VW Corrado Kaufberatung: VW Golf macht auf Sport-Coupé

VW Corrado Kaufberatung
VW Golf macht einen auf Sport-Coupé

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Dieser Text ist meinem alten Spezi Gerhard gewidmet. Er war in den 70ern, 80ern und 90ern ein in der Wolle gefärbter VW-Fan. Er fuhr den ersten Golf GTI in unserer Clique, stieg später auf VW Scirocco um. Erst den Einser, dann den Zweier.

Serienmäßig? Nö. Kaum eingefahren, kamen die Kisten zu Nothelle in Mülheim. 1,9 statt 1,6 Liter Hubraum, bis zu 170 PS im Scirocco I also. Und im Zweier-Scirocco, der irgendwie mädchenhaft rüberkam im Vergleich zum kantigen Einser-Keil, waren es dann 2,1 Liter und rund 190 PS. Die Zutaten: eine bis aufs letzte Mü erhöhte Verdichtung, gemachter Kopf, Fächerkrümmer und eine Nockenwelle, die den Leerlauf so strubbelig machte, dass man an der Ampel dachte, jeden Moment springe der rumpeldipumpelnde Motor aus dem Auto.

Es war also fast abzusehen, dass Gerhard 1988 auf den Corrado umstieg. Denn der hatte als G60, mit dem die Serie damals startete, schon serienmäßig 160 PS. Die Tuner scharrten schon mit den Hufen, und Gerhard scharrte wie viele andere mit.

Der VW Corrado war kein Schnäppchen

Den Corrado hatte VW ursprünglich als Ablösung für den Zweier-Scirocco gedacht, doch irgendwie waren den Wolfsburgern bei der Entwicklung die Kosten davongelaufen. Als der G60 auf den Markt kam, kostete er mit 42.500 Mark rund 10.000 Mark mehr als der teuerste Scirocco, der GTX 16V.

Dafür gab es dann 160 katalysator-gereinigte statt 139 Non-Kat-PS und das deutlich maskulinere Auto. Der Scirocco durfte weiterleben bis 1992 und die weniger spendablen Coupé-Fans bedienen. Dann gab er den Staffelstab des erschwinglichen VW-Coupés weiter an die 16V-Version des VW Corrado mit 136 und den braven Zweiliter-Zweiventiler mit 115 PS, der 1993 erschien.

Gerade der Zweiventiler war sozusagen Grundversorgung, ohne Änderungen dem Konzernregal entnommen, aus dem er auch in den Passat wanderte. Ein braver Zieher mit Manieren, aber ohne das kleinste Feuerwerk obenheraus, das ja irgendwie zu einem Sportwagen gehört. Der VW Corrado 16V bot da ein wenig mehr und ist auch für heutige Verhältnisse ein ordentlich motorisiertes Auto. 200 km/h Spitze schaffte immerhin schon der 115-PS-Zweiliter.

1988 fing beim VW Corrado alles an

Aber erst mal zurück zu den Anfängen, zurück ins Jahr 1988. Da trumpfte der VW Corrado auch als modernere Konstruktion auf, weil er auf der Plattform des Golf II basierte, während der Scirocco II noch ein Ableger des Einser-Golf aus den frühen 70ern war. Mehr Radstand, ausgeklügeltere Radführungen, größere Bremsen, mehr Platz im Innenraum, dazu eine stramme Servolenkung und ABS - das sprach für das neue Coupé, das unter den Namen "Hurrikan" und später "Taifun" entwickelt worden war.

Den Designern unter Herbert Schäfer war ein 2+2-Sitzer gelungen, in dessen zweiter Reihe spürbar mehr Platz war als im Scirocco - und der dennoch nach Power aussah mit seinen relativ knappen Überhängen und der bulligen Seitenlinie, die keinen Gedanken an Schnörkel erkennen ließ.

Der Bug mit den zwei Breitbandscheinwerfern und das Heck mit dem Spoiler, der bei 120 km/h aus- und bei 40 km/h einfuhr, waren ebenso unverspielt gezeichnet und zeigten auch aerodynamische Effizienz: Mit einem cw-Wert von 0,32 unterbot der VW Corrado sogar den schlanken Porsche 924S, der es immer noch auf 0,33 brachte.

Corrado und Scirocco waren die Tuningobjekte

Der Über-Scirocco war ein attraktives Coupé, das keine großen Räder braucht, um zu gefallen. Vor allem auf den vielspeichigen BBS-Rädern stand er auch mit nur 15 Zoll proper da und tut es auch noch heute. Ja, ein wenig nüchtern erscheint der VW Corrado dem einen oder anderen. Doch er war ein erfrischendes Auto des VW-Konzerns, dessen Produkten Spötter damals immer wieder gern ein sterbenslangweiliges Heide-Design attestierten.

Technisch hatte der Corrado es ohnehin drauf. Denn wie in einer kleinen 500er-Serie des Polo werkelte im G60 ein mechanisch angetriebener Spirallader, an dem VW viele Jahre getüftelt hatte, ehe er zur Serienreife gelangte. Audi hatte da schon längst Turbo-Benziner am Start. Wieso man nicht einfach dieses Know-how ...? Wer so fragt, hat die Volkswagen-Welt von damals nicht verstanden. Wäre ja noch schöner, wenn man im Konzern entwickelte Technik öfter als nötig einfach übernimmt.

