Nur wenige erinnern sich noch daran, dass Frazer Nash auch nach dem Krieg wieder Autos baute. Aber alle, die je eines dieser raren Exemplare gefahren sind, werden ewig daran denken. Es ist bereits später Nachmittag, als wir über die mehrspurige Autobahn zum Frazer Nash Club zurückkehren. Nach einer wundervollen Ausfahrt mit zwei der seltensten britischen Sportwagen der 50er wollen wir dort unsere Spielzeuge mit dem BMW 328-Motor wieder sicher verwahren.
Die meisten Frazer Nash waren reine Rennwagen
Plötzlich nimmt mein Auge im Rückspiegel die Reflexion von Sonnenlicht in sich schnell näherndem Chrom wahr. Das rabenschwarze Hinterteil des Frazer Nash Mille Miglia und das Auspuffrohr des wütenden, auf volle Drehzahl getriebenen BMW-Sechszylinders aus der britischen Fertigung bei Bristol blenden mich. Sein kehliges Heulen erinnert an eine Kreissäge, die sich durch knotige Kiefer arbeitet. Und an den Sound, den ein dicker wollener Teppich machte, würde er von zwei riesigen Händen zerrissen. Der Fahrer des Frazer Nash Mille Miglia trägt eine Schiebermütze und sieht noch selbstzufriedener aus als ich.
Meine Reaktion entspringt dem Hirnstammreflex eines Reptils: Ich trete das rechte Pedal voll durch, muss mich wegen des Fahrtwindes ducken. Leise vor mich hinfluchend, versuche ich den Wagen in eine Lücke auf der Innenspur zu manövrieren, als wir bergab in eine Rechtskurve jagen. Frazer Nash gehörten schon immer zu der Sorte Autos, die man fahren musste, als ob man sie soeben gestohlen hätte. Dies schon in den frühen Tagen der Chain-Gang, wie Frazer-Nash-Fahrer gern mit Blick auf das simple, vor dem Krieg verwendete Kettengetriebe genannt wurden. Von den ungefähr 80 Frazer Nash mit BMW-Bristol-Motor, die zwischen 1948 und 1957 hergestellt wurden, waren die meisten reine Rennwagen, und immer noch locken sie den inneren Amateur-Racer hervor.
Eine Geschichte, die erzählt werden muss
James Trigwell, Nachkriegsarchivar des Frazer Nash-Clubs und jener oben erwähnte Fahrer mit Schiebermütze, hat das in unserem ersten Telefongespräch schön auf den Punkt gebracht. Als wir die Geschichte besprachen und ich ihm versicherte, ich ginge mit den unersetzlichen Maschinen anderer Leute nicht unverantwortlich um, antwortete er nur: "Ach, schade. Erst wenn er auf der Seite liegt, bekommt man einen unverfälschten Eindruck von einem Frazer Nash." Ich lasse den schwarzen Frazer Nash Mille Miglia ziehen.
Trigwell sollte es wissen. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr unterhält er eine innige Liebesbeziehung zu den Nachkriegs-Frazer Nash. Sein jüngstes Werk: Zusammen mit Anthony Pritchard veröffentlichte er im November 2009 "The Post-War Frazer Nash". Eine Geschichte, die erzählt werden musste.
Der schneidige Name des Gründers, Captain Archibald Goodman Frazer Nash, kurz AFN, wird ein Übriges dazu beigetragen haben. Dabei war Captain Nashs Zeit bei der Firma tatsächlich recht begrenzt. Als Frazer Nash 1924 unter vollem Namen in den Markt ging, hatte er bereits das Cyclecar-Unternehmen GN (Godfrey/Nash) gegründet - und wieder verloren. 1928 befand er sich erneut in Schwierigkeiten. Im Dezember desselben Jahres ging das AFN-Werk in die Hände von Harold John "Aldy" Aldington über, einem Motorradhändler und ehemaligem Mechanikerlehrling bei GN. Von da an ist die Geschichte von Frazer Nash eigentlich die Geschichte von H. J. Aldington.
Der Ruhm kam mit dem BMW 328
Aldy besaß genug technischen Verstand, um zu merken, wann der Wind sich drehte. Bei der Alpenfahrt von 1934, bislang ohne Probleme für Frazer Nash, trat unerwartete Konkurrenz in Gestalt eines BMW auf. Prompt übernahm Aldington den BMW-Import für das Vereinigte Königreich. Der Ruhm kam mit dem Typ 328 und seinem genialen Zweiliter-Sechszylinder-Reihenmotor. Der Wagen wurde sowohl für BMW als auch für AFN zum Superstar in seiner Klasse, und die Rennversion mit der Superleggera-Karosserie war noch nach dem Krieg ein ernster Ferrari-Gegner.
