Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt im Interview

Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt im Interview
"Deutschland wird unser Rückgrat bleiben“

Herr Schmidt, zuletzt war das Image von Mercedes stark unter Druck. Wie wollen Sie das ändern?
Schmidt: Dieser Eindruck mag vielleicht kurzzeitig und ausschließlich in Deutschland aufgekommen sein, wo wir besonders kritisch beäugt werden. Gehen Sie ins Ausland, stellt sich die Frage gar nicht, wer die Premiummarke schlechthin ist. So heißt es beispielsweise immer noch  "der Mercedes unter den Kühlschränken". Wir haben die stärkste Marke im Premiumsegment - und setzen alles daran, dass dies so bleibt. Das fängt bei den Produkten an - und geht bis zur Kundenzufriedenheit. Da sind wir heute in vielen Märkten wieder ganz an der Spitze und wollen uns noch weiter verbessern. Wir wollen in allen Bereichen "Das Beste oder nichts". Das ist schon immer unser Anspruch gewesen, und wird es auch in Zukunft wieder sein.

Wird das auch Ihr neuer Markenclaim?

Schmidt: Ob wir daraus einen externen Claim ableiten, ist noch nicht entschieden. Wichtiger ist ohnehin, dass dieser Anspruch von allen unseren Mitarbeitern täglich gelebt wird. Über einen Claim für die Öffentlichkeit werden wir aber im ersten Halbjahr 2010 entscheiden.

Im Dreikampf mit Audi und BMW wagen sich Ihre Konkurrenten mutigere Prognosen. Wie reagieren Sie darauf?
Schmidt: Die Kampfansage von Audi, die Nummer Eins im Premiumsegment werden zu wollen, nehmen wir kommunikativ gerne zur Kenntnis, allerdings mit einiger Gelassenheit: Wir gehen davon aus, auch 2010 bei den Absatzzahlen vor Audi zu bleiben - vor allem dank der Produkte, die wir im Köcher haben. Allein in den nächsten 24 Monaten bringen wir 16 neue und modellgepflegte Autos in den Markt. Unabhängig davon sind uns aber Stückzahlen nicht das Wichtigste.

Inwiefern?
Schmidt: Wenn Sie auf die Umsatz-Zahlen schauen, werden Sie feststellen, dass uns noch Welten von unserem Wettbewerber aus Ingolstadt trennen. Das resultiert vor allem daraus, dass wir in unseren angestammten Kernsegmenten, dem eigentlichen Premiummarkt – der C-, E- und S-Klasse – weltweit mit unseren Limousinen führend sind. Das beste Beispiel ist unsere aktuelle E-Klasse.

Wie sehen die Zahlen hier aus?

Schmidt: In Europa liegen wir bei der E-Klasse-Limousine mit rund 40 Prozent Segmentanteil, in Deutschland mit rund 60 Prozent deutlich vor unseren Wettbewerbern und erreichen das Niveau der Vorgängerbaureihen.

Audi-Chef Stadler will dieses Jahr beim Absatz die eine Million knacken. Wie sieht der Ausblick 2010 bei Ihnen aus?
Schmidt: Wir haben im vergangenen Jahr 1,012 Millionen Einheiten beim Absatz der Marke Mercedes Benz verbucht und uns damit in einem schwierigen Umfeld erfolgreich behaupten können – und sind so selbstbewusst, dass wir auch 2010 wachsen wollen und Marktanteile hinzugewinnen.

Wie lange brauchen Sie dann noch das Instrument der Kurzarbeit?
Schmidt: In Sindelfingen haben wir die Kurzarbeit bedingt durch die positive Entwicklung bei der E- und S-Klasse beendet und momentan sogar Zeitarbeitskräfte eingestellt. Wir gehen davon aus, 2010 mehr Autos zu verkaufen als 2009, dazu werden unter anderem die volle Verfügbarkeit der E-Klasse in allen Varianten sowie neue Motoren und einige Facelifts beitragen. Wir sehen also zumindest bei den Pkw eine positive Entwicklung, weshalb wir zuversichtlich sind dass wir die Kurzarbeit im Konzern deutlich zurück fahren können.

Am unteren Ende des Modellportfolios haben Sie bald nichts gegen den Audi A1 entgegen zu setzen. Wollen Sie sich dem stellen?