G-Lader also. Im Polo war ein kleiner Lader mit 40 Millimetern Spiralbreite (daher G40) verbaut, im Corrado einer mit 60 Millimetern. Der G60 bescherte dem 1,8-Liter-Langhuber, der einige Jahre zuvor im Golf I GTI mit 112 PS Premiere gefeiert hatte, dank 0,7 bar Ladedruck 160 PS und ein Spitzendrehmoment von 225 Nm. Über einen weiten Drehzahlbereich standen stets mehr als 200 Newtonmeter zur Verfügung, und bis auf ein klitzekleines Zaudern beim Druck aufs Gaspedal packt der G60-Motor so rundum willig an wie ein viel größerer Sauger. Eine geschmiedete Kurbelwelle, natriumgekühlte Auslass- und gepanzerte Einlassventile gehören zum Dauerhaltbarkeitspaket des Motors ebenso wie die von VW entwickelte Motorsteuerung Digifant und - klar doch - ein Ladeluftkühler.

Rücksicht auf den Lader

Ein gieriger Drehzahl-Junkie war der G60 allerdings nicht. Bei 6.300 Umdrehungen war Schluss, denn bei dieser Drehzahl rotiert der Lader schon mit 11.000/min. Viel mehr wollte VW dem filigranen Teil auf Dauer nicht zumuten. Das hielt Tuner aber nicht davon ab, mit den Durchmessern der Riemenscheiben zum Laderantrieb zu experimentieren. Und zack: Schon gab es G60 mit 190 PS und mehr. Und klar: Gerhard, der Leistungs-Junkie, war unter den Ersten, die sich die Extraportion Leistung gönnten.

Auch klar, dass das mit der angehobenen Drehzahl des Laders auf Dauer nicht immer gut ging. Der G-Lader, in der Fertigung nicht ohne Tücke, verrauchte schon ohne Tuning nicht selten nach 80.000 Kilometern und wurde zum gefragten Ersatzteil. Bei getunten G60 wäre eine Lader-Flatrate für Typen wie Gerhard nicht schlecht gewesen. Mittlerweile gibt es verbesserte Teile auf dem Markt.

Der VW Corrado hat Rauch in der Stimme

Doch wozu die Tunerei? Im Herbst 1991 kam der VR6 mit 190 PS aus einem 2,9 Liter großen Sechszylinder. Das aus dem Passat bekannte, im Hubraum vergrößerte Triebwerk baut zwar dank nur 15 Grad Zylinderbankwinkel schmal, dennoch musste VW dafür Vorderradführung, Kotflügel, Grill und Motorhaube anpassen. Das gibt dem VR6, der dem G60 bis 100 km/h eine Sekunde abknöpft und die Tachonadel über die 240er-Marke treibt, ein nochmals bulligeres Aussehen.

Alle Modelle bekamen damals auch einen von 55 auf 70 Liter vergrößerten Tank, was für den Kauf eines später gebauten Exemplars spricht. Dem Interieur ging es dagegen erst ein Jahr später, im Herbst 1992, ans Leder: Drehregler ersetzten die Schieberegler und Druckschalter so manchen der Kippschalter. Neue Türverkleidungen gab's und besser platzierte Fensterheberschalter, und die Rundinstrumente hinterm auf Wunsch höheneinstellbaren Lenkrad glänzen seither mit neuer Typografie und roten Zeigern.

Rost ist beim VW Corrado kein Problem

Nichts änderte sich an der zwar leichtgängigen, aber beim schnellen Schalten hakeligen Seilzugschaltung und an der guten Rostvorsorge, unter anderem mit verzinkten Blechen an Türen, Motorhaube und Heckklappe. Sie ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die nicht totgetunten oder final verformten Überlebenden der harten Gebrauchtwagenjahre heute ziemlich proper beisammen sind.

Erstaunlich, wie gut und fest sich ein Corrado auch heute noch anfasst. Wurde er nicht durch eines der beliebten Tiefer-breiter-härter-Fahrwerke malträtiert, stört auch kein Quietschen und Zirpen den guten Qualitätseindruck. Okay, die Zentralverriegelung streikt gern einmal, ebenso wie die Tasten der elektrisch verstellbaren Recaros, die es später optional gab.

Und ja, bei manchen Exemplaren neigen die Türgriffe zum Wackeln. Peanuts alles in allem. Im Grunde ist der Corrado ein ganz solider Typ, der heute für relativ wenig Kohle Spaß in den Alltag bringen kann. Ein toller Daily Driver, der auch mit Schnee und Eis zurechtkommt, dafür aber im Grunde schon wieder zu schade ist, weil es so viele Gute nicht mehr gibt.

Kauftipp: VW Corrado G60 oder VR6

Für den Winter wäre der VR6 mit seiner elektronischen Differenzialsperre jedenfalls bestens geeignet. Doch womöglich ist es sinnvoller, den Corrado für die schönen Tage aufzuheben. So richtig teuer sind selbst gute Stücke zwar nicht, doch G60 und VR6 dürften bald rapide im Wert steigen.

Jeder für sich ist ja ein Solitär und daher höchst sammlungswürdig. Denn einen Kompressor-Vierzylinder hat es seither in keinem VW-Coupé mehr gegeben, und einen Sechszylinder ebenso wenig – wenn man das langweilige Cabrio-Coupé Eos und seine V6-Version mal berechtigterweise mit Missachtung straft. Corrado? Einfach machen, und gut ist’s.

VW Corrado G60
Frank Herzog