Alta 1100 Le Mans Sport: Schnell, grün, gut

Alta 1100 Le Mans Sport im Fahrbericht
Schnell, grün, gut

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Die Frage ist, ob man als vernünftiger Mensch, der bereits einige dutzend Lebensjahre gesund überstanden hat, das hier wirklich tun will - seine Beine in eine hautenge Alu-Röhre einfädeln. Sich beim Einsteigen die Hand und beim Drinsitzen dann den ganzen Ellenbogen am außenliegenden Auspuff verbrennen.

Den Fußknöchel aus reinem Platzmangel gegen das kochend heiße Getriebe pressen. Ohne Ohrenstöpsel all diesem Rasseln, Rattern, Husten und Hämmern ausgesetzt sein, das aus dem Motorraum in die Gehörgänge schießt. Seine ohnehin schon gestressten Lendenwirbel Nummer 4 und 5 ganze 15 Zentimeter über dem dahinrasenden Asphalt in ausgehärtetes Leder pressen.

Ein Dutzend Le Mans seit 1932

Bei voller Fahrt Mücken, Fliegen, Libellen, vielleicht sogar Vögel ins Gesicht geklatscht bekommen. Und sich auf 75 Jahre alte Trommelbremsen verlassen, die auf die Alta 1100 Le Mans Sport-Räder wirken, die nicht breiter sind als die Damen-Sandaletten aus der letzten Sommerkollektion von Gucci. Die Antwort ist: Selbstverständlich will man das. Denn die Gelegenheiten zu solch einer exquisiten Tortur sind mehr als rar. Keiner weiß, wie viele Alta 1100 Le Mans Sport noch übrig sind, nur 12 Stück der Einliter-Serie wurden zwischen den beiden Weltkriegen gebaut.

Dieses Fahrzeug, eine spezielle Einzelanfertigung für Le Mans, ist dennoch die Nummer 14 - weil aus unerfindlichen Gründen die Nummerierung bei 10 begann. Seit seiner Entstehung im Jahr 1932 ist der Alta 1100 Le Mans Sport vollkommen original erhalten. Inklusive seines immer noch ersten Motors, der vor uns unfassbare Geräusche von sich gibt. Fliegen uns gleich glühende Metallbrocken um die helmlosen Köpfe? "Was da so Radau macht, ist die Königswelle", lächelt Alta 1100 Le Mans Sport-Besitzer Gabriel Wieler. Soll wohl heißen: alles ganz normal. Mit wohl dosiertem Zwischengas legt er den nächsten Gang ein, ohne jedes Krachen.

Jeden Ton, der hier zu hören ist, kann man auch fühlen: Der Alta 1100 Le Mans Sport vibriert mit einem wilden Konzert aus feinen bis brutalen Erschütterungen, die sich gegenseitig überlagern, anstacheln, verstärken. Kolben, Pleuel, Wellen, Zahnräder, Achsen - jedes Teil hat des Alta 1100 Le Mans Sport sein spürbares Eigenleben und tut, was ihm gefällt. Ohne dabei freilich das große Ganze aus den Augen zu verlieren: Der kleine Alta 1100 ist richtig schnell. Er trägt, ja fliegt seine zwei Passagiere mit wunderbarer Leichtigkeit über das schwäbische Landsträßchen. Und entkräftet ganz nebenbei eine der anfänglichen Befürchtungen, denn seine seilzugbetätigten Trommelbremsen sind erstaunlich wirkungsvoll und standfest. Fast so, als wolle er sagen: Schön, dass ich mal zeigen kann, wie sorgfältig ich vor 80 Jahren konstruiert worden bin. Konstruiert? Wohl ohne Übertreibung lässt sich im Falle des Alta 1100 Le Mans Sport eher von komponiert sprechen.


68 PS bei 5.200/min

Der junge Mann, der 1927 im Alter von ganzen 26 Jahren mit den Entwürfen für sein erstes Meisterwerk begann, war ein Mozart der Kraftfahrzeugmechanik: Geoffrey Taylor hatte kaum Geld, jedoch jede Menge hervorragender Ideen. In der kleinen Motorradteile- Fabrik seines Vaters in Tolworth im Südwesten Londons erschuf er in zweijähriger Arbeit einen Sportwagen nach ganz persönlichen Vorstellungen. Und die hatten wenig mit der damals üblichen Machart zu tun. Giganten wie die Blower-Bentley, die eher an Lastwagen als an Rennwagen erinnerten, waren Taylors Sache nicht. Klein und leicht sollte sein Erstling werden, für eine gute Straßenlage zudem viel tiefer liegen als die hochbeinigen Autos, die bisher bekannt waren. Und noch etwas machte Taylor anders: Er machte alles selbst. Der Rahmen stammte ebenso von ihm wie das Fahrwerk. Die hübsche Karosserie mit ihrem windschlüpfig-schrägen Kühler, die sich formvollendet auch über Teile der Radaufhängung zieht, zeichnete Taylor ebenfalls. Darunter versetzte er Motor und Getriebe leicht nach links, um den Fahrersitz möglichst tief anordnen zu können. Apropos: Das unsynchronisierte Vierganggetriebe baute Taylor auch, ebenso den Motor. Natürlich nicht irgendwie: Block und Zylinderkopf des kleinen Vierzylinders mit 1074 Kubikzentimeter Hubraum bestehen aus Aluminium.

