Toyota Deutschland-Chef Uyttenhoven im Interview: "Negativ-Schlagzeilen sind bald verblasst"

Toyota Deutschland-Chef Uyttenhoven im Interview
"Negativ-Schlagzeilen sind bald verblasst"

Herr Uyttenhoven, läuft die Ruckruf-Serie und Qualitätsdiskussion dem Konzern langsam aus dem Ruder?
Uyttenhoven: Nein. Ich glaube eher, die Berichterstattung ist - vor allem in den USA, weniger in Europa - in Turbulenz geraten. Ja, Toyota hat in den USA ein Thema mit Fußmatten und auch in Europa ein mechanisches Problem bei Gaspedalen. Deswegen haben wir die Verantwortung als Hersteller übernommen und uns für einen massiven Rückruf entschieden. Von weltweit insgesamt 8,5 Millionen Fahrzeugen. Das ist passiert. Allein in Deutschland, wo 216.000 Fahrzeuge betroffen sind, schreiben wir seit dem 24.2. jede Woche im Schnitt 26.000 Kunden an und informieren sie über diesen Rückruf, der übrigens freiwillig ist.

Sprich, es besteht keine Gefahr für den Straßenverkehr?
Uyttenhoven: Richtig. Wir haben den TÜV Rheinland beauftragt, die betroffenen Baureihen auf Ihre Bremsleistung bei Vollgas zu untersuchen. In allen Fällen hat sich gezeigt, dass die Bremskraft die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Das bedeutet, dass die möglichen Mängel nicht als gefährdend eingestuft werden. Bis Ende April werden wir über das KBA jeden Kunden mit einem betroffenen Fahrzeug angeschrieben haben. Bis Ende Mai werden wir sicher 80 Prozent aller Fahrzeuge modifiziert haben.

Wie konnte es zu dieser geballten Anhäufung von Problemen und Rückrufen kommen?
Uyttenhoven:
Unser Konzernchef Akio Toyoda hat gesagt, dass wir möglicherweise zu schnell gewachsen sind. Ich möchte ergänzen, dass wir in der Vergangenheit beim Thema Rückrufe stark unterrepräsentiert waren. Jetzt sind wir - zugegebenerweise in wenigen Monaten - dabei etwas überrepräsentiert. Vor allem in den USA. Das bedeutet noch nicht automatisch, dass wir ein großes Qualitätsproblem haben. Aufgrund unserer Größe fällt ein Fehler bei einem Modell einfach öfter auf. Und wenn auf der Website der amerikanischen NHTSA ein vermeintliches Problem, wie jetzt beim Corolla, registriert wird, heißt das nicht automatisch, dass das tatsächlich einen Rückruf bedeutet.

In den USA hat Toyota angeblich Probleme vertuscht?
Uyttenhoven: Das glauben wir nicht. Wir willigen teilweise sogar vorsorglich in Rückrufe ein. Bestes Beispiel ist die Fußmatte: nur, wenn nicht geeignete, nicht originale Fußmatten ohne Haken installiert werden, können sie verrutschen. Doch wir haben gesagt, wir können diese Diskussion nicht gewinnen.

Was ist beim Bremspedal des Prius?
Uyttenhoven: Das Prius Bremspedal kann gefühlt Probleme bereiten in einer Situation: bei unter zehn km/h auf unebenen Boden. Hintergrund: Der Übergang von elektrischer Bremse auf hydraulisches Bremsen geschieht einen Hauch zu langsam. Das ist mehr eine Sache des Gefühls als von echter Bremswirkung. Das kann über die Software geändert werden. Und das machen wir.

Ihre Schwestermarken Daihatsu und Lexus sind aber auch von Rückrufen betroffen.
Uyttenhoven: Lexus hatte - nur in den USA - ebenfalls das Thema Fußmatten. Daihatsu läuft ganz unabhängig von Toyota. Dazu kann ich nichts sagen.

Wie hoch sind die Kosten der Rückrufe?
Uyttenhoven: Weltweit schätzen wir die Kosten auf etwa 1,4 Milliarden Euro. Sprich: Umgerechnet zwei Milliarden US-Dollar haben wir als Rückstellungen definiert. Aber das ist nur eine erste Schätzung. Meine Zahlen sind leicht zu schätzen: Insgesamt kostet uns der Rückruf in Deutschland rund 13 Millionen Euro. 216.000 Autos in Deutschland benötigen jeweils eine halbe Stunde an Reparatur bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 60 Euro Stundensatz. Weitere 30 Euro zahlen wir dem Händler zudem für die Kundenpflege und die Abwicklung. Wenn der Kunde schon zu uns in die Werkstatt kommen muss, dann waschen wir ihm zum Beispiel das Auto oder zeigen uns mit einem anderen kleinen Geschenk erkenntlich. Unsere Botschaft ist: We take care of you.

Was ist mit drohenden Kosten aus Klagen?
Uyttenhoven: Soweit ich weiß, gibt es 52 Tote, die durch ihre Familie oder Anwälte als mögliche Opfer gemeldet wurden. Solche Vorwürfe sind noch lange kein Beweis, dass es an einem Toyota-Modell tatsächlich einen Defekt gegeben hat. Sicher ist nur, dass sie in einen Unfall verwickelt waren. Auch sind in Amerika mit solchen Klagen ganz andere Schadenersatzsummen möglich als zum Beispiel in Deutschland. In Europa, wo das nicht der Fall ist, ist uns kein Unfall bekannt, der wegen eines blockierten Gaspedals passiert sein sollte. In Europa haben wir zum Glück eine sachliche Diskussion, in USA ist sie sehr emotional.