Bristol fertigte die 328-Sechszylinder weiter in Lizenz. Aldingtons wahrer Coup lag jedoch darin, sich die Dienste des ehemaligen Chefingenieurs von BMW, Fritz Fiedler, zu sichern. Der kam mit dem Rechenschieber im Anschlag gerade zur rechten Zeit. Angefangen beim BMW-inspirierten Chassis über die Zweilitermotoren, die Bristol aus dem 328 weiterentwickelte und die an AFN übergingen, begründete H. J. die völlig neue Nachkriegsgeneration bei AFN. Erstmals gezeigt wurde sie in Genf und auf der Earls Court Show 1948.
Erfolge der Frazer Nash in Le Mans und bei der Mille Miglia
1949 belegte ein Frazer Nash Platz drei in der Gesamtwertung von Le Mans, mit Aldy als Beifahrer und stolzen 17 Runden Vorsprung auf den Aston Martin DB1. Die danach benannte Frazer Nash Le Mans Replica - früher bekannt als Competition oder High Speed und 34 Mal verkauft -, ist ein denkbar einfaches Gefährt: vorn die Einzelradaufhängung des 328, Starrachse und Torsionsstäbe im Stile des 326 hinten, dazwischen ein Leiterrahmen, dessen Längsträger dick wie viktorianische Abwasserrohre wirken. In der Mitte der Frazer Nash Le Mans Replica schlägt das einst von BMW erdachte Herz. Passend dazu das Vierganggetriebe. Denkt man sich die für seine Zeit übliche zigarrenförmige Karosserie und die Kotflügel dazu, hat man's schon fast.
Beim Einsteigen in die Frazer Nash Le Mans Replica heißt die Devise, altväterlich mit dem Hintern voran, dann sorgfältig die Füsse gedreht, und keine Sorge: Wenn man sich nicht beim Hereinwursteln am seitlichen Auspuff das Bein grillt, so wird dies sicherlich beim Aussteigen der Fall sein. Stochert man im ersten Gang mit zu wenig Gas im niedrigen Drehzahlbereich herum, hoppelt die Frazer Nash Le Mans Replica wie ein Osterhase. Hält man das Gaspedal aber leicht aggressiv unter Druck, ist die Performance beeindruckend. Der Motor der Frazer Nash Le Mans Replica reagiert spontan, die Bremsen beweisen, dass Trommeln ihre Aufgabe durchaus erledigen können, wenn das Gewicht stimmt. Das Handling: trocken, präzise, leicht übersteuernd, wie ein Go-Kart. "The Autocar" ermittelte einst 7,9 Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h.
Mille Miglia - ein Le Mans Replica mit Klamotten
Sein Pendant, der Frazer Nash Mille Miglia, lässt sich als Frazer Nash Le Mans Replica beschreiben, die gewissermaßen Klamotten anhat. Er wurde 1949 unter der Bezeichnung Frazer Nash Fast Tourer auf den Markt gebracht, aber bereits 1950 aufgrund eines löblichen sechsten Platzes im Gesamtklassement des italienischen Rennens umbenannt. Der Frazer Nash Mille Miglia beschleunigt aus dem Stand gleichmäßiger und mit mehr Schub, und das hypnotisierend erotische Kreischen des Motors ertönt mindestens 1.000 Umdrehungen früher. Auch der knubblige Schaltknüppel des Frazer Nash Mille Miglia reagiert exakter als der lange Hundebein-Hebel aus der Replica. In Sachen Bremsen, Handling und Fahreigenschaften sind Frazer Nash Mille Miglia und Le Mans Replica nahezu gleichauf, außer was das Lenken angeht: Der Frazer Nash Mille Miglia vermittelt mehr Stabilität.
Den nachhaltigsten Eindruck, den die beiden Frazer Nash jedoch hinterlassen, ist, wie modern und leistungsfähig sich beide anfühlen und wie einfach sie zu fahren sind. Doch als die Fünfziger voranschritten, erschienen leichtere schnellere, preiswertere und spezialisiertere Rennwagen auf der Bildfläche: Cooper, Lister, Lotus. Die Nachfrage nach Maschinen wie dem Frazer Nash sank. AFN reagierte 1952 darauf mit der Einführung eines leichteren Chassis, um schneller zu werden, und dem neuen Modell Targa Florio, um GT-Kunden zu gewinnen. Der letzte Frazer Nash erschien 1957, ein faszinierendes Coupé mit BMW-V8-Motor.
Frazer Nash Le Mans Replica | Frazer Nash Mille Miglia 2.0 | |
Hubraum / Motor | 1971 cm³ / 6-Zylinder | 1971 cm³ / 6-Zylinder |
Höchstgeschwindigkeit | 190 km/h |