Aston Martin fährt an der langen Leine
Mit einer Rundenzeit von 3.54,635 Minuten hat Aston Martin im Zeittraining überlegen die Pole Position geholt. Das kam erwartet, denn die Aston Martin Vantage GTE haben vom Le-Mans-Veranstalter ACO und der FIA eine sehr großzügige Einstufung erhalten, die von allen Gegnern schon im Vorfeld auf das Schärfste kritisiert wurde. Weil die Briten obendrein drei topbesetzte Fahrzeuge an den Start bringen, können sie den angestrebten Sieg zum 100. Firmenjubiläum eigentlich nur noch selbst versieben. Die Dominanz wird durch zwei Details weiter belegt: Aston Martin dominiert den dritten Sektor, wo mit schnellen Kurven viel Abtrieb gefragt ist, und gleichzeitig bei den Topspeeds sehr wettbewerbsfähig. Aston Martin hat sozusagen die eierlegende Wollmichsau für Le Mans, denn viel Abtrieb ist nicht nur gut für hohe Kurvenspeeds, sondern hilft auch bei der Reifennutzung.
In allerletzter Sekunde hat auch Porsche mit dem neuen 911 RSR den Anschluss an die Spitze gefunden: Marc Lieb konnte bei seiner Schlussattacke im Qualifying kurz vor Mitternacht die Rundenzeit noch einmal verbessern, auf 3.55,491 Minuten. Zwar fehlen damit acht Zehntelsekunden auf die Pole Position, doch Qualifying-Speed und Rennspeed sind zwei unterschiedliche Disziplinen. "Es wäre noch einen Tick schneller gegangen“, sagte Lieb nach dem Zeittraining, "vielleicht 3.54-hoch. Die Pole-Zeit hätten wir aber nicht knacken können." Mit Platz drei war man im Porsche-Camp nach den eher ernüchternden Ergebnisse zu Saisonbeginn hochzufrieden.
Porsche hält Ferrari in Schach
Dass Porsche sogar Ferrari in Schach hält, war schon eine kleine Überraschung, aber sie belegt den stetigen Aufwärtstrend der Schwaben. Dennoch hat das Porsche-Werksteam die Italiener auf der Rechnung: "Die haben den Speed, um vorne mitzufahren, dazu einen guten Reifenverschleiß und einen noch besseren Verbrauch", schätzt Teamchef Olaf Manthey. Ferrari kann eventuell sogar 15 Runden schaffen, während Aston Martin, Porsche und Ferrari bestenfalls 14 Runden mit einer Tankfüllung fahren können. Beim Reifenverschleiß ist der Ferrari 458 Italia auf Grund des Mittelmotorkonzeptes und der damit ausgewogenen Gewichtsverteilung eh der Maßstab im GTE-Feld.
US-Werksteams kämpfen mit den Reifen
Völlig abgestürzt sind die US-Werksteams aus der American Le Mans Series: Die als Mitfavoriten gehandelten Corvette C6-ZR1 landeten im Zeittraining mit einem Rückstand von über vier Sekunden abgeschlagen auf den Plätzen acht und neun. "Das ist ein totales Desaster", gestand ein Werkspilot. Die Gründe für den Absturz sind noch immer unklar: Das Auto ist mit Ausnahme des Heckflügels und des modifizierten Low-Drag-Kits für wenig Abtrieb unverändert im Vergleich zum Vorjahr, wo Corvette über drei Sekunden schneller war als 2013. "Wir wissen nicht, woran es liegt, und es ist unwahrscheinlich, dass wir das Problem bis zum Rennen noch lösen können", sagte Sportchef Doug Fehan.
Weil auch das amerikanische Viper-Werksteam mit einem Rückstand von über sechs Sekunden nicht konkurrenzfähig ist, liegt der Verdacht nahe, es könnte an den Reifen liegen. Denn Michelin bringt jedes Jahr für Le Mans neue Mischungen an den Start. Die GTE-Teams aus der Sportwagen-WM – also Ferrari, Porsche und Aston Martin – fuhren diese Reifen bereits in Spa. Die US-Teams konnten die Slick-Reifen erstmals beim Vortest fahren, doch dort regnete es die meiste Zeit. Unter Umständen passt also das Setup nicht zu den neuen Reifen, was erklären würde, warum ausgerechnet die US-Teams so weit zurückliegen.