin (Copilot Järveoja). Wir sind vier Rallyes gefahren, haben alle gewonnen und waren Landesmeister. Der Kontakt zu Malcolm Wilson ist nie abgerissen. Also setzten wir uns zusammen, und ich erhielt eine zweite Chance. Erst fuhr ich im DMack­-Team, später als Teamkollege von Sébastien Ogier.

2017 folgte auf Sardinien Ihr erster WM-Sieg.

Tänak: Der war überfällig, schon 2016 war ich im DMack-­Fiesta mehrmals dicht dran. Kaum hatten wir das erste Mal gewonnen, konnten wir in Deutschland nachlegen. Übrigens sind wir dort seither ungeschlagen.

In zwei Jahren und 27 WM-Läufen für Toyota standen Sie 17 Mal auf dem Podium, elf Mal davon ganz oben…

Tänak: …und bin nun endlich auch Weltmeister. Eine tolle Bilanz, die aber durchaus noch besser hätte sein können. Egal, nächste Saison beginnt ein neues Kapitel.

Wann haben Sie sich entschieden, das Team zu wechseln?

Tänak: Zwischen den WM­-Läufen in Großbritannien und Spanien. Zuvor hatten wir lange mit verschiedenen Seiten gesprochen.

2019 Rally Catalunya
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Nun haben Sie einen Zwei-Jahres-Vertrag bei Hyundai unterschrieben. Was waren die Gründe?

Tänak: Je öfter ich mit Andrea (Hyundai-Teamdirektor Adamo) sprach, desto besser lernte ich ihn kennen und merkte, wie er tickte. Er war geradeaus und erklärte mir nicht nur seine Vorstellungen von einem funktionierenden Team, sondern auch seine konkreten Pläne für die Zukunft: von der Geschwindigkeit, wie schnell man das aktuelle Auto weiterentwickeln kann, bis hin zu den sportlichen Zielen. Irgendwann wusste ich: Dies ist das Team, wo ich sein wollte.

Im Toyota Yaris WRC haben Sie nicht nur die meisten, sondern auch bei jedem einzelnen WM-Lauf Bestzeiten markiert. Wäre es nicht besser, bei Toyota zu bleiben?

Tänak: Es mag einfacher sein, da zu bleiben, wo man ist, als woanders bei null anzufangen. Aber der Reiz eines neuen Umfeldes ist groß. Mit Neuville, Loeb und Sordo erwarten mich bei Hyundai drei sehr starke Teamkollegen. Dennoch freue ich mich darauf. Und als Weltmeister zu kommen, macht es definitiv einfacher. Ich kenne diese Situation aus der anderen Sicht, als 2017 Sébastien Ogier zu uns ins M-­Sport Team wechselte.

In Australien kämpfen Ihr aktueller und künftiger Arbeitgeber noch um die Hersteller-Krone. Wie gehen Sie das WM-Finale an?

Tänak: Wie immer werde ich alles versuchen, um die Rallye zu gewinnen. Im Toyota-­Team gibt es viele tolle Menschen. Bei denen möchte ich mich nicht nur für die vergangenen zwei Jahre mit dem bestmöglichen Resultat bedanken und verabschieden.

Wissen Sie schon, wann Sie das erste Mal den Hyundai i20 WRC testen dürfen?

Tänak: Unsere Verträge laufen bis zum Jahresende. Aber die Hersteller einigen sich normalerweise darauf, dass die Fahrer schon früher für ihr neues Team testen können. Darüber sprechen wir gerade. Wenn alles klappt, sollte ich also noch vor Weihnachten erstmals im Hyundai sitzen.