Werkstattpraxis: Diagnose mit Fuel Trim

Werkstattpraxis
Präzise Diagnose mit Fuel Trim

Betrachten wir zuerst die Festlegung der eingespritzten Kraftstoffmenge ohne Korrekturen, bevor wir uns mit den angepassten Werten der Kraftstoffeinspritzung beschäftigen. Der Fahrzeughersteller hat die erforderliche Kraftstoffmenge in verschiedenen Kennfeldern festgelegt, die im ROM-Speicher des Motorsteuergeräts gespeichert sind.

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Gino Decoster, ZDK/Promotor (1)

Die Software im Steuergerät liest aus diesen Kennfeldern, wie viel Kraftstoff ohne Korrektur benötigt wird. Dies ist abhängig von Motordrehzahl, Temperatur und Last. Zwei wichtige Kennfelder sind das VE-Kennfeld und das AFR-Kennfeld.

Füllungsgrad

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Gino Decoster, ZDK/Promotor (1)

VE (Volumetric Efficiency) steht für volumetrischer Wirkungsgrad, also dem Füllungsgrad. Die Tabelle zeigt das VE-Kennfeld als Ausfülltabelle in einer zweidimensionalen Ansicht. Die vertikale Achse der Tabelle zeigt den MAP (Manifold Air Pressure, Absolutdruck) an. Der Druck im Ansaugkrümmer variiert von 15 kPa (hoher Unterdruck) bis 100 kPa (externer Luftdruck). Der MAP zeigt die Motorlast an. Die horizontale Achse zeigt die Motordrehzahl zwischen Leerlauf und maximaler Motordrehzahl an.

Die Felder in der VE-Kraftstofftabelle zeigen den Füllungsgrad des Motors an, also wie effizient der Motor bei einer bestimmten Drehzahl und Belastung läuft. Bei der Drehzahl mit dem maximalen Drehmoment (im Beispiel etwa 4200/min), erreicht der Motor seinen größten Wirkungsgrad. Dort sind die Prozentsätze am höchsten, sodass der Motor die beste "Füllung" erhält. Der Einsatz von verschiedenen Techniken (z. B. variable Ventilsteuerung, variables Ansaugrohr oder Einsatz eines Turboladers) führen zur Erhöhung des Füllungsgrads.

Luft-Kraftstoff-Verhältnis

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Gino Decoster, ZDK/Promotor (1)

Die erforderliche Luft-Kraftstoff-Zusammensetzung ist im AFR-Kennfeld (siehe Tabelle) angegeben. AFR ist die Abkürzung für Air Fuel Ratio. Mit dem stöchiometrischen Mischungsverhältnis (Lambda = 1) steht gerade genug Luft zur Verfügung, um den gesamten Kraftstoff vollständig zu verbrennen. Dies ergibt dann 14,7 kg Luft auf 1 kg Benzin. Ein stöchiometrisches Mischungsverhältnis ist aber nicht in allen Situationen wünschenswert.

Wenn der Motor mehr Leistung (P) liefern muss, findet eine Anreicherung statt. Die Verdampfung dieses zusätzlichen Kraftstoffs in einem so reichhaltigen Gemisch sorgt für Kühlung. Die Anreicherung nach λ = 0,8 bedeutet, dass ein Mischungsverhältnis (AFR) von 11,76 kg Luft auf 1 kg Benzin erfolgt. Es gibt dann nicht genug Luft, um diese Menge Kraftstoff vollständig zu verbrennen. Dies führt zu einem höheren Kraftstoffverbrauch und mehr Rohemissionen.

Ein mageres Gemisch verbessert den Kraftstoffverbrauch (be), erhöht aber das Klopfrisiko. Die Anreicherung oder Abmagerung des Gemisches muss immer innerhalb der Verbrennungsgrenzen bleiben.

Im Leerlauf liegt die Drehzahl zwischen 600 und 900/min. Die Drosselklappe ist fast vollständig geschlossen und der Unterdruck ist hoch: Er liegt zwischen 25 und 40 kPa. Das Gemisch ist in diesem Fall stöchiometrisch (14,7 : 1).

Bei Teillast und einer Motordrehzahl von 4200 /min öffnet die Drosselklappe weiter. Der Unterdruck im Ansaugkrümmer sinkt auf 40 bis 75 kPa. Mit zunehmender Motorlast nimmt der Unterdruck ab und es findet eine Anreicherung statt. Bei geringer Motorlast ist ein mageres Gemisch möglich. Bei Volllast ist die Drosselklappe vollständig geöffnet. Der Unterdruck fällt auf 100 kPa (Außenluftdruck), und es findet eine maximale Anreicherung statt (12,5 : 1).

