Treser TR 1 Cup im Fahrbericht: Gescheitertes Wunderauto

Treser TR 1 Cup im Fahrbericht
:
Gescheitertes Wunderauto

Treser TR 1 Cup © Mutschler, Hardy 14 Bilder

Auf der IAA 1987 wurde der Treser TR 1 als Wunderauto gefeiert, schaffte es  aber nie in die Serienfertigung. Nur 25 TR 1 wurden gebaut. Wir fahren einen davon: den von Ex-Autofabrikant Walter Treser.

Kompletten Artikel anzeigen

Ein weiser Autohändler sagte einmal den Satz: Mit Sportwagenbau kann man leicht ein kleines Vermögen machen. Wenn man mit einem großen anfängt. Walter Treser fing vor 20 Jahren ungeschickterweise mit einem kleinen Vermögen an, Autos zu bauen. Die Folge: Nach 25 Exemplaren seines Mittelmotor-Sportwagen TR 1 war die Walter Treser Automobilbau GmbH in Berlin bankrott.

Der Treser TR 1 wurde um das Dach herum konzipiert

Walter Treser gibt uns die Schlüssel zu dem einzig fahrbereiten seiner drei eigenen TR 1. Es ist eines der 22 Cup-Modelle. Sie wurden statt einer Nullserie gebaut. Ihnen fehlt das ingeniöse Klappdach mit der Patentnummer 33 17 603. "Wir haben das Auto um das Dach herumkonzipiert", erklärt Treser. An zwei Haken entriegelt, rutscht das Hardtop beim Roadster auf Knopfdruck in die Lücke zwischen Notsitzen und Motorraum.

Neben den 22 Cup-Autos entstanden noch drei weitere: ein Vorserien-Roadster und die beiden Treser TR 1, die auf der IAA 1987 standen: ein roter Roadster und ein schwarzes Coupé. Obwohl Walter Treser mit seiner Vergangenheit als Autofabrikant lange fremdelte, hat er auch diese beiden Autos inzwischen wieder aufgetan und restauriert die rot-schwarze TR 1-Koalition.

"Nach der Pleite wollte ich mit den Autos gar nichts mehr zu tun haben. Erst nach meiner Pensionierung habe ich wieder begonnen, mich für meine Autos zu interessieren. Als Hobby ich kann ja nicht den ganzen Tag Rasen mähen." Körperlich weniger anstrengend als Gartenarbeit ist eine Fahrt im Treser TR 1 Cup auch nicht.

Wenig Platz und viel Dynamik

Das fängt beim Einstieg in den Treser TR 1 an: Fahrertürchen auf. Linke Hand auf den Scheibenrahmen. Rechte auf den Überrollbügel. Im gehocktem Bocksprung mit 90-Grad-Linksdrehung über den Schweller. Beine am Lenkrad vorbei in den Fußraum zirkeln. Von oben in den Schalensitzrutschen, der den Körper festklammert wie ein Skischuh den Fuß. Sich rauswärts zu wuchten, ist noch schwieriger. Gegen den Cup-TR 1 rangiert selbst ein Smart Roadster beim Einstiegskomfort auf dem Niveau eines Niederflurbusses. Also bleibt man besser erst einmal vierpunktgegurtet sitzen.

Das Lenkrad des Treser TR 1 lässt sich mitsamt den Instrumenten in der Höhe verstellen. In Querrichtung wäre nötiger. Wegen der eng am Mitteltunnel montierten Schalensitze stimmt seine Position nicht: Es steht viel zu weit links. Statt der Stirn zielt das linke Schlüsselbein auf die Prallplatte des Treser-Ledervolants. 

Vierzylinder mit bis zu 170 PS sorgen für Vortrieb

Ansonsten finden sich im Innenraum des Treser TR 1 viele Teile aus dem VAG-Konzern wieder: die Hebel am Lenkrad, die Lüftungsschieber, der Zündschlüssel. Auch den Vierzylinder steuerte Volkswagen bei: 1,8 Liter Hubraum, 16 Ventile, das Golf II GTI 16V-Triebwerk. Im Serien-TR 1 leistet er 130 PS, in der Cup-Version deutlich mehr. Treser mag es auf 170 PS bringen, durch eine angeschärfte Nockenwelle. Die pfeffert aber ordentlich Vibrationen durch den Wagen. Der Motor stirbt lieber ab, als unter 2.000 Touren zu laufen. Rumpelt, rüttelt und schüttelt, brüllt seinen stakkatohaften Beat nur schwach gedämpft heraus.

Entäuschendes Seilzug-Getriebe aus dem B3-Passat

Bei diesem Sportmotor erwartet man ein klack-klack-klack-Getriebe und wird bitter enttäuscht. "Man muss nur den VW-Baukasten beherrschen", sagte Walter Treser 1986. Er fischte daraus für den TR 1 nicht nur den 16V-Motor,sondern auch das Getriebe aus dem Passat B3.

