In Europa, so das das BMVI, sind 774.000 Modelle betroffen. „Dabei handelt es sich neben dem Vito insbesondere um die Volumen-Modelle GLC 220d und C 220d (OM 651). Daimler erklärt darüber hinaus, dass mit maximalem Abarbeitungstempo und in kooperativer Transparenz mit den Behörden die vom Bund beanstandeten Applikationen in der Motorsteuerung beseitigt werden“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg (KBA) hatte Daimler bereits vor Wochen vorgeworfen, beim Transporter-Modell Vito eine illegale Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verwendet zu haben.
Auch weitere Modelle sind betroffen
Daraufhin hatte Scheuer den Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche zur Klärung der Vorwürfe schon am 28.5.2018 in Verkehrsministerium nach Berlin bestellt und zwischenzeitlich sogar mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 3,75 Milliarden Euro (5.000 Euro pro Fahrzeug) gedroht. Bei diesem ersten Treffen wurde vereinbart, dass Daimler innerhalb von 14 Tagen konkrete technische Lösungen für die Probleme mit der Abgasnachbehandlung beim Mercedes Vito mit dem 1,6-Liter-Diesel-Motor (OM 626) vorlegen muss. Bis zum 15. Juni 2018 musste zudem dem Kraftfahrtbundesamt diese technische Lösung und die Umsetzung präsentiert werden.
Neben dem Vito und dem GLC bzw. der C-Klasse sind nach Angaben von Mercedes auch weitere einzelnen Modellvarianten der Baureihen E-Klasse Coupé, S-Klassem G-Klasse sowie ML bzw. GLE betroffen.
Genaue Angaben zu Stückzahlen bleibt Mercedes noch schuldig. Gibt jedoch an, dass rund 95 Prozent der zurückgerufenen Modelle sich auf den Vito, die C-Klasse sowie den GLC beziehen. Vom Mercedes G 350d seien in Deutschland weniger als 100 Fahrzeuge betroffen. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Motoren mit der Schadstoffnorm Euro 6b. Die neue Mercedes C-Klasse verfügt bereits über einen neuen Diesel-Motor (OM 654) in unterschiedlichen Leistungsstufen. Hier greift der Rückruf nicht.
Diesel-Absatz könnte schwinden
Welche Auswirkungen der Abgasskandal für Daimler haben könnte, zeigen die aktuellen Dieselanteile der Premium-Marken. Audi Dieselanteil 2018: 47,1 Prozent) verliert in den ersten fünf Monaten des Jahre im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 24,8 Prozent beim Absatz, BMW (47,0 Prozent) liegt bei minus 26,1 Prozent, Mercedes (46,2 Prozent) lediglich bei minus 14,4 Prozent.
Bei den freiwilligen Rückrufen zur Verbesserung der NOx-Emissionen seit dem März 2017 für die Diesel-Modelle der Kompaktklasse (A, B, CLA und GLA) mit den Motorisierungen 160d, 160 CDI, 180d und 180 CDI sind derzeit zirka 90 Prozent auf dem neuesten Stand. Bei der V-Klasse liegt die Quote bei 95 Prozent.
Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) sagte nach dem Treffen im Mai: „Wir werden jetzt einen vertieften Austausch über die hochkomplexen technischen Fragen vornehmen mit dem Ziel, anhand unserer konkreten Prüfungen umgehend die genaue Zahl der betroffenen Modelle zu ermitteln. Bei einem weiteren Treffen in 14 Tagen werden die konkreten Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Zudem läuft für das betroffene Modell Mercedes Vito 1,6 l Diesel Euro 6 ein Verwaltungsverfahren zur Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung. Zusätzlich hat das Kraftfahrtbundesamt dem Unternehmen eine Frist bis 15. Juni zur Vorlage einer technischen Lösung und deren Umsetzung angeordnet.“
Zuvor hatte das KBA bereits einen Rückruf der Vito-Modelle (5.000 Modelle weltweit sind betroffen) mit dem 1,6-Liter-Diesel mit Euro 6-Abgasnorm von Kooperationspartner Renault/Nissan verlangt, wie Daimler am Donnerstag (24.5.2018) mitteilte. Der Grundmotor wird vom Mercedes im eigenen Werk in Bremen mit Start-Stopp-Funktion sowie Nebenaggregaten aufgebaut. Dazu gehört auch ein neues Zweimassenschwungrad und ein neues Motorsteuergerät sowie die Abgasnachbehandlung.
Nach Rechtsauslegung des KBA entspricht die spezifische Programmierung von zwei Funktionen in der Motorsteuerung des Mercedes Vito nicht den geltenden Vorschriften, so Daimler und kündigte gleichzeitig einen Widerspruch an. Diese Rechtsauslegung würde zur Not auch vor Gericht geklärt werden. Die Funktionen seien Teil eines komplexen Abgasreinigungssystems, das eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs sicherstellen solle. Unabhängig von der rechtlichen Klärung werde Daimler weiter mit den Behörden kooperieren und die fraglichen Programmierungen wie verlangt mit einem Software-Update ändern. Die Kunden werden informiert sobald das Update vorliegt. Die Maßnahme wird selbstverständlich kostenlos durchgeführt.