Spüren Sie die Diskussion schon in sinkenden Absatzzahlen und Auftragseingängen?
Uyttenhoven: Anfang des Jahres haben wir gesagt, dass wir in Deutschland unseren Vorjahres-Marktanteil von 3,6 Prozent halten wollen -  bei einem Gesamtmarkt von 2,7 Millionen. Das entspräche also ungefähr 100.000 Neuzulassungen für die Marke Toyota. In den ersten beiden Monaten lagen wir aber nur bei 2,5 Prozent Marktanteil, d.h. 20 Prozent unter Plan. Inzwischen sehen wir aber, dass der Verkauf wieder anzieht. Wir liegen inzwischen nur noch etwa 15 Prozent unter unseren ursprünglichen Planzielen. Unser Ziel für den Rest des Jahres ist deswegen ein Marktanteil von mehr als drei Prozent. 3,6 Prozent werden sehr schwer, aber wir wollen das nicht komplett ausschließen. Wir könnten final irgendwo bei 80.000 bis 90.000 Neuzulassungen im Gesamtjahr landen. Tendenz nach oben. Denn die verunsicherten Menschen stoßen langsam auf eine normalisierte Berichterstattung. Und loyale Kunden, die unsere Marke seit mehreren Fahrzeugen kennen, haben sich laut unseren Untersuchungen ohnehin kaum verunsichern lassen. Unsere Zahlen werden mit jeder Woche besser und das zweite März-Wochenende war das beste Wochenende seit Ende der Abwrackprämie. Wir merken, dass der Frühling einkehrt und Menschen, die wegen Schnee weg geblieben sind, jetzt wieder in unsere Schauräume kommen.

Müssen Sie Ihr Mittelfristziel für Deutschland revidieren?
Uyttenhoven: Nein, dank neuer Produkte werden wir in Deutschland unsere mittelfristigen Ziele halten und bis 2015 auf einen Marktanteil von rund fünf Prozent kommen. Ich bin sicher, dass uns die aktuelle Diskussion nicht davon abhält.

Gilt das auch für die weltweite Prognose?
Uyttenhoven: Im Januar hat unsere Zentrale kommuniziert, dass 2010 rund 7,4 Millionen Toyota und Lexus verkauft werden sollen, diese Aussage wurde bisher nicht revidiert. Wir behalten da einen ruhigen Kopf.

Befürchten Sie einen lang anhaltenden Image-Schaden?
Uyttenhoven: Ich hoffe, dass diese Negativ-Schlagzeilen in zwölf Monaten verblasst sein werden. Denn wir werden alles geben, um das Vertrauen unserer Kunden zurück zu gewinnen. Wir überlegen auch gerade, unsere Werbebudgets zu erhöhen. Und Akio Toyoda hat auch Maßnahmen getroffen, um die Qualität noch besser abzusichern: So hat er beispielsweise eine eigene Qualitäts-Task Force gegründet, der er selber vorsteht. Ziel dieser Task Force ist es unter anderem, schneller auf Kundenwünsche zu reagieren oder auch durch den Aufbau von Schulungszentrenfür automobile Qualität das dafür notwendige Fachpersonal auszubilden. Darüber hinaus stellt weltweit jede Region einen "Chief Quality Officer" für diese Task Force, für Europa ist das Didier Leroy (zum Interview).

Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie?
Uyttenhoven: Dieses Jahr haben wir eine große wichtige Produkt-Neuheit:den Auris Hybrid im Sommer. Damit liefern wir den Hybrid-Antrieb in der Kompaktklasse erstmals in einer klassischen Karosserieform. Der Einstiegspreis wird bei 22.950 Euro liegen. Dieses Jahr wollen wir noch 2.000 Autos davon verkaufen, obwohl der Launch erst im September stattfindet. Und obwohl die Produktionskapazitäten beschränkt sind und andere Länder sicher eine noch größere Nachfrage danach wecken werden: In den Niederlanden etwa erhält man vom Staat einen 6.000 Euro Zuschuss für ein umweltschonendes Fahrzeug wie zum Beispiel ein Hybridauto, deswegen haben Hybride dort eine höhere Präsenz.  Übrigens: Im Mai kommt das Facelift des RAV4 in den Handel - und für Ende 2010 planen wir noch kleine Überraschung.

Den neuen Landcruiser wollen Sie aktiv aus dem Markt preisen?
Uyttenhoven: Nein, natürlich nicht. Der Einstiegspreis für die Basis-Heavy-Duty-Version liegt doch bei 36.950 Euro. Das Auto kommt auch in der aktuellen Preisstellung gut an und auch die hochwertige Ausstattung findet ihre Käufer.

Seitdem der Celica ausgelaufen ist, haben Sie keinen Sportwagen im Programm. Wie wollen Sie die Emotionen Ihrer Marke stärken?
Uyttenhoven: Der  Nachfolge des Celica kommt, wir haben in Genf und in Tokio mit der Studie FT-86 einen Ausblick darauf gegeben. Die Serienversion mit marginalen Änderungen kommt in Japan Ende 2011 auf den Markt. Und in Europa Anfang 2012. Das wird der Emotionalität in unserer Marke einen Schub geben.