Noch bevor es 1988 sein wenig rühmliches Seriendebüt in der Wolfsburger Limousine gab, sorgte es ab 1987 im Treser TR 1 dafür, dass man beim Schalten dieselben Handbewegungen macht wie beim Teigrühren. Das Seilzug-Getriebe ist geradezu vollkommen in seiner Unexaktheit. Für die Wege, die die Schalthand zurücklegt, sollte man Kilometergeld verlangen. Jedoch kann selbst die unerquickliche Fünfgang-Box die Freude am Treser nicht verderben. Irgendwann findet sich ein richtiger Gang. Die Kupplung reagiert wie ein Lichtschalter, trennt und verbindet ohne Spiel - der Treser TR 1 schiebt mächtig voran.  

Aluminium-Verbund mit Kunststoffkarosserie

Er wiegt ja nicht schwer. Seine Kunststoffkarosserie baut auf einem geschweißten, geklebten und genieteten Alu-Verbund-Sandwich auf  eine ähnliche Konstruktion, wie sie Audi ab 1994 für den A8 nutzte und Alu-Space-Frame nannte. Dieser Rahmen verleiht dem leichten Treser TR 1 die Steifigkeit eines Tresors.

Als Autobauer war mir der Ingenieur Colin Chapman immer mehr ein Vorbild als der Finanzmann Enzo Ferrari. "Ich mochte es lieber klein, leicht, intelligent. Viel Leistung allein war mir zu einfach. Mit vollen Hosen zu stinken, ist zwar leicht, aber nicht sehr schlau", erklärt Walter Treser und zeigt auf das Resultat: den Treser TR 1.

Zwei Golf-Vorderachsen bilden das famose Fahrwerk

Serienmäßig sollte der Treser TR 1 zum Cruisen einladen. Dabei ist Bummeltempo Verschwendung am Fahrwerk. Es besteht aus zwei Golf-Vorderachsen. Eine sitzt artgerecht vorn, die andere mit dem um 180 Grad gedrehten Motor hinten. Das Mittelmotor-Layout ist bekanntlich prächtig für Gewichtsverteilung, Handling und Traktion.

Mit der breiten 16-Zoll-Bereifung liegen die möglichen Kurvengeschwindigkeiten des Treser TR 1 weit jenseits von gut und sehr nah bei böse. Man möchte gar nicht wissen, ob der lange neutral liegende TR 1 im Grenzbereiche ventuell zickig unter- oder vielleicht doch zackig übersteuert. Denn in der Sekunde, in der man es erfährt, fliegt man ganz sicher höllisch ab. Mittelmotorautos nicht reizen! Selbst wer es sich traute, bräuchte aber eine präzisere Lenkung. Die im Treser TR 1 gibt sich bockig, spricht mit unterschiedlicher, aber stets beachtlicher Schwergängigkeit an.

Der Treser TR 1 ist spartanisch unterwegs

Dazu passt die ehrliche Federung des Treser TR 1. Sie muss sich keinesfalls nachsagen lassen, für die Verweichlichung des Piloten zu sorgen. Ohnehin reist es sich im Cup-Treser spartanisch. Das fehlende Dach wurde schon erwähnt. Der Verzicht auf Seitenscheiben erscheint da sehr folgerichtig. Sie werden wegen der hohen Gürtellinie ohnehin nicht vermisst. Die weit nach hinten gezogene Windschutzscheibe leitet den Fahrtwind fast komplett über die Köpfe der Passagiere hinweg. Mehr als ein bisschen Haare kraulen darf der Wind nicht.

Nach einer Ausfahrt im Treser TR 1 fühlt man sich so angenehm gefordert und angeregt ermattet wie nach einem langen Waldlauf. Ein bisschen wehmütig tobt man mit ihm durch die letzten Kurven. Und wünscht sich, Walter Treser hätte vor 20 Jahren in Berlin doch mit einem großen Vermögen angefangen.

Tabelle (techn. Daten)

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle zeigen wir weitere Inhalte, die den Artikel ergänzen. Mit Klick auf den Button geht es weiter zu unserer mobilen Website.

Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen auto motor und sport eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.

Meist gelesen 1 VW-Motor mit Stirnrad-Antrieb VW entwickelt neuen Verbrenner ohne Zahnriemen 2 Dacia Duster und Suzuki Vitara im Test Welcher Discount-SUV ist besser? 3 Porsche Cayenne GTS und Audi SQ7 im Test Der eine fetzt, der andere federt besser 4 Dacia Bigster endlich gefahren Günstiger Riese mit überraschendem Komfort 5 Rückruf Ford Fiesta, Puma, Transit/Tourneo Courier Problem an der Kraftstoffleitung - Brandgefahr