Schmidt: Gerade im Kompaktsegment haben wir große Potenziale mit Smart und den kommenden Nachfolgern der A- und B-Klasse. Außerdem geht es ja nicht darum, wer das kleinste Auto hat, sondern das effizienteste. Deswegen bieten wir innerhalb unserer Baureihen Motorisierungen an, die auch strengeren Verbrauchsansprüchen gerecht werden, ohne, dass der Kunde auf die Souveränität eines echten Mercedes verzichten muss. Unser S 400 Hybrid ist die CO2-ärmste Luxuslimousine weltweit. Und, Ende 2010 etwa bringen wir in der S-Klasse einen Vierzylinder-Diesel, der in Sachen Verbrauch Maßstäbe setzt.

Sehen Sie da tatsächlich größere Stückzahlen?

Schmidt: Ja, gerade in Westeuropa mit Ländern, die eine CO2-basierte Besteuerung haben, die größere Fahrzeugklassen stark benachteiligt. Und wir können mit kleineren und sparsameren Motoren innerhalb einer Baureihe natürlich verhindern, dass Kunden auf eine kleinere Baureihe umsteigen. Trotzdem werden wir natürlich auch in Klein- und Kompaktwagen-Segmenten Gas geben.

Wie?
Schmidt: Mit vier statt nur zwei Varianten als Nachfolger von A- und B-Klasse. Ob es eines Tages von Mercedes-Benz auch im Segment darunter ein Modell gibt, kann man heute nicht sagen. Zunächst einmal wollen wir das Smart-Portfolio ausbauen.

Wie wollen Sie die Fehler der Vergangenheit beim Smart Forfour verhindern?

Schmidt: Wenn wir einen Viersitzer machen, was noch nicht final beschlossen ist, dann machen wir ihn genau so einmalig und attraktiv, wie es heute der Smart Fortwo ist. Und wir würden ihn gemeinsam mit einem Partner bauen.

Das war damals mit Mitsubishi genauso.
Schmidt: Richtig. Diesmal aber reden wir mit vielen potenziellen Partnern und werden den wählen, der sich mit unseren Konzeptvorstellungen ideal ergänzt. Und bevor Sie jetzt fragen, ja, wir sprechen unter anderem auch mit Renault. Übrigens, der Smart Forfour war schon nicht schlecht und ist heute ein gesuchter und wertstabiler Gebrauchter. Sein Handicap war der Einstandspreis in einem sehr preissensiblen Segment.

Und bis 2015 werden Sie 150.000 Smart verkaufen – von den geplanten 1,5 Millionen der Mercedes Benz Cars?

Schmidt: Wir werden deutlich über 100.000 Smart verkaufen.

Wie müsste denn die Mercedes-Baureihe unterhalb der A-Klasse heißen?
Schmidt: Da sind wir kreativ. An der Namensgebung würde ein solches Vorhaben sicherlich nicht scheitern.

Bleibt da aber noch genügend Platz zwischen A-Klasse und einem großen, viertürigen Smart, der ja auch mittelfristig geplant ist?

Schmidt: Das ist genau die Frage. Die geplante Smart-Erweiterung hat jetzt erst einmal Vorrang.

BMW denkt im Rahmen seines Project i an ein Einspur-Fahrzeug wie seinerzeit den Motorroller C1, VW hat sich mit seiner Beteiligung an Suzuki den Zugriff auf das Know-How einer Motorrad-Sparte gesichert. Ist Mercedes auch für solche Pläne offen?
Schmidt: Nein, wir bleiben vier Rädern treu und sehen vielmehr alternative Antriebe als die Lösung. Hier haben wir massiv in verbrauchsmindernde und "Zero Emission"-Technologien investiert. Und das ist der richtige Weg für die Mega-Cities der Zukunft. Hier sind wir führend und wollen auch führend bleiben. Der Trend zu alternativen Antrieben ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Beim Thema CO2 hat Sie BMW allerdings schön abgehängt.