Daimler mit Problemen auch in den USA
Bereits im Februar 2018 gab es die ersten Berichte, dass es Unstimmigkeiten bei dem Transporter-Modell gegeben haben soll. Nach Tests des KBA war die Abgasreinigung mit der Harnstofflösung AdBlue nur auf Rollprüfständen effizient, im Straßenbetrieb die Wirkung jedoch reduziert. Aktuell sind nach Angaben des KBA von dem Rückruf knapp 6.300 Modelle betroffen sein, in Deutschland 1.372 Fahrzeuge. Daimler hatte schon vergangenen Sommer Updates für insgesamt mehr als drei Millionen Fahrzeuge angekündigt, auch der Vito war dort inkludiert.
Ebenfalls im Februar 2018 soll der Autobauer eine Million Fahrzeuge mit unzulässig hohem Schadstoffausstoß in den USA verkauft haben. Vertrauliche Unterlagen enthüllten, dass Daimler-Techniker schon länger an der Legalität der Abgastests in den USA zweifelten. Aus vertraulichen Dokumenten der Ermittler gehe hervor, dass Daimler-Mitarbeiter bereits vor der VW-Dieselaffäre daran zweifelten, US-Gesetze bei Straßentests (PEMS) einhalten zu können, berichtet die „Bild am Sonntag“. Interne Messungen hatten später teils verheerende Ergebnisse ergeben. So überschritten Mercedes-Modelle im Straßenbetrieb die Stickoxid-Grenzwerte um mehr als das Zehnfache. Wie die „BamS“ mit Bezug auf diese Unterlagen weiter berichtet, existierten bei Daimler gleich mehrere Softwarefunktionen, die vorrangig dazu entwickelt worden seien, den gängigen US-Abgastests auf dem Prüfstand zu entsprechen. Die Funktion „Bit 15“ etwa sei so programmiert worden, dass die Abgasnachbehandlung nach 26 Kilometern den sauberen Modus verlässt. Zudem stießen die US-Ermittler auf eine weitere verdächtige Funktion, die im Fahrzeugkontrollsystem steckt. Dieser sogenannte „Slipguard“ erkennt anhand von Geschwindigkeit oder Beschleunigungswerten, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet oder auf der Straße.
Bereits im Mai 2017 berichteten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR., dass bei mehr als einer Million Fahrzeuge in Europa und den USA aus dem Bauzeitraum von 2008 bis 2016 Motoren eingebaut worden sein, bei denen die Abgasmessungen manipuliert wurden. Das gehe aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart hervor, den die Zeitung und die Sender einsehen konnten. Dem Beschluss zufolge sind die Autos und Kleintransporter, bei denen die Abgasmessungen manipuliert worden sein sollen, mit den Motoren OM 642 und OM 651 ausgestattet. Der Autobauer selbst wollt nach Informationen des Spiegel den Bericht mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht kommentieren.
Vier- und Sechszylinder-Diesel unter Verdacht
Der Vierzylinder-Diesel OM 651 befindet sich in zahlreichen Pkw und Transportern von der A- bis zur S-Klasse sowie in V-Klasse und Sprinter. Den Dreiliter-V6-Dieselmotor OM 642 verwendet Mercedes in diversen Leistungsstufen unter anderem in E-Klasse, M-Klasse, S-Klasse, R-Klasse, CLS und im Sprinter.
Bereits im Mai hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft elf Gebäude von Daimler durchsucht. Der Grund sind mögliche Abgas-Manipulationen beim Diesel. Der Konzern bestätigte in einer Pressemitteilung „Ermittlungen gegen bekannte und unbekannte Mitarbeiter der Daimler AG wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung im Zusammenhang mit möglicher Manipulation der Abgasnachbehandlung bei Diesel Pkw.“
Durchsuchungen in mehreren Bundesländern
Es „seien 23 Staatsanwälte und 230 Polizisten aus Baden-Württemberg und anderen Bundesländern im Einsatz gewesen“, berichtet die ARD unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Sachsen seien elf Gebäude von Daimler durchsucht worden. Ziel der Untersuchungen seien Datenträger und Unterlagen. Daimler erklärte dazu: „Das Unternehmen kooperiert vollumfänglich mit der Behörde.“
Die Motoren OM 642 und OM 651
Der OM 642 ist ein Dreiliter-V6-Turbodieselmotor, der 2005 eingeführt wurde und bei Mercedes in verschiedensten Baureihen zum Einsatz kam und kommt. Zu finden ist er im Sprinter, im G-Modell, im alten ML, in der E-Klasse und in der R-Klasse sowie dem Vito und dem Viano. Verbaut wurde er aber auch im GL, dem GLK, der C-Klasse, dem CLK, dem CLS sowie der S-Klasse. Aber auch in Modellen des ehemaligen Konzerpartners Chrysler ist der Selbstzünder zu finden. Hier wollen der Chrysler 300C und der Jeep Grand Cherokee genannt. In welchen Modellen die ermittler Beanstandungen festgestellt haben, ist alledings nicht bekannt.
Der OM 651 ist ein Vierzylinder-Turbodiesel mit 1,8 und 2,1 Litern Hubraum. In der kleineren Hubraumversion wurde er in den Kompaktmodellen A- und B-Klasse sowie CLA verbaut. Mit 2,1 Liter Hubraum ist er in fast allen Baureihen zu finden: Vito, Viano, Sprinter, C-Klasse, V-Klasse, CLA, GLA, A- und B-Klasse, E-Klasse, SLK, GLK, GLC, CLS und S-Klasse.