75 Jahre AMS: Opel Kadett

Original-Test Opel Kadett
Der Keine-Experimente-Prinzipien-Wagen

Neue Automodelle können nicht aus dem Ärmel geschüttelt werden. Zwar kann ein Team guter Konstrukteure in kurzer Zeit eine baureife Konstruktion aufs Reißbrett bringen, aber damit ist es nicht getan, denn das größere Problem ist die Produktion und ihre Vorbereitung. Wenn alle Minute, alle halbe Minute oder noch schneller ein neuer Wagen vom Band rollen soll, dann bedingt das eine Vorbereitungsarbeit, an der die Konstruktion des Wagens das wenigste ist. Es muss ein riesiger Mechanismus auf die Beine gestellt werden, der bei der Planung der Werkzeuge für Zulieferanten anfängt und bei der Anlage des Endmontagebandes aufhört.

Wenn das neue Modell dann erscheint, ist es mindestens ungefähr zwei Jahre alt: so lange muss man vom Erscheinungstag zurückrechnen, um den Zeitpunkt zu finden, an dem der neue Wagen sein endgültiges Gesicht haben musste. Im stark konkurrenzabhängigen modernen Automobilbau sind diese zwei Jahre ein großer Unsicherheitsfaktor: Man kann trotz allen Marktforschungen und Vergleichsüberlegungen nicht sagen, in welche Marktsituation der neue Wagen am Tage X hineingeraten wird. Der Opel Kadett ist ein klassischer Fall für Überlegungen dieser Art; er könnte aus einem Lehrbuch für Eleven der Automobilwirtschaft stammen. Denn der Kadett ist nicht nur ein neues Modell, mit dem ein neuer Käuferkreis angesprochen werden soll, er kommt nicht nur in eine äußerst interessante Wettbewerbslage hinein, er ist nicht nur völlig neu konstruiert, sondern er ist auch noch das Produkt einer vollständig neugebauten Fabrik. Wo er vom Band rollt, war noch vor zwei Jahren nichts als ein ödes Vorstadtgelände, unterhöhlt von Kohlenbergwerken.

Opel Kadett 75 Jahre AMS
Julius Weitmann