Auf der IAA in Frankfurt präsentierte Porsche 1993 den 993. Die vierte Generation des 911 ist die letzte mit luftgekühltem Motor. Vier Jahre und 400 Millionen D-Mark investiert Porsche in die Weiterentwicklung des 30 Jahre alten Konzepts. "Der Porsche 911 muss auf dem höchstmöglichen Stand gehalten werden", sagt Entwicklungsvorstand Horst Marchart über die Entwicklungsarbeiten am 993.
Auch wenn im Vergleich zum Vorgänger 964 praktisch nur die Dachlinie unverändert bleibt, ist sofort zu sehen: Das ist ein Porsche 911. Die typischen vorderen Kotflügel sind flacher und breiter, aber immer noch gut geeignet, um Kurven anzupeilen. Die neuen Ellipsoid-Scheinwerfer liegen flacher und sind erstmals beim Elfer gegen Aufpreis mit Xenonlicht zu haben – Porsche nennt die Technik Litronic.
Neue Hinterachse
Das breitere Heck schafft Platz für eine neue Hinterachse: LSA steht für Leichtbau-Stabilität-Agilität und eine Weiterentwicklung der "Weissach-Achse". Die Mehrlenkeraufhängung aus Aluminium sorgt für ein stabileres Fahrverhalten und mehr Fahrkomfort.
Keine Sorge, der Elfer fährt immer noch wie ein Elfer: leichtfüßig, präzise und ein wenig anstrengend. Nur mit trockeneren Handflächen. Und die Armbanduhr, die gerüchtehalber frühe 911 ihren Fahrern bei schneller Autobahnfahrt vom Handgelenk schüttelten, bleibt an Ort und Stelle. Servolenkung hatte schon der 964 als erster Elfer und dort gehörte sie, wie beim 993, zu den besten ihrer Art. Die bemerkenswert präzise Lenkung teilt dem Fahrer unmissverständlich mit, wie der Asphalt unter den Vorderrädern beschaffen ist und wie es um die Griffigkeit der Reifen steht.
Luftgekühlter Boxermotor mit 272 PS – und mehr
Erhalten blieb der fein modulierte, typische Klang des Boxermotors: ein Bollern, Fauchen und Sägen, das immer echt und mechanisch klingt. Der luftgekühlte Heckmotor hat wie im Vorgänger 3,6 Liter Hubraum. Eine steifere Kurbelwelle, leichtere Pleuel und Kolben sowie erweiterte Einlasskanäle bringen 22 PS mehr Leistung.
Hydrostößel sorgen dafür, dass das Ventilspiel einstellen entfällt. Eine Varioram-Ansauganlage steigert die Leistung ab Modelljahr 1996 auf 285 PS – von außen an eckig geformter Auspuffendrohren zu erkennen. Die Endgeschwindigkeit steigt mit Varioram von 270 auf 275 km/h.
Tuning ab Werk
Wer mehr Leistung suchte, fand bei Porsche Exclusive eine Hubraum-Erweiterung auf 3,8 Liter. Die Leistung stieg damit im Modelljahr 1994 auf 285 PS und zwei Jahre später auf 300 PS. Die Motorsport-Abteilung lupfte mit dem Motor Kit 2 die Leistung auf 299 PS und die Höchstgeschwindigkeit auf 280 km/h.
Turbo mit zwei Ladern und Allradantrieb
Der 911 Turbo tritt seinem Fahrer ab 1995 erstmals mit zwei Ladern ins Kreuz: 408 PS und 290 km/h sind die Eckdaten. Wem die 4,5 Sekunden von null auf 100 km/h nicht flott genug sind, dem half Porsche Exclusive mit Leistungssteigerungen auf 430 und 450 PS (Turbo S) weiter. Heute sind solche werksgetunten Elfer einen Aufschlag wert. Speziell der Turbo S ist eine teuer gehandelte Preziose.
Das Schaltgetriebe im 993 ist neu entwickelt, es hat nun sechs Gänge und soll sich präziser schalten lassen. Daran, wie gut sich der Schaltknauf greifen lässt, bemerkt man, mit welcher Präzision und Detailliebe in Zuffenhausen und Weissach gearbeitet wird.
Sonderfall: Tiptronic und Allrad
Optional gibt es das Viergang-Automatikgetriebe Tiptronic, ab Modelljahr 1995 als Tiptronic S mit Schaltwippen am Lenkrad. Ebenfalls im Modelljahr 1995 erscheint der Carrera 4 mit einem neuen, einfacheren Allradantrieb mit Visco-Lamellenkupplung, die zwischen fünf und 35 Prozent der Antriebskraft an die Vorderachse leitet. Erstmals hat der Turbo Allradantrieb, und zwar serienmäßig.
Drei Anzeigen für den Ölhaushalt

Typisch 911: 5 bestens ablesbare Rundinstrumente, links Anzeigen für den Ölhaushalt, mittig für die Drehzahl und rechts für die Uhrzeit.
Die Neuerungen im Innenraum sind schnell abgehakt: schlankeres Airbag-Lenkrad, geänderte Sitze und Türverkleidungen. Als letzter 911 trägt der 993 die fünf Runduhren in klassischer Anordnung: links zeigen drei Instrumente Öltemperatur, -druck und -stand an, mittig sitzt der Drehzahlmesser und rechts eine Zeituhr. Die Tachoskala reicht bis 300, was beim Carrera eine milde Übertreibung darstellt. Bemerkenswert und immer wieder schön ist die klare Gestaltung mit weißen Ziffern und roten Zeigern, die ein zweifelsfreies Ablesen auch beim schnellen Hinschauen erlauben.
Coupé, Cabrio oder Targa?
Auf den Markt kommt der 993 im Herbst 1993 als Coupé. Im Frühjahr 1994 folgt das Cabrio mit leisem, elektrisch betätigten Stoffverdeck und 1995 der Targa mit klassischem Namen und neuem Konzept: Statt eines Dachteils, das von Hand entfernt wird, hat der neue Targa ein Glasdach, das sich elektrisch unter die Heckscheibe schiebt. Der Targa hat immer den 286-PS-Motor und ab Werk eigenständige Fünfspeichen-Räder.
Praktisch gleichzeitig mit dem Targa kommt der Carrera 4S ins Programm, mit breiter Karosserie, Fahrwerk und Bremsen vom Turbo sowie dem Saugmotor des Carrera. Ab 1997 ist diese Kombination auch ohne Allradantrieb im Carrera S zu haben – zu erkennen an den mittig geteilten Lüftungslamellen im ausfahrbaren Heckspoiler. Unter je zwei geschlossenen und offenen Versionen dürfte jeder Interessent seine persönliche Wunschversion finden. Nur einen Targa mit Allradantrieb gab es nicht.
RS und GT2: 993 für die Rennstrecke
Dafür einen Turbo ohne Allradantrieb: Der GT2 gehört unbedingt auf die Rennstrecke, steht jedoch meist in den Garagen solventer Sammler. Dort parkt auch häufig der nur 1.014-mal gebaute RS mit 300 Sauger-PS. Von allen 993-Versionen fertigt Porsche von 1993 bis 1998 insgesamt 68.881 Exemplare.