Original-Test: Borgward 2,3 Liter

Original-Test Borgward 2,3 Liter
Gutes Anregungsmittel für die Branche

Als das erwartungsvolle Auge zum ersten Mal das mit schwarzem Kunstleder tapezierte Armaturenbrett des neuen großen Borgward abgraste, entdeckte es ein für einen Personenwagen völlig neuartiges Instrument. Es trug eine kreisrunde Anzeigeskala, in Rot und Grün gehalten, unten mit dem Buchstaben "atü" versehen. Angenommen, wir würden ungern unter Motorhaube und Wagen blicken, so wäre dieser Druckmesser das einzige äußere Anzeichen dafür, dass dieses Automobil der erste deutsche Personenwagen mit Luftfederung ist. Und da die Anzeige-Nadel im grünen Feld steht, würde uns nichts daran hindern, die Fahrt zu beginnen: der Betriebsdruck im Luftvorratsbehälter bewegt sich auf seiner vorschriftsmäßigen Höhe von rund 15 atü.

Vielleicht würde aber der anspruchsvolle Stilist Verdacht schöpfen, dass sich hier irgendeinem seiner Kollegen neue Möglichkeiten für die Gestaltung dieses so frappierend niedrigen Wagens eröffnet hätten. Seine Höhe von nur 142 cm (niedriger gegenüber VW um 8 cm, Opel Rekord um 7 cm, Mercedes 220 9 cm), die ihm bei der noch recht respektablen Länge von 471 cm einen ungewöhnlich dynamischen Charakter verleihen, ist durch die Luftfederung realisierbar geworden, die das Niveau des Wagens unabhängig von der Belastung konstant hält. Der "Kollege" des solcherart von Neidgefühlen erfüllten Entwerfers ist kein anderer als der auch als kostensparender Stilist amtierende Carl F. W. Borgward selbst, autokratischer Hauptgesellschafter der gleichnamigen GmbH.

Kein langwierig abwägender Mehrheitsbeschluss eines Vorstandes, Aufsichtsrates oder sonst irgendeines Management führten zu dieser Borgward-Programm-Erweiterung nach oben, sondern der ganz persönliche Wille und die Markteinschätzung dieses heute schon 70-jährigen, mit unverminderter Energie disponierenden Mannes, eines der letzten Pioniere seiner Branche. So wie die Leitung des Geschäftes, so zeigt sich auch seine Basis. Man geht allenthalben direkt die Dinge an, etwas hemdsärmelig zuweilen, und scheut nicht davor zurück, sich der Neuentwicklungen zu bedienen, wo immer sie sich darbieten. Wo andere Firmen zögern – gleicherweise durch eigene Größe und extreme Sorgfalt veranlasst – den konventionellen Weg zu verlassen, hat man sich in Bremen bereits einen Termin gesetzt, um die Öffentlichkeit zu überraschen. Frontverlegungen nach hinten bleiben nicht aus. Man denkt dabei an das unrühmliche erste automatische Getriebe im seinerzeitigen Borgward 2400 oder an die Benzin-Einspritzung für den Goliath-Zweitakter.