Oben drauf drehen sich gleich zwei Nockenwellen. Und im Fall von Nummer 14 gibt es noch weitere Finessen. Schließlich wollte sein Besteller, Mister Ludovic Ford, mit dem Wagen nicht nur Fish and chips holen, sondern auch an den 24 Stunden von Le Mans teilnehmen. Deshalb adelte Taylor den Motor mit einer Königswelle. Zusammen mit einigen anderen Maßnahmen wie Pleueln aus Alu ergaben sich sehr respektable 68 PS, bei damals frivolen 5200/min. Rund 100 Meilen pro Stunde ließen sich so erreichen, 20 mehr als mit dem Serienmotor. Dem Einsatzzweck entsprechend fielen auch die restlichen Details an dem kleinen Wagen aus, der als „Racing Sports“ im Auftragsbuch von Geoffrey Taylor stand – Leichtbau, wohin das Auge blickt, bis hin zu einer Ölwanne aus Magnesium. Dazu kamen Finessen wie die Dämpfer an der Hinterachse, deren Härte während der Fahrt per Handrad verstellt werden kann. Ein eigenes Instrument im Cockpit zeigt dabei die aktuelle Einstellung an. Ebenfalls noch heute zu bestaunen ist der große Extra-Öltank, mit dem Taylor dem während der 24 Stunden zu erwartenden Öldurst begegnen wollte. Aus dem Behälter im Beifahrerfußraum floss der lebenswichtige Saft automatisch dosiert in den Motor nach.

Erster Einsatz, erster Unfall

Am 13. Juni 1932 also wurde der Wagen an Ludovic Ford ausgeliefert. Der geplante Le-Mans-Einsatz endete allerdings schon früh: Weil seine Mechaniker das Kupplungslager nicht mit zähem Schmierfett, sondern mit dünnflüssigem Motoröl befüllt hatten, kam der Alta nur zwei Runden weit. Kaum angenehmer für Fahrer und Wagen gestaltete sich die Teilnahme am nächsten Rennen - der ARDS Tourist Trophy bei Belfast am 20. August des gleichen Jahres: Ford steuerte den Alta, offenbar von großem Appetit getrieben, in der vierten Runde in einen Fleischerladen.

Dass dabei das Achsgehäuse und die Federung beschädigt wurden, sieht man am Alta 1100 Le Mans Sport heute nicht mehr. Sehr wohl aber die damals obligatorische Markierung des Veranstalters, des Royal Automobile Club RAC. Sie hat bis jetzt auf dem Motorblock überlebt. Nach dem direkten Kontakt mit der Fleischerei wurde der Wagen Herrn Ford offenbar Wurst; er verkaufte ihn einige Monate später. Bevor wir den Weg des Grünen weiter verfolgen, zurück zu seinem Erbauer Geoffrey Taylor. Der tüftelte fleißig an weiteren Ausbaustufen seiner Fahrzeuge.

So waren schon bald Alta mit Doppelzündung und Kompressor zu ordern. Später erfand Taylor sogar noch etwas, das man heute vielleicht als "praktische Wechselzylinder" bewerben würde: Durch tauschbare, nasse Laufbuchsen mit den entsprechenden Kolben ließ sich der Hubraum jederzeit an unterschiedliche Fahrzeugklassen anpassen. Insgesamt 29 Alta entstanden zwischen den beiden Weltkriegen, neben den 12 Einliter-Fahrzeugen auch einige Monoposti für Sprintwettbewerbe, Bergwertungen und Kurzstreckenrennen.

Bereits 1937 erschuf Taylor einen Monoposto mit neuem Chassis, vorderer Einzelradaufhängung und 180 PS. Seine Arbeiten an einem Grand-Prix-Wagen mit zwei Vierzylindern und gemeinsamer Kurbelwelle wurden allerdings vom hereinbrechenden 2. Weltkrieg beendet. Nach dem Krieg nahmen einige Alta immerhin an GP-Rennen teil, auch in den ersten Jahren der Formel 1. So erreichte Privatier Geoffrey Crossley 1950 den neunten Platz in Spa, fünf Runden hinter dem Sieger Juan Manuel Fangio.

