Ein Auto fürs ganze Leben? Wollte der Renault 5 niemals sein. Stattdessen begleitete er uns nur ein Stück des Weges. Und wenn wir nicht merkten, dass seine Zeit mit uns vorbei war – er wusste das immer. Dann verkrümelte er sich, das gelang ihm gut mit seinem dürren Blech. Aber er konnte ja noch so viel mehr.
Leichtsinn im R5

Der Fahrtwind flattert durch die offenen Seitenscheiben, struwwelt dir durchs Haar und fegt all die Jahre, ein halbes Leben fast, zurück. Denn um die Zauber, Möglichkeiten und Freiheiten zu verspüren, die ein Renault 5 dir verspricht, musst du einmal jung gewesen sein, und überzeugt, dass dir nichts etwas anhaben kann. Sonst wären all diese wunderbaren, grandiosen, leichtsinnigen Abenteuer nicht passiert, in die der R5 verwickelt war, oder sich zumindest verwickeln ließ. Damals stehen uns mit dem Renault 5 alle Wege offen.
Es geht um Leichtigkeit beim Renault 5, in der Bau- ebenso wie in der Lebensweise. Er will nie mit Status beeindrucken oder in Sicherheit wiegen. Erst recht nicht will er ewig bleiben. Er ist ein Gebrauchsgegenstand, der ein paar Jahre gut funktioniert, danach noch ein paar Jahre eher weniger gut. Das war es dann. Pflegen, aufbewahren, restaurieren? Alles, was über das zweijährliche Sanierungsschweißen für die Hauptuntersuchung geht, empfindet er als sentimental. Seine Besitzer sehen das ebenso.
Type 122 als R4-Nachfolger

Es liegt in seinen Anlagen. Seit 1967 entwickeln sie bei Renault am Projekt 122, einem Kleinwagen, der die Technik von R4 und R6 auftragen soll, aber weniger kastig, dafür moderner und fescher daherkommen soll, ohne die Pragmatik zu vernachlässigen. Designer Michel Boué entwirft ein kleines Trapez mit großer Heckklappe, Motorhaube und Rädern – eine Linie, die in der zweiten Generation des Renault 5 Bestand haben wird. Denn, so der damalige Renault Designchef Opron beim Debüt des sogenannten Supercinq 1984: "Obwohl wir uns bemühten, konnten wir keine bessere Form für den 5er finden als die des Alten." Die, und damit endet der Exkurs zur zweiten Generation, überarbeitet und modernisiert übrigens Stratos-Schöpfer Marcello Gandini.
Bis dahin sollte sich der erste Renault 5 aber erst noch fünfeinhalb Millionen Mal verkaufen. Er steht 1972 auf dem Genfer Salon, zufällig rechtzeitig zur ersten Ölkrise. Ein kleines, cleveres, lebensfrohes Auto, dem die sture Nutzhaftigkeit des R 4 abgeht. Fahranfänger, Damen und junge Familienväter sollen sich mit der Revolverschaltung durch die vier Gänge hakeln, um ihr Leben zu beschleunigen. Anfangs gibt es bei uns zwei Motoren, die Basis mit dem 36 PS starken 845-Kubik-Maschinchen aus dem R 4 und den 956 cm. großen Vierzylinder mit 44 PS.
Über die Jahre dürfen sich stärkere Maschinen den Platz unter der Motorhaube mit dem Ersatzrad teilen, dazu kommen neben Alpine- die dick aufgeplusterten Mittelmotor-Turbos. Gleichzeitig wird der Renault 5 erwachsener. Ab 1976 gibt es ihn nur noch mit Mittelschaltung, seit 1980 auch als Viertürer mit sechs Zentimetern mehr Radstand.
Er sollte nicht da sein
Unser Fotoauto schließlich repräsentiert die letzte Entwicklungsstufe des bürgerlichen Renault 5. Ein Viertürer in GTL-Ausstattung. Renault Deutschland hat ihn 2012 extra für die Feierlichkeiten zum 40. Geburtstag der Baureihe gekauft – wobei die Tatsache, dass der Erwerb in Guerilla-Taktik ohne Wissen des französischen Hauptquartiers und abseits aller Budgetpläne durchgezogen wurde, die Pressestelle fast so sehr begeistert wie der R 5 an sich. Er dürfte eigentlich nicht da sein.
Im doppelten Sinne übrigens, weil es sich auch nicht ganz mit unseren Erfahrungen und Erwartungen zum Renault 5 deckt, ein ebenso unrestauriertes wie brillant erhaltenes und – ja, tatsächlich -, komplett ungeschweißtes Exemplar zu finden.
Kopfstützen entfernt, Sicherheitsgurte unbenutzt

