Toyota-Vorstand Didier Leroy im Interview

Toyota-Vorstand Didier Leroy im Interview
Über alternative Antriebe, Einsparpotenziale und LMP1

Ein großes Logo? Nicht an der Zentrale von Toyota. Wozu auch? Schließlich trägt die gesamte Stadt in der Präfektur Aichi seit 1959 den Namen des Konzerns – Toyota City. Didier Leroy, Franzose, betritt energisch den üppig verglasten Konferenzraum, spricht lebendig, gestenreich. Über den Bergen, die man von hier aus sehen kann, zucken dramatische Blitze, ein Gewitter entlädt sich.

Hält die Begeisterung für die Brennstoffzelle bei Ihnen im Konzern noch immer an? Toyota scheint der einzige Autohersteller zu sein, der diese Technologie weiterentwickelt.

Leroy: Die Fuel-Cell-Strategie ist sehr wichtig für uns. Dabei geht es nicht nur darum, den Mirai zu bauen. 2016 haben wir 1.000 produziert, werden das sukzessive bis auf 3.000 Einheiten steigern, um dann 2020 in die nächste Phase einzutreten. Dann planen wir mit etwa 30.000 Fahrzeugen pro Jahr. Allerdings mussten wir feststellen, dass in einigen Teilen der Welt die Entwicklung der Infrastruktur langsamer voranging, als wir erwartet hatten. Dennoch sind wir überzeugt davon, dass die Brennstoffzelle eine Energiequelle mit großer Zukunft ist – und zwar nicht nur für die Automobilindustrie, sondern für die globale Gesellschaft.

Im Automobilbau wird diese Technologie jedoch auf absehbare Zeit nur größeren Fahrzeugen vorbehalten bleiben. Was favorisieren Sie für Klein- und Kompaktwagen? Hybride? BEV?

Leroy: Natürlich kann man das heute so sehen. Andererseits hat bis vor Kurzem auch noch niemand geglaubt, dass wir erstens überhaupt einen Yaris als Hybrid bringen und zweitens zu einem konkurrenzfähigen Preis verkaufen können. Heute verkaufen wir 45 Prozent aller Yaris als Hybrid. Planen wir also, morgen einen Yaris mit Brenn- stoffzelle auf den Markt zu bringen? Nein. Doch wenn sich diese Technologie durchsetzen sollte – warum nicht? Wir versteifen uns aber nicht allein darauf, wir entwickeln natürlich auch BEV, denn einige Märkte haben sich dafür entschieden. So, wie es derzeit aussieht, wird sich diese Technologie schneller weiterentwickeln, als wir bislang angenommen haben. Also haben die Brennstoffzelle sowie batterieelektrische Fahrzeuge inzwischen für uns dieselbe hohe Priorität. Sonst wären wir bald in einigen Märkten außen vor, beispielsweise in China.

Sie betonen gerne, dass für Sie eine hohe Profitabilität wichtig ist, weniger steigender Absatz. Dennoch verkauft Toyota derzeit immer mehr Fahrzeuge. Ist es also doch einfacher, mehr zu verkaufen, als den Konzern noch schlanker aufzustellen?

Leroy: Nun ja, ich wehre mich natürlich nicht gegen einen wachsenden Absatz. Wir müssen alle Parameter in Betracht ziehen, also sowohl das, was wir für uns selbst tun müssen, als auch das, was wir für unsere Partner tun müssen. Damit meine ich Zulieferer und Händler. Beide wollen in erster Linie mehr verkaufen, Autos und Komponenten, und von uns respektiert werden. Jetzt könnten wir ihnen das Messer an den Hals drücken und verlangen, dass sie ihre Preise senken. Machen wir nicht. Stattdessen fordern wir sie auf, ihre Kosten zu reduzieren, und bieten ihnen dabei unsere Hilfe an. Das ist ein großer Unterschied. Da können Sie sich gerne bei unseren Zulieferern umhören. Wir sind sehr anspruchsvoll, was Qualität und Preis angeht. Und wenn wir glauben, dass da noch Luft ist, dann erörtern wir das gemeinsam. Viele unserer Ingenieure arbeiten mit den Zulieferern in ihrer Produktion daran, die Effizienz zu steigern.

Können Sie die Profitabilität tatsächlich noch weiter steigern?

Leroy: Das ist harte Arbeit. Die Geschwindigkeit unseres Wachstums wird nicht mit der einiger unserer Wettbewerber mithalten können. Stattdessen konzentrieren wir uns auf unsere Stärken. Letztes Jahr fiel unser Gewinn geringer aus, und auch dieses Jahr wird es nicht einfach. Auch wenn wir gerade unsere Prognose verbessert haben, erwarten wir immer noch weniger Gewinn als letztes Jahr. Das hängt unter anderem mit dem Wechselkurs und hohen Investitionen in Zukunftstechnologien zusammen.

Welche Märkte haben sich besonders gut entwickelt, und woher kommen die neuen Kunden?