Betriebszustand und Gemischzusammensetzung

Der Lambda-Wert beeinflusst nicht nur die Leistung und den Kraftstoffverbrauch, sondern auch die Abgasemissionen. Ein fettes Gemisch führt zu einem geringeren NOX-Gehalt, aber auch zu höheren CO- und HC-Emissionen. Bei einem mageren Gemisch sind die Kraftstoffteilchen weiter auseinander, sodass die Verbrennung nicht mehr optimal ist und die HC-Emissionen zunehmen.

Bei Einsatz eines Katalysators ist es wünschenswert, dass die Einspritzung ständig abwechselnd fett und mager ist. Bei einem fetten Gemisch entsteht CO durch Sauerstoffmangel, bei dem der Kat das NOX reduziert. Ein mageres Gemisch enthält einen Überschuss an Sauerstoff, wodurch CO und HC oxidiert werden.

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Andere Faktoren

Das Motorsteuergerät bestimmt permanent und in Echtzeit die Menge des einzuspritzenden Kraftstoffs. In erster Linie werden die grundlegenden Einspritzdaten aus den Kennfeldern gelesen. Die Werte aus den Kennfeldern VE und AFR werden in die Einspritzmengenberechnung einbezogen.

Folgende vom Hersteller festgelegte Werte sind ebenfalls zu berücksichtigen:

► Anreicherung in Abhängigkeit von Kühlmittel- und Ansauglufttemperaturen

► kurze Beschleunigungsanreicherung beim (schnellen) Öffnen der Drosselklappe

► Korrektur durch Variation der Bordspannung.

Kontinuierliche Anpassung

Zusätzlich zu diesen Sollwerten berücksichtigt das Motorsteuergerät (ECU) sorgfältig die Spannungen, die die Lambda-Sonde an das Steuergerät sendet. Diese Spannungen sind abhängig vom Sauerstoffgehalt in den Abgasen.

Dies ist ein variabler Faktor, der sich im laufenden Motorbetrieb kontinuierlich ändert. Die Eingabe dieser Sensorspannungen wird im sogenannten Fuel Trim (Kraftstoffregelsystem) verarbeitet.

Lange oder kurze Ansteuerung

Die Fuel Trim sind Korrekturfaktoren, um die eingespritzte Kraftstoffmenge bei Bedarf anzupassen. Der Verschleiß und die Verschmutzung von Motorkomponenten, Sensoren und Stellgliedern wird berücksichtigt. Mithilfe der Fuel Trim werden die Abgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs innerhalb der gesetzlichen Normen gehalten.

Mit einer positiven Kraftstoffanpassung versucht die ECU, das zu magere Gemisch fetter zu machen. Bei einer negativen Kraftstoffanpassung macht die ECU das Gegenteil, sie magert das zu fette Gemisch ab. Die ECU tut dies, indem sie die Einspritzventile länger oder kürzer ansteuert.

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Kurz- und Langzeit-Kraftstoffregelung

Es wird zwischen der Kurzzeit-Kraftstoffregelung (Short Term Fuel Trim – STFT) und der Langzeit-Kraftstoffregelung (Long Term Fuel Trim – LTFT) unterschieden.

Für die Kurzzeit-Kraftstoffregelung (STFT) bestimmt der Istwert der Lambda-Sonde im geschlossenen Regelkreis das Luft-Kraftstoff-Verhältnis (AFR). Die STFT ändert sich ständig bei laufendem Motor aufgrund von kurzfristigen Anpassungen und temporären Änderungen.

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Wird bewusst ein Vakuumleck erzeugt, z. B. durch Entfernen eines Kurbelgehäuse-Entlüftungsschlauchs, fügt die ECU sofort mehr Kraftstoff hinzu, um die Gemischzusammensetzung innerhalb der Verbrennungsgrenzen zu halten. Die STFT steigt dann beim Auslesen sehr schnell an. Die STFT wird bei jedem Abstellen oder Starten des Motors zurückgesetzt.

Die Langzeit-Kraftstoffregelung (LTFT) besteht aus adaptiven Lernwerten, die über einen längeren Zeitraum aus dem STFT gebildet werden. Der Wert der LTFT wird im sogenannten Arbeitsspeicher der ECU gespeichert. Beim Abstellen des Motors werden die Werte des Arbeitsspeichers im Festwertspeicher übertragen. Der Wert der LTFT wird somit nicht zurückgesetzt, wenn der Motor aus- oder eingeschaltet wird.