Schmidt: Der Eindruck täuscht. Im gerade vergangenen Jahr 2009 lagen wir in Europa bei einem durchschnittlichen Ausstoß von nur noch 160 Gramm CO2 pro Kilometer – 13 Gramm weniger als noch ein Jahr zuvor. Damit sind wir der Premium-Hersteller, der am schnellsten seine CO2-Werte gesenkt hat – dank unserer umfangreichen Technologie-Offensive, die zugegebenermaßen später einsetzte als bei BMW, dafür aber umso effektiver. Und sie ist noch lange nicht vorbei. Dieses Jahr bringen wir zum Beispiel zusätzlich neue 6- und 8-Zylinder-Motoren und ein sparsames Automatik-Getriebe, das vier bis fünf Gramm CO2-Ersparnis bringt. Unseren OM651-Hightech-Diesel, mit vier Zylindern und Doppelturbo, bringen wir wie erwähnt in der S-Klasse mit Start-Stopp und Top-Leistungswerten. Sie sehen, die CO2-Anstrengungen gehen weiter. 2012 wollen wir unter 140 Gramm CO2 pro Kilometer liegen.

Und für 2011 kommen Sie mit der Geheimwaffe, dem E300 Bluetec-Hybrid.

Schmidt: Die Kombination des sauberen und effizienten Dieselmotors mit einem kompakten und leistungsstarken Hybridmodul werden Sie zuerst bei Mercedes-Benz finden. Unsere E-Klasse wird damit erneut zum Technologieführer und sicher auch neue Maßstäbe bei Verbrauch und Souveränität setzen. Unter den deutschen Herstellern haben wir beim Hybrid die Nase ganz klar vorn und werden diesen Vorsprung weiter ausbauen.   

Auf der Peking Motor-Show im April zeigen Sie die verlängerte E-Klasse. Werden wir in Zukunft noch mehr Beispiele dafür sehen, dass Mercedes-Modelle den lokalen Bedürfnissen angepasst werden?
Schmidt: Da lassen Sie Sich bitte überraschen. Wir werden die Stärken unserer Portfolio- und Regionalstrategie jedenfalls dort ausspielen, wo es Sinn macht.

Wie sieht die Zukunft von Maybach aus – über das leichte Facelift hinaus?

Schmidt: Maybach werden wir weiter pflegen. Ein zweites Maybach-Modell....

Ein Baby-Maybach auf verlängerter S-Klasse-Plattform?

Schmidt: ... ist aus heutiger Sicht keine Priorität.

Kommen wir abschließend zum Thema Handel: VW will sein Händlernetz in Deutschland reduziert. Wie sieht das bei Mercedes aus?
Schmidt: Wir entwickeln bereits seit Jahren unser Vertriebsnetz im Rahmen der Marktentwicklungen weiter und liegen so heute bei nur noch knapp 100 Vertretern sowie 34 eigenen Niederlassungen mit in Summe ca. 760 Pkw-Vertriebs- und Service-Standorten in Deutschland. Zusammen mit den Standorten unserer Servicepartner sind wir damit auch für die Zukunft bereits jetzt gut aufgestellt. Kleinere Netzveränderungen wird es aber natürlich auch zukünftig geben. Auch weltweit haben wir eine auf das Absatzpotential angepasste Struktur.

Ist ein Ausbau Ihres Händlernetzes in China geplant?

Schmidt: Ja, unser Vertriebsnetz dort umfasst derzeit rund 130 Händler und soll dieses Jahr ausgeweitet
werden.

Wie hoch sind die weltweiten Investitionen in Ihr Händlernetz?

Schmidt: Unser Ziel ist es, die besten Händler zu haben mit einem nachhaltigen und profitablen Geschäftsmodell. Wir sind hier, auch in schwierigen Zeiten, ein verlässlicher Partner. Sehr wichtig ist uns auch das Thema Kundenzufriedenheit in unserem Handel: Wir wollen alles tun, um im Sales und Aftersales unsere Kunden voll und ganz zufrieden zu stellen. Und da haben wir große Fortschritte gemacht, was auch nicht zuletzt der auto motor und sport-Werkstättentest gezeigt hat. Weltweit haben wir uns in den letzten Jahren in zahlreichen Märkten bei der Kundenzufriedenheit stark verbessert und liegen hier ganz vorne.

Abschlussfrage: Deutschland ist ihr weltgrößter Einzelmarkt 2009 mit 298.000 Einheiten gewesen gefolgt von USA mit 205.200 Einheiten und Italien mit 83.300 Einheiten. Bleibt es bei dieser Reihenfolge..
Schmidt: Dieses Jahr bleibt es dabei. Tendenziell wird USA aufholen. Auch China, in 2009 unser fünftgrößter Markt, wird weiter wachsen, aber von den Stückzahlen her von den beiden größten Märkten erstmal  noch entfernt bleiben. Und Deutschland – unser Heimatmarkt – wird auch langfristig unser Rückgrat bleiben.