Leroy: Wir haben jetzt keinen Markt, der durch die Decke ging. Immerhin sind wir in rund 170 Ländern vertreten. Deutschland beispielsweise erholt sich gut. Vor der Wirtschaftskrise fokussierte sich Deutschland, eigentlich Toyota weltweit zu sehr auf den Absatz. In Deutschland haben wir über 130.000 Autos verkauft. Dann kam der Einbruch. Und zudem waren wir nicht besonders gut organisiert, das war unser Fehler. Vor zwei Jahren haben wir daher eine große Reform angeschoben, um uns selbst, aber auch unser Händlernetz neu aufzustellen. Jetzt schaffen wir wieder einen Absatz, den wir zuletzt vor sechs Jahren erreicht haben. Der Marktanteil ist natürlich immer noch gering. Diesbezüglich sind unsere wichtigsten Märkte Nordamerika, China und Japan. Dann kommen der Mittlere Osten, Europa und so weiter. Das aktuelle Wachstum stützt sich derzeit auf Japan, Europa, Südamerika und China, hier erreichen wir 8,5 Prozent. Aber es gibt immer noch viele wackelige Märkte, beispielsweise in Osteuropa und in Indien. Daher können wir es uns nicht leisten, uns nur auf einen Markt zu konzentrieren.

Verliert Europa nicht immer mehr an Relevanz angesichts der Stärke der USA und von China?

Leroy: Um 75 Prozent des Marktes in Europa abzudecken, braucht man 16 Marken. In Japan reichen vier, in den USA sechs. Jeder bekommt also in Europa nur ein kleines Stück vom Kuchen. Selbst für den Erfolgreichsten bleiben nur rund zehn Prozent. Wenn du also zwischen fünf und sieben Prozent machst, kannst du es schon unter die ersten drei schaffen. Das ist ein harter Kampf. Also sollten wir uns Schritt für Schritt entwickeln. Auch wenn wir jetzt weniger als fünf Prozent Marktanteil haben, können wir Europa nicht aufgeben, denn dort herrscht ein groß Wettkampf, weil eben dort diese 16 Marken um den Markt kämpfen. Wir lernen dort vieles über die Wettbewerbsfähigkeit unserer weltweiten Produkte. Die Kunden sind beispielsweise sehr anspruchsvoll, was die Interieur-Qualität angeht. Außerdem sind wir Partnerschaften mit BMW und PSA eingegangen. Und wir lieben Autos, Akio Toyoda liebt Autos, ich liebe Autos, wir alle. Und wo, wenn nicht in Europa, kann man das am besten unter Beweis stellen, schließlich gibt es dort den aufregendsten Motorsport – das 24-Stunden-Rennen von Le Mans beispielsweise oder die vielen Läufe zur Rallye-Weltmeisterschaft. Ein Unternehmen, das Autos liebt, muss also dort vertreten sein, einfach um zu lernen. Dazu tragen auch die Kooperationen mit den Universitäten zur Zukunftsforschung bei, die wir dort geschlossen haben.

Sie haben eben Le Mans erwähnt. Dazu kommt noch der in Europa bislang sehr wichtige Dieselmotor. Sie könnten viel Geld sparen, wenn Sie beides streichen, oder?

Leroy: Wir wissen nicht, wie es in der WEC (World Endurance Championship) nach dem Ausstieg von Porsche weitergeht. Wir beide schätzen und respektieren uns sehr. Jedenfalls steht hinter der WEC ein großes Fragezeichen. Ich kann nicht abschätzen, ob PSA einsteigt, auch wenn ich weiß, dass Carlos Tavares Motorsport liebt. Klar ist: Wir entwickeln aktuell das Auto für nächstes Jahr. Eine andere Entscheidung gibt es derzeit nicht, auch wenn hinter der Zukunft ein großes Fragezeichen steht.

Und der Diesel? Er spielte für Toyota ohnehin nie eine große Rolle.

Leroy: Bei Lexus hat der Diesel nicht funktioniert, wir haben das ja mit dem IS ausprobiert. Inzwischen liegt der Hybridanteil in Westeuropa bei über 90 Prozent. Bei Toyota gibt es durchaus eine starke Nachfrage nach dem Diesel. Dennoch haben wir es vorgezogen, Ende 2011 eine Partnerschaft mit BMW über die Lieferung von Motoren einzugehen. Unsererseits verwenden wir also keine eigenen Ressourcen dafür. Seither haben wir auch einige weitere Dieselprojekte gestrichen. Ein Beispiel ist der Yaris, den wir nur noch an Flottenkunden als Diesel verkaufen. Beim C-HR haben wir uns dagegen entschieden, eine Dieselvariante anzubieten. Im letzten Monat waren 78 Prozent aller verkauften C-HR in Europa Hybride. Dennoch brauchen wir weiterhin den Diesel für einige Märkte. Aber er hat deutlich an Bedeutung verloren. Weltweit haben weniger als 15 Prozent unserer verkauften Fahrzeuge einen Dieselmotor.

Apropos BMW: Erzählen Sie uns doch ein wenig über das gemeinsame Sportwagenprojekt …

Leroy: Das darf ich leider nicht, denn es ist höchst vertraulich. Tatsache ist, dass wir ausgiebig mit BMW darüber diskutiert haben, wie dieses Auto aussehen soll, vor allem in Bezug auf die Performance. Denn wir wollten nicht groß die Kooperation verkünden und dann im Verlauf sagen: Ach, jetzt haben wir es uns doch anders überlegt. Erst als wir uns einig darüber waren, was der Sportwagen leisten soll, haben wir ihn öffentlich bestätigt.

Können wir einen Hybridantrieb erwarten?

Leroy: Ähm … ich glaube, ich muss noch einen Schluck Wasser trinken.

Na dann: prost. Und vielen Dank für das interessante Gespräch.