Die LTFT-Daten können mit Diagnosegeräten gelöscht werden. Bei der nächsten Fahrt wird dann durch einen Readiness-Test erneut über die Kurzzeit-Kraftstoffregelung eine Anpassung der Langzeit-Kraftstoffregelung vorgenommen, falls dies notwendig ist. Die Werte der Kurz- und Langzeit-Kraftstoffregelung werden in den meisten Fällen in Prozent angegeben. Es kommt auch vor, dass über das Diagnosegerät nur die PID-Werte bzw. die Adaptionswerte angezeigt werden. Sie müssen sowohl im Leerlauf als auch bei höheren Geschwindigkeiten so nahe wie möglich bei 0 % liegen.

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Eine Veränderung von 10 % entspricht auf der Messtabelle 13 Schritten (128 + 13 = 141 Schritte). Unser Beispiel der adaptiven Lambda-Regelung im Bild oben zeigt die Bandbreite der möglichen Kraftstoffanpassungen. Eine Schrittzahl von 154 (128 + 26 = 154 Schritte) bedeutet also 20 % mehr Kraftstoff im Einspritzmoment.

Das prozentuale System wurde zur einfacheren Fehlerbewertung entwickelt, weil die Schrittzahlen schwieriger zu verstehen sind. Sieht man jedoch eine Zahl von z. B. +20 %, gibt dieser Wert dem Kfz-Mechatroniker sofort zu verstehen, dass im Motorsteuergerät eine Kraftstoffzugabe von 20 % zum "normalen" Wert errechnet wurde.

Wenn der Prozentsatz kleiner als -10 % oder größer als 10 % ist, liegt meist ein Problem vor. Wird der Toleranzwert der Langzeit-Kraftstoffregelung (LTFT) überschritten, leuchtet die MIL-Leuchte auf. LTFT-Werte, die um 20 bis 25 Prozent steigen, setzen in der Regel einen Fehlercode P0171 oder P0174 – Gemisch zu mager. LTFT-Werte, die auf negative 20 bis 25 Prozent fallen, setzen in der Regel einen Fehlercode P0172 oder P0175 – Gemisch zu fett.

Ursachen von Abweichungen

Wenn die Kraftstoffanpassung positiv ist, z. B. +20 %, bedeutet dies, dass das Gemisch zu mager ist.

Ein zu mageres Gemisch kann folgende Ursachen haben:

► Leckage von Abgasen vor oder unmittelbar hinter der Lambda-Sonde

► Falschluft, Vakuumleckage infolge eines gebrochenen Einlass- oder Kurbelgehäuse-Entlüftungsschlauchs

► Verunreinigung oder ein Defekt des Luftmassenmessers oder der Lambda-Sonde

► geringe Kraftstoffabgabe aufgrund einer defekten Benzinpumpe oder Verstopfungen im Filter oder den Einspritzventilen.

Ein zu fettes Gemisch führt zu einer negativen Kraftstoffanpassung (z.B. -20 %). Dies kann verursacht werden durch:

► Kraftstoffundichtigkeiten an einem oder mehreren Einspritzventilen

► stark verschmutzte Luftfilter oder eine Verstopfung in der Ansaugleitung

► falsches Luftmassensignal oder Luftmassenmesser defekt

► ein Problem mit der AGR

► zu hohen Kraftstoffdruck durch fehlerhaften Kraftstoffdruckregler oder verstopften Rücklauf

► falsche Kühlmitteltemperatur.

Fehlersuche ohne Fehlercode

Nicht nur bei emissionsbedingten Fehlfunktionen, sondern auch wenn keine Störungslampe leuchtet, kann die Prüfung des Kraftstoffregelsystems sinnvoll sein. Ein kleines Vakuumleck kann vom aufmerksamen Fahrer oder Techniker bemerkt werden, weil der Motor unregelmäßig oder ruckartig läuft, obwohl keine Fehlermeldung angezeigt wird.

Dies kann daran liegen, dass die Abweichung zu klein ist, um einen Fehlercode zu erzeugen. Die Parameter im Messwertaufnehmer zeigen die STFT und LTFT pro Zylinderreihe an.

Fazit

Durch die adaptive Anpassung der Einspritzmenge kann es passieren, dass auftretende Fehler überdeckt, d. h. adaptiert werden. So macht sich das Ansaugen von Falschluft nicht mehr durch unruhigen Motorlauf bemerkbar, weil durch die Kraftstoffadaption λ = 1 eingehalten wird.

Andere Fehler, zum Beispiel abgenutzte Einspritzventile, Kompressionsverlust der Zylinder, Verstopfungen des Kraftstoffsystems usw., gleicht das adaptive Regelsystem ebenfalls aus. Deshalb sollte man bei vermuteten Fehlern die Werte der adaptiven Kraftstoffanpassung näher betrachten. Der angezeigte Wert der Langzeit-Kraftstoffregelung kann daraufhin zur eindeutigen und rechtzeitigen Fehlererkennung herangezogen werden.