Sitzprobe Rinspeed Budii
Mein bester Freund

Einmal Visionär, immer Visionär. Es ist das 21. Concept-Car, das Rinspeed-Chef Frank M. Rinderknecht mit dem Budii auf dem Genfer Auto-Salon vorstellt – und dafür gebührt ihm Respekt. Nicht nur für die Raffinesse, mit er es immer wieder schafft, Zulieferer zu finden, die hier zukunftsweisende Technik erproben. Und auch nicht allein für sein Geschick, ein so kostspieliges Projekt selbst dann in ruhigem Fahrwasser zu halten, wenn der Schweizer Franken, auf dessen Basis das Auto berechnet ist, Kapriolen schlägt. Es sind die Ideen, mit denen Rinderknecht Furore macht.

Rinspeed Budii mit Vogelnest auf dem Dach

Mancher Vorstandsvorsitzende tut sich noch schwer, den Einfluss der Robotik auf das Autofahren der Zukunft zu verstehen – da rollt Rinderknecht mit dem Rinspeed Budii bereits den ersten Entwurf dazu aus. Der City-SUV basiert auf einem käuflich erworbenen BMW i3, verfügt aber über ein Luftfederfahrwerk, das die Karosserie in der Höhe um zehn Zentimeter variieren kann. In Kombination mit den für ein Viermeterauto gewaltigen 19-Zoll-Felgen und deutlich herausgearbeiteten Radhäusern entwickelt der kleine Trendsetter seine eigene Optik.

An die Google-Fahrkugel vom letzten Jahr erinnert beim Rinspeed Budii dagegen das ausfahrbare Teleskop auf dem Dach, von Rinderknecht selbst liebevoll als "Vogelnest" umschrieben. Die Stange ist um bis zu 70 Zentimeter ausfahrbar und scannt mittels eines Lasers des Spezialisten Ibeo das Umfeld des Autos, um das Fahrwerk vorausschauend auf Unebenheiten einzustellen. Magic Carpet heißt diese Funktion bei Mercedes, die dort für die Luxusklasse als Option angeboten wird – technisch also eine bemerkenswerte Aufwertung eines Kleinwagens.

Roboterarm im Innenraum

Wer die gegenläufigen Türen des Rinspeed Budii öffnet und sich auf den Weg in den Innenraum begibt, der bekommt allerdings noch ganz andere Sachen zu sehen. Vorne befindet sich als eine Art vollkommen überdimensionierter Regenwurm ein Roboterarm, der sich mal auf die linke Seite schlängelt, wenn die klassische Fahrerposition genutzt werden soll, oder mal auf die rechte Seite rutscht, wenn der Beifahrer das Steuer in den Händen halten soll. Wollen die Passagiere dagegen lieber Händchen halten, dann sucht sich Budii seinen Weg allein - autonom, und der Roboterarm verkriecht sich im Fußraum.

Auf dem Arm thront übrigens eine mechanische Uhr der Luzerner Uhrenmanufaktur Carl F. Bucherer als Reminiszenz an längst vergangene Zeiten, in denen noch nicht alles digital funktionieren musste. Wenn die hochauflösende Kamera im Innenraum des Rinspeed Budii erkennt, dass die Gangreserve der Uhr zur Neige geht, dann beginnt der Roboterarm eine Bewegung, die an Tanzeinlagen naturbelassener Völker entfernter Kontinente erinnert - und zieht sie so wieder auf. Was in seinen Bewegungsabläufen fast archaisch wirkt, ist in Wirklichkeit ein hochmodernes Instrument von Kuka, das sich sensitiv auf die Reaktionen der Passagiere einstellen kann und das bislang ausschließlich in der industriellen Produktion eingesetzt wird. Doch der Roboter als neuer Freund des Menschen, der ihn zumindest partiell versteht, befindet sich zweifellos auf dem Vormarsch.

15,6-Zoll-Tablet als Schaltzentrale des Rinspeed Budii

Nächster Blickfang im Rinspeed Budii ist das riesige Tablet von Harman: 15,6 Zoll ist der Touchscreen in der Mitte groß, der Bildschirm im Armaturenträger misst noch einmal 12,3 Zoll. Das System erkennt ebenfalls Gewohnheiten und Vorlieben des Fahrers und erlaubt ihm, alle Steuerungen im Bereich Navigation, Multimedia und Bedienung über das Tablet durchzuführen.

Harman arbeitet dabei intensiv an der Verknüpfung mit den Outlook-Kalendern des Fahrers. Programmiert der in Zukunft vom heimischen Sofa aus die nächste Route, so wird ihm die dafür notwendige Reisezeit im Kalender direkt angezeigt. Künftig kann das System auch die besten Verbindungen zwischen zwei Terminen berechnen.

Chip berechnet Temperatur

Apropos rechnen: Von Halbleiter-Spezialist NXP stammt nicht nur die Wireless-Charging-Funktion des Smartphones im Innenraum, sondern auch ein Chip, den die Rinspeed Budii-Insassen in ihre Sportkleidung integrieren können. Gehen sie damit joggen und das Auto fährt autonom hinterher, dann werden die Daten zur Körpertemperatur direkt an die Klimaanlage gesendet, die den Innenraum entsprechend aufwärmt oder vorkühlt.

Und der Sensor kann im Rahmen der künftigen Car-to-X-Kommunikation noch weitere Aufgaben übernehmen: Untergebracht in den Schulranzen von Kindern, könnte er Autofahrer in Zukunft rechtzeitig warnen, dass der Nachwuchs – möglicherweise sogar auf der Straße – unterwegs ist. Unter diesen Sicherheitsaspekten ein absoluter Punktvorteil, was man sonst unter der Rubrik "Big Data" als zunehmende Überwachung auch kritisch verstehen könnte.

Privatsphäre immer wichtiger

Die Sorge um Datensicherheit wird angesichts dieser neuen Technologien aber wachsen - und die Menschen sich dabei eine immer ungestörtere Privatsphäre wünschen, das weiß auch Frank M. Rinderknecht. Den Passagieren seines Rinspeed Budii verschafft er durch ein individuell bedruckbares Fächersystem in den Scheiben Schutz vor Blicken. In den Sonnenblenden befinden sich Bildschirme, auf denen man wie im Flugzeug Filme schauen kann, wenn der Autopilot das Ruder übernommen hat. Und wer sich mit dem Budii nicht bis in den letzten Winkel der Innenstadt vorkämpfen möchte, der findet im Fond zwei Elektroroller, auf denen man die letzte Distanz in die City zurücklegen kann.

Viel Strahlkraft zeigt die i3-Neuinterpretation dabei sowohl innen als auch außen. Die Textilien sind aufwendig abgesteppt und farblich in Cognac- und Rottönen gemischt - dadurch entwickelt sich im Rinspeed Budii der Charakter einer modernen Lounge, aus der mittels ausfahrbarer Arbeitstische aus Plexiglas auch ein mobiles Büro gezaubert werden kann.

Der Lack lässt das Äußere des Rinspeed Budii strahlen wie eine Wunderkerze. Wenig erstaunlich, denn ein einziger Liter schlägt mit 1.400 Euro zu Buche, fünf davon wurden benötigt, um die Außenhaut in dem funkelnden Anthrazit-Ton zu überziehen. Ein Elektroauto mit rund 200 Kilometern Reichweite, das auf dem Genfer Auto-Salon viel Signalkraft versprühen dürfte, optisch wie auch technisch. Allein der Roboterarm ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

Übersicht:Sitzprobe Rinspeed Budii auf dem Genfer Autosalon 2015