Den Viertürer hat im Januar 1983 ein französisches Ehepaar erst- und bisher einzig zugelassen, bestellte als singuläres Extra Metalliclack. Wie es sich damals für die gallische Lebensart gehört, wurden die vorderen Kopfstützen als konterrevolutionäre Staatswillkür enttarnt und sofort entfernt. Die Sicherheitsgurte des Renault 5 sind selbstverständlich unbenutzt. In drei Jahrzehnten kurvte der kleine Renault allerdings nur 33.000 km durch Frankreich.
Den Renault 5 GTL möblieren vorn weiche, seitenhaltfreie Sessel und ein kleines knautschiges Bänkchen hinten. Haben sich tatsächlich vier Passagiere durch die Türchen gezwängt, ist so ein R 5 schon gleich mal gewaltig voll, dennoch bleibt im Kofferraum noch Platz für offiziell 215 Liter Gepäck. Aber da haben wir noch gar nicht an all die alternativen Verstaumöglichkeiten gedacht, die dafür sorgten, dass immer auch Bierkästen, Schlafsäcke, Zelte, Campingkocher, Töpfe, Cassettenrecorder, Wasserpfeifen und viel weiteres Wasweißichnoch irgendwie reinpasste.
Motoren: 45 PS reichten damals

Unter der Haube des Renault 5 GTL sitzt in der ersten Generation der 1,1-Liter-Vierzylinder längs. Er leistet 45 PS, wobei es noch immer nicht viel zu motorisieren gibt beim R 5 mit seinen 770 Kilo Gewicht. Der Anlasser orgelt den 1100er in einen prustigen, chokegestützten Leerlauf. Der erste Gang des stocherigen Fünfganggetriebes rastet ein. Handbremshebel runter, Kupplungspedal hoch, und der kleine Renault bricht sacht auf. Nach etwas Insistieren lassen sich auch die Gänge zwei, drei, vier und fünf auffinden. Der R 5 knattert quirlig durch den Stadtverkehr, bietet dabei wegen schmaler Dachsäulen, großer Fenster und der ebenen Motorhaube beste Übersicht.
Dann ist der Renault 5 raus aus der Stadt. Weich gefedert wogt, wankt, gautscht und schunkelt er über Land. Die Straße leer und breit. Ja, viel breiter als sonst, weil der R 5 so schmal ist, 1,53 Meter nur. Heute breitet sich ein Clio auf 1,73 Meter aus, und wir wundern uns und jammern, dass kein Platz auf den Strecken bleibt.
Renault 5 findet immer eine Ideallinie
Der Renault 5 dagegen findet selbst auf einer schmalen Spur immer die Ideallinie. Bis aus den sachten Schwüngen richtige Kurven werden. Dann besteht das Problem im hervorragenden Geradeauslauf des R 5, den er auch für Kurven nicht aufgeben mag. Einst feierte das Marketing dieses Fahrverhalten als Gewinn der Sicherheit: "In Kurven kündigt sich der Grenzbereich frühzeitig durch Untersteuern an."
Ja, das stimmt, und dabei schubbert der Renault 5 über seine dürren 135er-Reifen sogar, als sei das Wort für ihn erfunden. Den Rest der ohnehin betulichen Agilität ruiniert noch die Lenkung. Das Netteste, was sich über sie erzählen lässt, ist, dass sie die Richtung des Autos beeinflussen kann. Es gelingt aber nur unpräzise, indirekt und mit enormem Kraftaufwand.
Schon klar, dass viele Renault 5-Fahrer sich auf die Fähigkeiten der "Schutzschild" genannten, bis sieben km/h rempelresistenten Rundumbeplankung verließen und Parklücken lieber per Kontaktschiebung vergrößerten als sich mühsam in vier Zügen einzurangierten. Doch die Narben eines großen, wilden Lebens trug der R 5 immer mit Stolz. Und als er ging, hatte er bewiesen, dass er nicht rasten musste, um zu rosten.
Renault 5 GTL | |
Außenmaße | 3531 x 1525 x 1402 mm |
Kofferraumvolumen | 215 l |
Hubraum / Motor | 1108 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 33 kW / 45 PS bei 4400 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 137 km/h |
Verbrauch | 6,3 l/100 km |