Taylor versuchte sein Glück zudem in der Formel 2 sowie als Motorenlieferant für Formel-1-Chassis von HWM, Connaught und Cooper. Mit HWM feierte er 1950 einen Klassensieg in Le Mans, 1955 gewann sogar ein Connaught-Alta den Syrakus-GP.

Kaum ein Teil, das nicht überarbeitet werden musste

Doch solche Erfolge blieben Einzelfälle. Schließlich zog sich Taylor vom Rennsport zurück. Er starb 1966 im Alter von 63 Jahren. Und die grüne Nummer 14? Nahezu unverändert überlebte der Alta 1100 Le Mans Sport die Wirren der nächsten Jahrzehnte. Er zählte weitere fünf, meist langjährige Besitzer auf den Britischen Inseln, wie aus dem noch vorhandenen, originalen Logbook hervorgeht: Mr. Fowell, Mr. Jackson, Mr. Harley, Mr. Eames und Mr. Baxter. Durch einen Zufall erfuhr schließlich Gabriel Wieler im Jahr 2003 von dem Wagen, reiste sofort nach England und holte den Alta 1100 Le Mans Sport kurz darauf per Hänger ab.

"Als ich ihn gesehen habe, da in der Scheune, wusste ich: Der muss in meine Garage. Die Form, die Geschichte, die Originalität - alles hat mich fasziniert." Eine anhaltende Faszination - obwohl der Alta 1100 Le Mans Sport finanziell ganzen Einsatz forderte und fordert. Gabriel Wieler gab seinen Kleinen in die Obhut von Patrick Kaiser, dem versierten Spezialisten aus Hohentengen, der sich sonst mit Vorliebe um großvolumige US-Cars mit reichlich Hubraum und Lachgaseinspritzung kümmert.

Kaiser war eine gute Wahl; sollte man doch mindestens einen hochadligen Nachnamen tragen, um es mit einem Königswellenmotor aufzunehmen. Erst recht, wenn es der letzte bekannte Königswellenmotor von Alta ist. Doch vorrangig war es nicht der aufwändige Nockenwellenantrieb, der Kaiser so intensiv beschäftigte. Unzählige der mittlerweile über 400 Werkstattstunden brachte er vielmehr damit zu, etwa originale Korkdichtungen anstelle der profanen Silikondichtmasse zu montieren, mit der britische Improvisationskünstler den alten Motor des Alta 1100 Le Mans Sport verunziert hatten.

Überhaupt, der Motor. "Alles war verzogen", sagt Kaiser. "Zylinder, Zylinderkopf, Ventildeckel – dieser allein um satte zwei Millimeter". Auch sonst gab es beim Alta 1100 Le Mans Sport kaum ein Detail, das nicht überholt werden musste. Lager, Ventile, Ventilführungen, Kolben, Lichtmaschine, Anlasser und Zündanlage waren reparaturbedürftig. Und das ganz ohne lieferbare Ersatzteile oder dokumentierte Einstellwerte.

Akzeptabler Motorlauf durch SU-Vergaser

Zeitraubend war auch die Vergaseranpassung beim Alta 1100 Le Mans Sport, erst das Umrüsten des originalen Amal-Vierfach-Rennvergasers ohne Standgasinstellung auf SU-Vergaser ergab endlich einen für den heutigen Straßenbetrieb akzeptablen Motorlauf. So entstand ein Arbeitsaufwand, der selbst Kaisers naturgegebene Geduld stark strapazierte. "Manchmal hätte ich den Wagen am liebsten angezündet", schmunzelt er heute über die schweren Zeiten. Dass er es nie übers Herz gebracht hätte, sieht man seinem liebevollen Umgang mit dem Alta 1100 Le Mans Sport an.

Echte Modernisierungen nahm er trotz aller Probleme so gut wie nicht vor. Einziges Zugeständnis an die heutigen Zeiten sind an seinem Alta 1100 Le Mans Sport nachgerüstete, stilechte Bremsleuchten und Blinker, ein schaltbarer Zusatzventilator sowie ein Lenkungsdämpfer - nur mit ihm ließ sich der Alta 1100 Le Mans Sport einen sauberen Geradeauslauf anerziehen. Der TÜV gab ohne Weiteres seinen Segen für eine Straßenzulassung. Und zeigt sich ähnlich begeistert über die Originalität wie sein Besitzer. "Erstes Getriebe, erster Motor, lückenlose Historie - wo findet man das sonst noch bei einem 75 Jahre alten Rennauto?" sagt Wieler. Er hat dabei wieder dieses stille Lächeln im Gesicht, das wahrscheinlich jeder Alta-Besitzer kennt. Schade, dass es nie sehr viele von ihnen gegeben hat.

Technische Daten
Alta 1100 Le Mans Sport
Außenmaße3650 x 1600 x 1150 mm
Höchstgeschwindigkeit160 km/h